LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/5447 31.03.2014 Datum des Originals: 31.03.2014/Ausgegeben: 03.04.2014 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 2040 vom 19. Februar 2014 des Abgeordneten Daniel Schwerd PIRATEN Drucksache 16/5103 Sogenannte A-Kundenverträge des Landes NRW nach Kyrill Der Minister für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz hat die Kleine Anfrage 2040 mit Schreiben vom 31. März 2014 namens der Landesregierung IM Einvernehmen mit dem Finanzminister beantwortet. Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Laut Landeswaldbericht 2012 hat der Orkan Kyrill im Jahr 2007 ca. 15,7 Millionen m³f (Festmeter ) Holz in nordrhein-westfälischen Wäldern geworfen. Damit handelte es sich laut Bericht um die schlimmsten je in NRW registrierten Waldschäden. Betroffen waren sowohl der Staats- und Kommunal- als auch der Privatwald. Im Anschluss an Kyrill war zu klären, was mit diesem sogenannten „Sturmholz“ oder „Kyrill-Holz“ geschehen sollte. Im Abschlussbericht der Landesregierung „zu den Folgen des Sturmereignisses Kyrill vom 18./19. Januar 2007“ (Vorlage 14/3295) heißt es: „Mit sechs Sägewerken, darunter ein Holzwerkstoffproduzent , wurden Vereinbarungen (die sogenannten ‚A-Kundenverträge‘) über die Lieferung von Nadelrohholz aus Kalamitäten und Kamalitätsfolgehieben sowie Frischholz zur stofflichen Verwertung geschlossen.“ Bei diesen „A-Kundenverträgen“ zwischen dem Land NRW und privatwirtschaftlichen Abnehmern handelt es sich mutmaßlich um die folgenden Verträge: 1. „Vereinbarung“ vom 20.2.2007 sowie Rahmenkaufvertrag vom 17.4.2007 mit der Firma Klausner Holz GmbH, Adelebsen; 2. Rahmenkaufvertrag vom 15.3./13.4.2007 mit der Firma IBH GmbH, Schleiden; 3. Rahmenkaufvertrag vom 13.4.2007 mit der Firma Matthias Hermes Holz GmbH, Stadt- kyll; LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/5447 2 4. Rahmenkaufvertrag vom 27.4.2007 mit der Firma Gebr. Eigelshoven KG, Würselen; 5. Rahmenkaufvertrag vom 25.4./3.5.2007 mit der Firma I. van Roje & Sohn GmbH & Co KG, Oberhonnefeld-Gierend; 6. Rahmenkaufvertrag vom 30.4.2007 mit der Firma Egger Holzwerkstoffe Brilon GmbH & Co KG.; In einem Gutachten von 2008 für den Verband der Säge- und Holzindustrie Nord e. V. kam Prof. Dr. Andreas Schulte von der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster zu folgender Einschätzung: „Der Orkan Kyrill hat in NRW für einen Schaden in Höhe von mindestens 15 bis zu max. 20 Mio. m³f Holz über alle Baum- und Waldbesitzarten gesorgt. Die sechs Rahmenkaufverträge decken bis zu 2,5 Mio. m³f ‚Kyrill-Holz‘ ab, mithin nur etwa 12,5 % bis 17,5 % des ‚Schadens‘. Ab 2009 sollen pro Jahr jedoch z.B. alleine jeweils 800.000 m³f bis zum Jahr 2014, mithin 4,8 Mio. m³f ‚Frischholz‘ an zwei Firmengruppen, nämlich Egger und Klausner geliefert werden. Dementsprechend kann die ‚Sondersituation Kyrill‘ definitiv nicht als Grund, allenfalls als Vorwand für die vom Leiter der Landesforstverwaltung NRW unterzeichneten Rahmenkaufverträge dienen.