LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/5676 28.04.2014 Datum des Originals: 28.04.2014/Ausgegeben: 30.04.2014 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 2149 vom 27. März 2014 des Abgeordneten Marc Lürbke FDP Drucksache 16/5457 Wenn die Strafe nicht auf dem Fuße folgt… bis heute kein Prozess gegen Gewalttäter wegen Fußballrandale im März 2012! Der Justizminister hat die Kleine Anfrage 2149 mit Schreiben vom 28. April 2014 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit der Ministerin für Familie, Kinder, Jugend, Kultur und Sport und dem Minister für Inneres und Kommunales beantwortet. Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Im Zusammenhang mit Gewalt im Fußball wird immer wieder von der Politik die Wichtigkeit der schnellen, konsequenten Aburteilung von Straftätern angemahnt und gar der verstärkte Einsatz beschleunigter Verfahren gegen solche Täter diskutiert – aber die Realität sieht nicht selten anders aus: Im März 2012 überfielen bis zu 50 zum Teil vermummte Personen aus dem Kreis der Ultras des 1. FC Köln mit Eisenstangen und Steinen einen Gladbacher Bus auf der A 3 bei Siegburg : Polizei und Staatsanwaltschaft ermittelten nach dieser neuen Dimension gezielter Gewalt gegen 28 Verdächtige, nach zehn Monaten wurden drei junge Männer wegen Nötigung und Landfriedensbruch angeklagt. Die Täter sind auf freiem Fuß. Bis heute – zwei Jahre danach – hat der Prozess gegen sie laut einem Bericht des KStA nicht begonnen, und es könne auch noch ein weiteres halbes Jahr dauern, weil die Kölner Strafkammern überlastet seinen, so ein Gerichtsprecher gegenüber dem KstA (vgl. http://www.ksta.de/koeln/---wilde-horde-weiter-kein-prozesstermin-fuer-ultras-- ,15187530,25966034.html). Rechtsexperten kritisieren in dem Bericht den Umstand, dass sich Verfahren in Köln teilweise über Jahre hinziehen. Das sei ein fatales Signal für die Angeklagten und für die Bevölkerung, wird ein renommierter Strafrechtler in der Zeitung zitiert. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/5676 2 Die Landesregierung stellt indes in Abrede, dass es zu wenig Richter und Staatsanwälte in NRW gibt. Unlängst prügelten Mitte Januar mitten in der Kölner Innenstadt bis zu 200 Mitglieder von Ultragruppierungen des 1. FC Köln, von Borussia Dortmund und FC Schalke 04 aufeinander ein. Liegen blieb ein als Gewalttäter Sport bekannter 40-jähriger Schalker mit zertrümmertem Schädel. Auch die Eskalation inmitten Unbeteiligter stellte eine neue Dimension dar. Diese Woche konnte die Polizei nur Mithilfe von Pfefferspray und Schlagstöcken am Mittwochabend in Köln gewaltbereite Fußballfans voneinander trennen. Rund 200 Anhänger des 1. FC Köln waren nach einem 2:0-Sieg über den Karlsruher SC auf dem Stadionparkplatz auf die Gäste losgegangen, wie die Polizei mitteilte. 1. Wieso hat bislang der Prozess gegen die Angeschuldigten wegen des oben be- schriebenen Überfalls auf einen Fanbus im März 2012 nicht begonnen? Über prozessleitende Maßnahmen wie die Terminierung zur Hauptverhandlung entscheidet die zuständige Strafkammer des Landgerichts Köln im Grundsatz in richterlicher Unabhängigkeit . Nach Mitteilung des Präsidenten des Landgerichts Köln handelt es sich bei dem Verfahren , welches den tätlichen Übergriff auf einen mit Anhängern des Fußballvereins VfL Borussia Mönchengladbach besetzten Bus betrifft, um eine umfangreiche Nichthaftsache, die entsprechend den verfassungsrechtlichen Anforderungen nachrangig zu den bei der Strafkammer anhängigen Haftsachen zu bearbeiten ist. Aufgrund von Artikel 97 des Grundgesetzes ist es der Landesregierung verwehrt, auf die Reihenfolge der Bearbeitung der anhängigen Verfahren Einfluss zu nehmen. 2. Inwieweit besteht eine Überlastung/Unterbesetzung der Kölner Strafkammern als Grund dafür? Die Belastung der Gerichte in Nordrhein-Westfalen ist hoch. Dies gilt auch für das Landgericht Köln. Indes konnte sie in den letzten Jahren kontinuierlich zurückgefahren werden. Das Jahresergebnis 2013 weist auf der Grundlage des von den Justizverwaltungen der Länder eingesetzten Personalbedarfsberechnungssystems PEBB§Y erneut einen Rückgang der stellenbasierten Belastungsquote für die Richterinnen und Richter in der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Nordrhein-Westfalen auf nunmehr 104,14 % aus. Hierzu hat auch der Haushaltsgesetzgeber auf Initiative der Landesregierung beigetragen, indem er in den vergangenen Jahren eine erhebliche Zahl neuer Stellen für Richter und Richterinnen geschaffen bzw. entgegen früheren Planungen auf den Abbau von Richterstellen verzichtet hat. Zum anderen beruht der Rückgang auch auf in einzelnen Bereichen leicht rückläufigen Eingangszahlen. Eine Überlastung/Unterbesetzung