LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/5598 15.04.2014 Datum des Originals: 15.04.2014/Ausgegeben: 17.04.2014 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 2102 vom 13. Februar 2014 des Abgeordneten andré Kuper CDU Drucksache 16/5316 Droht Kommunen durch die RWE-Aktien-Wertberichtigung die Überschuldung? Der Minister für Inneres und Kommunales hat die Kleine Anfrage 2102 mit Schreiben vom 15. April 2014 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister für Wirtschaft, Energie, Industrie, Mittelstand und Handwerk beantwortet. Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Der Energiekonzern RWE vermeldete am 28. Februar neue massive Verluste von rund 3 Milliarden Euro. Dadurch sank der Aktienwert auf 29 Euro. Von dem aktuell niedrigen Kurswert sind auch viele Kommunen in Nordrhein-Westfalen betroffen, die RWE-Aktien in ihren städtischen oder Beteiligungshaushalten halten. Bis zum 31. März hat die Stadt Mühlheim an der Ruhr ihren Jahresabschluss 2013 vorzulegen. Die Überschuldung drohe, weil die Stadt gesetzlich gezwungen sein dürfte, eine millionenschwere Wertberichtigung für ihre rund 9,4 Millionen RWE-Aktien vorzunehmen. Bis zuletzt würden die Stadt Mülheim und andere NRW-Kommunen mit dem Land darüber verhandeln, wie eine Neubewertung ihrer RWE-Aktien abzuwenden ist. Denn die führte, mindestens im Fall von Mülheim, unweigerlich zur Überschuldung. Mit anderen betroffenen Ruhrgebietskommunen versucht die Stadt Mühlheim das Land dazu zu bewegen, dass die Wertminderung der Aktie noch nicht vollumfänglich im aktuellen Jahresabschluss abgebildet werden müssen. Das NRW-Innenministerium bestätigte gegenüber der WAZ laufende Gespräche, wollte aber seine Verhandlungsposition nicht preisgeben. Laut neuer gesetzlicher Regelung sind städtische RWE-Anteilseigner in der Pflicht, die Wertminderung der Aktien durch eine Anpassung des Buchwertes in ihrer Bilanz abzubilden. Die Aktien sind in den Bilanzen als Finanzanlagen angesetzt. Die Kommunen haben jährlich zum Abschlussstichtag den Wert ihrer Aktien zu überprüfen und eigenverantwortlich und nach eigenem Ermessen über eine Anpassung des Wertansatzes in ihrer Bilanz zu entscheiden (vgl. § 35 Absatz 5 GemHVO NRW). LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/5598 2 Laut Antwort der Landesregierung auf meine kleine Anfrage, Drs. 16/3304, kann sich generell eine Pflicht zur Anpassung des Wertansatzes von Aktien nach den genannten Vorschriften nur in den Fällen ergeben, in denen von der Kommune angenommen wird, dass voraussichtlich eine dauernde Wertminderung der Aktien eintritt. Die Kommunen müssen bei dieser Prognoseentscheidung das ihnen zustehende Ermessen unter Beachtung der einschlägigen Haushaltsgrundsätze und der Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung zutreffend ausüben und dokumentieren. § 35 Abs. 5 GemHVO NRW sei Ausdruck des allgemeinen Vorsichtsgebotes. Mit einer zutreffenden eigenverantwortlichen Anwendung sei eine Einhaltung des Vorsichtsgebotes sichergestellt. Die Stadt Essen und ihre städtischen Beteiligungen halten mehr als 18,6 Millionen RWEAktien . Die Stadt Essen allein hat 11.750.777 RWE-Stückaktien in ihrem Besitz. Die Bewertung der RWE AG Stammaktien in der Eröffnungsbilanz des Stadt Essen und ihrer Beteiligungen zum 1.1.2007 erfolgte zu dem in der Eröffnungsbilanz bilanzierten Buchwert von 75,92 Euro je Stammaktie, so dass Kapital von mehr als 1,4 Milliarden Euro bilanziert wurde. Seit Januar 2007 stehen die Mülheimer Aktien mit 712 Mio. Euro in den Büchern, gemäß Börsenwert zum Jahresende 2013 waren sie aber nur noch rund 250 Mio. Euro wert. Für die Stadt Mühlheim habe dies zur Folge, dass eine außerplanmäßige Abschreibung von einer halben Milliarde Euro vorgenommen werden müsse. Der Einbruch der Aktien-Dividende stellt die Stadt, insbesondere deren Beteiligungsholding (BHM), vor erhebliche Probleme. Es fehlen Einnahmen, um die hohen Verluste an anderer Stelle, insbesondere bei der Mülheimer Verkehrsgesellschaft, zu decken. Flughafen, Mülheimer Seniorendienste, MST, Theater, Wirtschaftsförderung und vor allem die MVG – all diese Verlustbringer sind unter dem Dach der Beteiligungsholding untergebracht. Nach 2008, als RWE die Rekorddividende von 4,50 Euro/Stück gezahlt hat, krankt der BHM-Finanzverbund. Die Dividenden-Erlöse reichen zunehmend nicht aus, die Verluste zu decken. Für 2014 wird damit gerechnet, dass die Stadt aus ihrem Haushalt schon 20 Mio. Euro zuschießen muss, 2008 war es nur 1 Mio. Euro. Das vorhergesagte Ergebnis bei der MVG entwickelt sich gegenläufig. 