“1 Diese Verträge wurden also mit Sturmschäden begründet, erstreckten sich in ihrer Wirkung jedoch über viele Jahre und umfassten explizit Frischholz. Es ist bis heute ungeklärt, wie diese dubiosen, jetzt teilweise vor Gericht verhandelten Holzlieferverträge des Landes zustande gekommen sind. 1. Wer leitete nach dem Orkan Kyrill für das Land die Verhandlungen über den Abschluss der „A-Kundenverträge“? Im Rahmen einer Plenarsitzung des 14. Landtages am 07.02.2007 hat Herr Minister Uhlenberg bekanntgegeben, dass „die Führung der strategischen Aufgaben und die regionale Koordinierung aller Maßnahmen seit heute direkt beim Leiter der Landesforstverwaltung, Dr. Franz-Lambert Eisele, gebündelt wird. Wir haben festgestellt, dass wir insbesondere im Hinblick auf die Frage der Holzvermarktung dringend eine Bündelung der Maßnahmen brauchen “ (Plenarprotokoll 14/52 S. 5901). Darüber hinaus hat die Landesregierung dem 14. Landtag einen Bericht „Holzvermarktung nach Kyrill unter besonderer Berücksichtigung der sog. A-Kundenverträge“ (Stand 22.08.2008) vorgelegt. Aus diesem geht ebenfalls hervor, dass die Verhandlungen mit den Holzkunden vom Leiter der Landesforstverwaltung geführt wurden. 2. Mit welchen potenziellen Abnehmern wurde über den Abschluss der „A- Kundenverträge“ verhandelt? Siehe auch Antwort zu Frage 1. Herr Minister Uhlenberg hat auf der Sitzung des Krisen- und Arbeitsstabes Forst Südwestfalen (KAFOS) am 12.02.2007 dem Verband der Sägeindustrie Nord das Sturmholz zum Kauf angeboten. Zu einem Vertragsabschluss ist es nicht gekommen. Im Rahmen der KAFOS-Sitzung am 20.02.2007 wurde über den Holzabsatz vorgetragen. Dabei wurde auch zum ersten Mal der sonst in der forstlichen Fachsprache nicht übliche Begriff „A-Kunde“ verwandt. Zu den A-Kunden, mit denen bis zu diesem Zeitpunkt Gesprä- 1 Schulte, Andreas (2008): „Mögliche forst- und volkswirtschaftliche Auswirkungen der Rahmenkaufverträge von Rundholz (Fichte) des Landes NRW unter besonderer Berücksichtigung der Sägeindustrie“, S. 2. Gutachten online unter: http://www.wald-zentrum.de/pdf/aktuelles/2013/Gutachten-VDS-NRW-18-01-2008-ORIGINAL.pdf. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/5447 3 che geführt worden waren, gehörten folgende Unternehmen: UPM (Augsburg), Klausner (Adelebsen), Ante-Holz GmbH (Winterberg) und I.B.H. Sägewerk GmbH (Schleiden). Gleichfalls wurden die Sitzungsteilnehmer darüber informiert, dass der Holzwerkstoffhersteller EGGER an seinem Betriebsgelände in Brilon laut einem aktuellen Zeitungsbericht ein Nadelholzsägewerk errichten wolle. Geschäftliche Kontakte über Nadelstammholzlieferungen gab es in dem Moment zu EGGER noch nicht. Zu den weiteren Unternehmen, mit denen der Leiter der Landesforstverwaltung in der weiteren Folge gesprochen hat, gehörten nach heutigem Kenntnisstand: Stora Enso Kabel Mill (Hagen), Gebr. Eigelshoven KG (Würselen), Hermes Holz GmbH (Stadtkyll), van Roje (Oberhonnefeld), Schmitz (Nettersheim), Holzindustrie Losheim HILOHOLZ GmbH & Co. KG (Losheim), Franz Binder Gruppe (Fügen/Tirol), Holzindustrie Stallinger GmbH (Amstetten, Österreich), Lejeune GmbH (Koblenz bzw. Eupen, Belgien), Schmelter GmbH (Lennestadt), Fisch GmbH & Co. KG (Rüthen), Pieper Holz GmbH (Olsberg) sowie SWL Tischlerplatten Betriebs-GmbH (Langenberg). 3. Nach welchen Kriterien wurden seitens des Landes gerade die oben genannten Firmen für den Abschluss der „A-Kundenverträge“ ausgewählt? Hierzu liegen der jetzigen Landesregierung keine über die Angaben im Abschlussbericht „Kyrill“ hinausgehenden Erkenntnisse vor. 4. Welche Kabinettsmitglieder, Staatssekretäre und leitende Beamte hatten vor der Unterzeichnung Kenntnis von der Ausgestaltung der „A-Kundenverträge“? In der Plenarsitzung des 14. Landtages am 07.02.2007 wurde die Mündliche Anfrage der Abgeordneten Löhrmann „Waldschäden nach Kyrill - Wie hilft die Landesregierung“ diskutiert . Herr Minister Uhlenberg erklärte: „Die Gespräche mit Großabnehmern für Holz werden in den kommenden Tagen unter direkter Mitwirkung der Führungsebene des Umweltministeriums geführt, und wir wollen zügige Abschlüsse erreichen.