LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/5660 25.04.2014 Datum des Originals: 24.04.2014/Ausgegeben: 30.04.2014 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 2126 vom 24. März 2014 der Abgeordneten Yvonne Gebauer und Ingola Schmitz FDP Drucksache 16/5366 Wie genau ist die Umsetzung der Potenzialanalyse im Rahmen der Landesinitiative „Kein Abschluss ohne Anschluss“ geplant? Der Minister für Arbeit, Integration und Soziales hat die Kleine Anfrage 2126 mit Schreiben vom 24. April 2014 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister für Inneres und Kommunales und der Ministerin für Schule und Weiterbildung beantwortet. Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Eine frühzeitige, systematisierte Berufs- und Studienorientierung sowie ein verbessertes Übergangsmanagement bilden ein wichtiges und begrüßenswertes Anliegen. Allerdings muss natürlich immer auch hinterfragt werden, ob angestrebte Wirkungen auch tatsächlich erreicht werden können bzw. ob Maßnahmen sinnvoll sowie nachvollziehbar ausgestaltet sind. In Schulen beziehungsweise bei Eltern tauchen wiederholt Fragen zur Ausgestaltung und Umsetzung auf, die aus den vorliegenden Unterlagen oftmals für die Betroffenen nicht umfassend beantwortet werden. Diese Fragen sind auch deshalb nicht unerheblich, da die Landesregierung von einem „verbindliches Gesamtsystem für alle Schulen“ spricht. Zu vielfältigen diesbezüglichen Aspekten wurden daher bereits Anfragen seitens der FDPFraktion an die Landesregierung gerichtet (exemplarisch sei hier z.B. auf die Drucksache 16/3599 verwiesen). Eines dieser hinsichtlich der Ausgestaltung hinterfragten Elemente stellt die Umsetzung der Potenzialanalyse dar. Hierzu heißt es in der Handreichung des Ministeriums für Schule und Weiterbildung „Das Standardelement „Potenzialanalyse“ im Rahmen der Landesinitiative „Kein Abschluss ohne Anschluss“: „Mit der Landesinitiative „Kein Abschluss ohne Anschluss“ sind verbindliche Standardelemente entwickelt worden, durch die im Sinne von Mindeststandards der systematische Prozess der Berufs- und Studienorientierung beginnend ab der Jahrgangsstufe 8 bis hinein in eine Ausbildung oder ein Studium bzw. alternative Anschlusswege definiert wird. Die folgenden Erläuterungen ergänzen die Beschreibung des Standardelements „Potenzialanalyse“ (SBO 5) und beantworten Fragen zur Umsetzung in Nordrhein-Westfalen.“ Offenbar ist demnach die Potenzialanalyse für alle Schülerinnen und Schüler verbindlich. Dies lässt sich auch aus den Antworten der Landesregierung LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/5660 2 der genannten Kleinen Anfrage sowie des Runderlasses „Berufs- und Studienorientierung“ des Ministeriums für Schule und Weiterbildung vom 21. 10. 2010 (BASS 12 – 21 Nr. 1) schließen. In den sogenannten „Qualitätsstandards zur Durchführung von Potenzialanalysen in Programmen zur Berufsorientierung des BMBF“ heißt es allerdings: „Die Zustimmung des Schülers/ der Schülerin und der Erziehungsberechtigten zur Teilnahme an der Potenzialanalyse muss vor Beginn der Potenzialanalyse vorliegen.“ Es stellt sich daher die Frage, ob alle Jugendlichen zur Teilnahme an der Potenzialanalyse im Rahmen des neuen Übergangssystems verpflichtet sind oder ob Jugendliche oder auch Eltern zum Beispiel die Teilnahme an einzelnen Elementen des neuen Übergangsystems ablehnen können. Im Rahmen des Standardelements „Potenzialanalyse“ stellt sich auch die Frage, in wie weit bei einer allgemeinen Verbindlichkeit aller Elemente dies auch tatsächlich für alle Schülerinnen und Schüler zutreffen soll. In der Veröffentlichung „Neues Übergangssystem Schule – Beruf in NRW. Zusammenstellung der Instrumente und Angebote.