1. Mit welchen Kommunen führt das Innenministerium derzeit Gespräche über die Wertberichtigung der RWE-Aktien? An das Ministerium für Inneres und Kommunales sind die Städte Essen, Herne und Mülheim mit der Bitte um ein Gespräch über die rechtlichen Rahmenbedingungen der Bewertung von Finanzanlagen herangetreten. Dieses Gespräch hat stattgefunden. 2. Welchen Kommunen droht die bilanzielle Überschuldung, wenn eine Anpassung der Werte der RWE-Aktien vorgenommen wird? Dem Ministerium für Inneres und Kommunales ist nicht bekannt, welche Kommunen unmittelbar oder mittelbar RWE-Aktien halten. Entsprechende Anzeige- oder Genehmigungspflichten bestehen für Kommunen nicht. Ebenso wenig hat das Ministerium für Inneres und Kommunales Erkenntnisse über den Wertberichtigungsbedarf bei den kommunalen Aktionären. Von daher kann die Frage nicht beantwortet werden. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/5598 3 3. Welchen Handlungsbedarf sieht die Landesregierung aktuell bei der Wertberichtigung der RWE-Aktien in den städtischen Haushalten? Eine Pflicht zur Anpassung des Wertansatzes von Aktien nach § 35 Absatz 5 GemHVO NRW kann sich nur in den Fällen ergeben, in denen von der Kommune angenommen wird, dass voraussichtlich eine dauernde Wertminderung der Aktien eintritt. Die Kommunen müssen bei dieser Prognoseentscheidung ihre Einschätzung unter Beachtung der einschlägigen Haushaltsgrundsätze und der Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung zutreffend vornehmen und dokumentieren. Das Ministerium für Inneres und Kommunales sieht keinen Anlass § 35 Abs.5 GemHVO NRW zu ändern. Mit dem NKF-Weiterentwicklungsgesetz ist - auf Vorschlag der kommunalen Spitzenverbände - lediglich eine Anpassung an den Wortlaut der entsprechenden handelsrechtlichen Vorschrift vorgenommen worden, ohne den materiellen Gehalt der Regelung zu verändern. Ob und inwieweit sich aus einer vorgenommenen Wertberichtigung Handlungsbedarf für die jeweilige Kommune ergibt, richtet sich nach der Situation des Einzelfalls. 4. Wie verhält sich die derzeitige Lage mit der bisherigen Haltung der Landesregierung in der o.g. kleinen Anfrage, dass es der kommunalen Selbstverwaltung obliege, ob und wann eine Wertberichtigung von RWE-Aktien vorzunehmen sei? Die derzeitige Lage verändert die Sichtweise des Ministeriums für Inneres und Kommunales, wie sie in der Antwort auf die Kleine Anfrage Nr. 1255 (Landtagsdrucksache 16/3304) zum Ausdruck gebracht worden ist, nicht. 5. Ist es als Konsequenz zum Beispiel für die Stadt Mühlheim angedacht, für den Fall der Wertberichtigung, einen Sparkommissar der Kommunalaufsicht zu entsenden, womit die Stadt Mühlheim in ihrer Handlungsfähigkeit gravierende Einschränkungen in Kauf nehmen müsste? Sofern durch eine Wertberichtigung bei RWE- Aktien eine Überschuldung eintritt, gilt § 75 Abs. 7 GO NRW. Danach darf sich eine Gemeinde nicht überschulden. Hieraus resultiert die Verpflichtung, die eingetretene Überschuldung von der Gemeinde zu beseitigen. In welchem Zeitraum dieser Prozess stattfinden muss, hängt von der jeweiligen haushaltswirtschaftlichen Situation der Kommune ab. Diese Rechtslage ist allgemein bekannt. Das Ministerium für Inneres und Kommunales geht davon aus, dass die betroffenen Kommunen die erforderlichen Konsequenzen ziehen und ihre Konsolidierungs- und Sanierungspläne entsprechend anpassen. Die Frage nach kommunalaufsichtlichen Maßnahmen stellt sich derzeit nicht.