im Bereich der Strafkammern des Landgerichts Köln besteht nicht. Der Präsident des Oberlandesgerichts Köln hat der besonderen Situation des Landgerichts Köln als Großstadtgericht mit vielen umfangreichen und komplexen Strafverfahren bereits in besonderem Maße dadurch Rechnung getragen, dass er diesem in erheblichem Umfang zusätzliches Personal zur Verfügung gestellt hat. Hierdurch ist es gelungen, den tatsächlichen Personaleinsatz im Strafbereich des Landgerichts Köln von 34 im Jahr 2009 auf nunmehr 55 Arbeitskraftanteile zu erhöhen. Mit diesen Personalverstärkungen konnten seit dem Jahr 2009 insgesamt acht Große Strafkammern bei dem Landgericht Köln zusätzlich eingerichtet werden. Die Einrichtung einer weiteren Großen Strafkammer im laufenden Jahr ist beabsichtigt. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/5676 3 3. Sieht die Landesregierung darin auch ein fatales Signal an Fußballgewalttäter sowie Polizeibeamte, die jedes Wochenende ihre Gesundheit für die Sicherheit der Menschen riskieren? Die Landesregierung gibt mit Blick auf Artikel 97 des Grundgesetzes bewertende Äußerungen im Zusammenhang mit einem gerichtsanhängigen Verfahren nicht ab. Im Übrigen wird auf die Antworten zu den Fragen 1 und 2 Bezug genommen. 4. Wie ist der Sachstand der polizeilichen/staatsanwaltlichen Ermittlungen nach der Massenschlägerei in der Nähe des Rudolfplatzes in der Kölner Innenstadt? Die Ermittlungen richteten sich zunächst gegen 55 Beschuldigte, die sämtlich im engen zeitlichen und örtlichen Zusammenhang mit dem Tatgeschehen vorläufig festgenommen und erkennungsdienstlich behandelt wurden. Im Zuge der Ermittlungen hat sich ein Tatverdacht gegen zwei weitere Beschuldigte ergeben, so dass aktuell gegen 57 Beschuldigte ermittelt wird. Die Ermittlungen dauern an. Auf den schriftlichen Bericht des Ministers für Inneres und Kommunales zu Tagesordnungspunkt 2 der Sitzung des Innenausschusses am 6. Februar 2014 (Vorlage 16/1611 vom 3. Februar 2014) wird ergänzend Bezug genommen. 5. Welche Maßnahmen wurden (bzw. sind geplant) gegen wie viele ermittelte Per- sonen im Zusammenhang mit den drei genannten Vorfällen (Überfall Fanbus März 2012; Massenschlägerei Rudolfplatz Januar 2014; Angriff auf Karlsruher Bus/Fans am 26. März 2014) veranlasst (Beantragung Stadionverbote; Meldeauflagen ; Betretungsverbote, etc.)? Anregung und Umsetzung von Stadionverboten Die Polizei Köln hat mit Stand vom 10. April 2014 jeweils auf Grundlage vorgenommener Einzelfallprüfungen wegen der Vorkommnisse am 5. März 2012 gegen 28 Personen, wegen der Vorkommnisse am 18. Januar 2014 gegen 20 Personen und wegen der Vorkommnisse am 26. März 2014 gegen eine Person die Aussprache bundesweit wirksamer Stadionverbote angeregt. Abhängig von den Ergebnissen der laufenden Ermittlungsverfahren kann sich die Anzahl der Anregungen bundesweit wirksamer Stadionverbote noch erhöhen. Vereinsseitig wurden aus Anlass des ersten Vorfalls 28 bundesweit wirksame Stadionverbote ausgesprochen , von denen 20 wegen der zwischenzeitlich erfolgten Einstellung der Ermittlungsverfahren wieder aufgehoben worden sind. Im Zusammenhang mit der Auseinandersetzung am 18. Januar 2014 sind vier bundesweit wirksame Stadionverbote und 16 örtliche Stadionverbote für Köln ausgesprochen worden. Die Entscheidung über das auf Grund der Vorkommnisse vom 26. März 2014 bislang gegen eine Person angeregte bundesweit wirksame Stadionverbot steht noch aus (Stand: 10. April 2014). Durchführung präventiv polizeilicher Maßnahmen Die Anwendung präventiv polizeilicher Maßnahmen anlässlich von Fußballspielen wird von den nordrhein-westfälischen Polizeibehörden intensiv geprüft, um bereits im Vorfeld von Ereignissen von potentiellen Störern ausgehende Gefahren zu reduzieren. In Betracht kommen insbesondere Bereichsbetretungsverbote sowie Meldeauflagen. Voraussetzung für die Durchführung von Bereichsbetretungsverboten oder von Meldeauflagen ist eine einzelfallbezogene Gefahrenprognose. Die Grundlage hierfür bilden personenbezogene Informationen zum Verhalten des Betroffenen. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/5676 4 Im Zusammenhang mit den drei Vorfällen sind bislang 85 Bereichsbetretungsverbote und 16 Meldeauflagen verhängt worden; zwei Bereichsbetretungsverbote sind mit Meldeauflagen kombiniert worden. Im Nachgang zu den Ereignissen vom 26. März 2014 ist beabsichtigt, eine weitere Person mit Bereichsbetretungsverboten für die restlichen Heimspiele des 1. FC Köln zu belegen. Abhängig von den Ergebnissen der laufenden Ermittlungsverfahren und der Gefahrenprognose im Zusammenhang mit weiteren Ereignissen kann sich die Anzahl der Bereichsbetretungsverbote und Meldeauflagen zukünftig noch erhöhen.