“ steht auf Seite 14 zum Beispiel eine Art „Kreuzchenliste“ der Zielgruppen. Dort befindet sich etwa im Bereich der Potenzialanalyse für Schülerinnen und Schüler mit besonderem Förderbedarf kein Kreuzchen . Daher stellen sich die Fragen, ob dies bedeutet, dass Jugendliche mit sonderpädagogischem Förderbedarf hiervon grundsätzlich ausgeschlossen und welche alternativen Angebote angedacht sind. Generell heißt es hierzu in der genannten Zusammenstellung des Ministeriums für Arbeit, Integration und Soziales: „Verbindlich sind Standardelemente, die für alle Schüler/-innen ausgewiesen sind. Für Schüler/-innen mit besonderem Förderbedarf stehen verschiedene ergänzende Angebote zur Verfügung. Die Schule entscheidet in eigener pädagogischer Verantwortung, welches der Angebote geeignet ist. Die betreffenden Schüler /-innen nehmen dann verbindlich daran teil.“ 1. Sind alle Elemente innerhalb des neuen Übergangssystems verbindlich oder kön- nen Jugendliche bzw. Erziehungs-berechtigte gegebenenfalls auch die Teilnahme an einzelnen Elementen verweigern (wenn ja bitte erläutern, wie dies ausgestaltet ist)? Im Rahmen der Landesinitiative Kein Abschluss ohne Anschluss (KAoA) sind für alle Standardelemente Mindestanforderungen festgelegt (vgl. www.berufsorientierung-nrw.de). Ab dem Schuljahr 2014/2015 können alle Kommunen in NRW an KAoA teilnehmen. Wenn Schulen am neuen Übergangssystem teilnehmen bedeutet das auch, dass die Schülerinnen und Schüler alle Elemente von KAoA, die für ihre Zielgruppe angeboten werden, durchlaufen . Eine Auswahlmöglichkeit einzelner Standardelemente besteht dann nicht. 2. Inwieweit ist die offenbar in NRW angedachte/bestehende Verbindlichkeit mit den genannten Ausführungen des BMBF in Übereinstimmung zu bringen? Die Förderrichtlinie des Bundesministeriums für Bildung und Forschung geht grundsätzlich von einer freiwilligen Teilnahme (sowohl seitens der umsetzenden Träger als auch seitens der Schulen) aus; eine Verpflichtung von Schulen und/oder Schülerinnen und Schülern kann mangels Zuständigkeit seitens des BMBF nicht festgelegt werden. Beim aktuellen Umsetzungsstand von Kein Abschluss ohne Anschluss können noch nicht für alle Schülerinnen und Schüler aller Schulen Potentialanalysen angeboten werden; insofern kann noch nicht von einer generellen Verpflichtung zur Teilnahme gesprochen werden. Soweit sich Schulen aktuell beteiligen, sind die entsprechenden Elemente, auch die Potenzialanalysen oder Praxisphasen, verpflichtend. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/5660 3 3. Warum soll sich eine Potenzialanalyse offenbar laut Ministerium für Arbeit, Integration und Soziales zunächst grundsätzlich nicht an Jugendliche mit besonderem Förderbedarf richten? Der in den Vorbemerkungen der Kleinen Anfrage genannten Tabelle („Kreuzchenliste“) ist zu entnehmen, dass das Standardelement Potenzialanalyse für die Zielgruppe „alle Schülerinnen und Schüler“ vorgesehen, also keine Zielgruppe ausgeschlossen ist. 4. Welche „ergänzenden Angebote“ zur Potenzialanalyse stehen für Schülerinnen und Schüler mit besonderem Förderbedarf zur Verfügung? Zielgruppe der Potenzialanalyse sind alle Schülerinnen und Schüler der Jahrgangsstufe 8 an allgemein bildenden Schulen in NRW. Dazu gehören auch diejenigen Schülerinnen und Schüler mit besonderem Förderbedarf. Schulen, die noch nicht an KAoA teilnehmen, haben ungeachtet dessen verschiedene Möglichkeiten, Potenzialanalysen oder Kompetenzfeststellungsverfahren (z. B. das Programm „Schule trifft Arbeitswelt“ (STAR) und die Berufsorientierungsmaßnahmen nach §48 SGB III) in Anspruch zu nehmen. Diese werden über Bundesoder Landesprogramme gefördert. Spezifische Formen der Potentialanalyse für bestimmte Gruppen werden z.B. aktuell für Schülerinnen und Schüler mit Behinderungen im Rahmen des Landesvorhabens „STAR - Schule trifft Arbeitswelt“ auch unter Nutzung von Mitteln der Initiative Inklusion - Handlungsfeld I des Bundesministerium für Arbeit und Soziales erprobt.