“ (Plenarprotokoll 14/52, S. 5901) Auf die Nachfrage der Abgeordneten Watermann-Krass nach dem Umfang der Einlagermöglichkeiten für Holz erklärte Herr Minister Uhlenberg, dass er von „insgesamt 10 bis 12 Millionen Festmetern“ Sturmholz ausgehe. Er hoffe, „dass ein Großteil in der nächsten Zeit zügig abfließt. Von daher ist eine enge Kooperation mit den – auch internationalen – Sägewerkern notwendig, die wir natürlich auf den Weg gebracht haben; da gibt es auch ganz konkrete Zusagen.“ (Plenarprotokoll 14/52, S. 5903) a) Kabinett: Nach den im Landtag am 07.03.2007 erfolgten Erklärungen wurden den Ressorts bestimmte Aufgaben im Rahmen der Bewältigung des Sturmschadens „Kyrill“ zugeordnet. So hat das MUNLV am 19.03.2007 informiert, dass es „marktstabilisierende Rahmenkaufverträge abgeschlossen “ habe, „die sowohl akute Sturmholzmengen als auch Optionen auf eine künftige sichere Vermarktung einer Grundlast-Menge umfassen“ würden. Am 27.03.2007 hat eine „Regionalkonferenz Südwestfalen“ in Siegen unter Beteiligung des Ministerpräsidenten Jürgen Rüttgers stattgefunden. Hier hat auch Herr Minister Uhlenberg laut Redemanuskript über die Holzverkaufsaktivitäten berichtet. An der Konferenz nahmen auch andere Regierungsmitglieder teil. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/5447 4 b) Staatssekretär: Dr. Alexander Schink c) leitende Beamte: Neben dem Leiter der Landesforstverwaltung waren auch der Abteilungsleiter III des MUNLV und der Leiter des Holzwirtschaftsreferats III-4 mit dem Vorgang vertraut. 5. Das Land NRW ist auch heute aktiv im Bereich der Holzvermarktung mittels der Landesbehörde Wald und Holz. Nach welchen Kriterien wird bei heutigen Holzverkäufen über die Preisgestaltung und die Auswahl der Abnehmer entschieden? Das praktizierte Holzvermarktungskonzept des Landesbetriebs Wald und Holz (LB WH) wird im Qualitäts- und Umweltmanagement-Handbuch des LB WH als Prozess beschrieben. Es kann wie folgt skizziert werden: Im Landesbetrieb Wald und Holz werden für die div. Sortimente wie Nadel-, Laubstamm-, Industrie-, Energie- und Wertholz spezifische Verkaufsverfahren verwandt, um auch in einem schwierigen wirtschaftlichen Umfeld den Rohstoff marktgerecht anbieten zu können. Dabei nutzt der Landesbetrieb in der Regel Quartalsverträge und strebt einen ausbalancierten Mix aus Groß- und Kleinkunden an. Die Erreichung besonderer umweltpolitischer Ziele (FSC Zertifizierung - Chain of custody) wird mit der gezielten Belieferung entsprechend zertifizierter Sägebetriebe erreicht. Weitere, weichere Faktoren wie Kundentreue, regionale Akzeptanz beim Waldbesitz, Einhaltung von Zahlungszielen gehen in die Vermarktungsentscheidung ein. Faktoren für die Steuerung der Mengen an die Industrie sind nicht definiert. Der LB WH bietet das Wirtschaftsgut Holz nach unterschiedlichen Verkaufsverfahren an: • Rahmenvorverkauf • frei Hand Vor- wie Nachverkauf • frei Stock Verkauf • Wertholz-Submissionen Weitere interne Betriebsanweisungen, die vor allem im QM-Prozeß „Holzverkauf“ und in den allgemeinen Holzverkaufs- und Zahlungsbedingungen geregelt sind, vervollständigen die Details der Verkaufsverfahren.