LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/5686 29.04.2014 Datum des Originals: 29.04.2014/Ausgegeben: 02.05.2014 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 2144 vom 28. März 2014 der Abgeordneten Henning Höne und Kai Abruszat FDP Drucksache 16/5442 Glücksspielstaatsvertrag: Was unternimmt die Landesregierung, um Spieler zu schützen und illegales Glücksspiel zu verhindern? Der Minister für Inneres und Kommunales hat die Kleine Anfrage 2144 mit Schreiben vom 29. April 2014 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Finanzminister, dem Minister für Wirtschaft, Energie, Industrie, Mittelstand und Handwerk, der Ministerin für Gesundheit , Emanzipation, Pflege und Alter und der Ministerin für Bundesangelegenheiten, Europa und Medien beantwortet. Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Am 7. November 2012 hat der Landtag Nordrhein-Westfalen mit den Stimmen von SPD und Bündnis90/Die Grünen das Gesetz zum Ersten Staatsvertrag zur Änderung des Staatsvertrags zum Glücksspielwesen in Deutschland (Erster Glücksspieländerungsstaatsvertrag – Erster GlüAndStV) verabschiedet (Drucksache 16/17). Mit der gleichen Mehrheit wurde der Entschließungsantrag „Chancen des Ersten Glücksspieländerungsstaatsvertrages nutzen – Verantwortungsvolles Spielen sicherstellen“ (Drucksache 16/1287) beschlossen. Etwas mehr als zwei Jahre nach diesem Beschluss gibt es von unterschiedlicher Seite Kritik am Glücksspielstaatsvertrag und am Verhalten der Aufsichtsbehörden. So veröffentlichte die Forschungsstelle Glücksspiel der Universität Hohenheim am 10.03.2014 eine Pressemitteilung mit dem Titel „Illegales Glücksspiel: Forschungsstelle Glücksspiel geißelt Passivität der Politik“. In der Mitteilung heißt es unter anderem, dass rund 12.000 illegale Glücksspielanbieter im Internet agierten, ohne eine Strafverfolgung in Deutschland befürchten zu müssen. Prof. Dr. Tilman Becker, Geschäftsführender Leiter der Forschungsstelle Glücksspiel: „Wer sich nicht an Gesetze hält, wird geschont. Legale Anbieter, die Sucht- und Jugendschutz ernst nehmen und Steuern zahlen, werden durch rechtliche Hürden eingeschränkt.“ LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/5686 2 In der Pressemitteilung sind beispielhaft Maßnahmen gegen illegales Glücksspiel benannt. Aufgeführt werden „Werbeverbot[e] für illegale Anbieter“ oder „Abkommen mit KreditkartenUnternehmen , um Finanzströme auf Konten illegaler Anbieter zu blockieren“. Auch Lotto Hessen zieht eine eher kritische Zwischenbilanz zum Staatsvertrag. Die RheinMein Zeitung bezieht sich auf Äußerungen vom Geschäftsführer der LotterieTreuhandgesellschaft , Heinz-Georg Sundermann: „Anders als geplant sei der wachsende, auf ein Volumen von mehr als vier Milliarden Euro taxierte Sportwettenmarkt bisher nicht reguliert: Die schon für 2012 erwarteten 20 Wettlizenzen ließen auf sich warten, als Folge würden die von Sportwetten ausgehenden Suchtgefahren nicht bekämpft.“ Dabei war bereits in der Reaktion der Kommission auf die Antwort eines notifizierenden Mitgliedstaates auf eine ausführliche Stellungnahme vom 20. März 2012 (Mitteilung SG(2012) D/50777) – also vor mehr als 2 Jahren – ausgeführt, die Kommission könne nicht einschätzen , inwieweit die kritischen, sehr hohen Anforderungen an die Lizenzerteilung überhaupt ein legales, wirtschaftliches Glücksspielangebot ermöglichten. Dem Ziel, das Glücksspielwesen im Sinne des Präventionsgedankens in legale Bahnen zu lenken, war also schon damit kaum gedient. Dies gilt aber erst recht, wenn es zu einer Lizenzerteilung überhaupt nicht kommt, da dann sämtliche Sportwetten im illegalen Markt stattfinden. Ähnlich berichtet am 24.03.2014 die WELT: „Weil ein großer Teil der Anbieter illegal arbeitet und Gesetze nicht umgesetzt werden, gehen Deutschland Millionen Euro flöten.“ Vorbemerkung der Landesregierung Die Kleine Anfrage basiert auf Meldungen der Presse und den darin ohne nähere Spezifizierung genannten Zahlen und Umständen, zu denen die Landesregierung keine Stellung nimmt. Dies gilt umso mehr, als die zitierte Pressemitteilung der Forschungsstelle Glücksspiel weder Bezug auf das Glücksspielangebot noch den Vollzug in Nordrhein-Westfalen nimmt. Eine neutrale Auswertung der Situation auf dem Glücksspielmarkt bleibt der Evaluierung des Glücksspielstaatsvertrags vorbehalten, die u. a. der Frage nachgehen wird, wie wirkungsvoll die im Glücksspielstaatsvertrag geregelten Aufsichts- und Kontrollmechanismen in der Praxis sind. Vor diesem Hintergrund nimmt die Landesregierung zu den Fragen wie folgt Stellung:1 1. Was unternimmt die Landesregierung, um die eingangs beschriebenen Vollzugs- und Kontrolldefizite in Bezug auf illegale Anbieter zu reduzieren? Ein grundlegendes Vollzugs- und Kontrolldefizit im Glücksspielbereich besteht in NordrheinWestfalen nicht. Dies belegen nicht zuletzt zahlreiche Gerichtsverfahren, die in der Vergangenheit von den Kommunen als den örtlich zuständigen Ordnungsbehörden geführt wurden. Entsprechendes gilt für das Einschreiten der Bezirksregierung Düsseldorf, welche landesweit für die Überwachung und Untersagung unerlaubten Glücksspiels und der Werbung hierfür im Rundfunk und mittels Telekommunikationsanlagen sowie darüber hinaus immer dann zuständig ist, wenn der Veranstalter weder seinen Sitz noch eine Betriebsstätte in NordrheinWestfalen hat (§ 20 Abs. 2 AG GlüStV NRW). Den Gerichtsverfahren zugrunde liegen Untersagungsverfügungen gegen sogenannte Vollanbieter, gegen Sportwettanbieter, gegen Po- 1 Sofern im Folgenden ausschließlich die männliche Sprachform verwendet wird, geschieht dies aus Gründen der besseren Lesbarkeit. Die weibliche Sprachform ist in diesen Fällen mitgemeint. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/5686 3 kerveranstalter und gegen Werbung für unerlaubtes Glücksspiel. In diesem Zusammenhang hat das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen ausdrücklich festgestellt (Urteil vom 25. Februar 2014, Az.: 13 A 351/12), dass es in Nordrhein-Westfalen trotz zeitweiliger Rechtsunsicherheiten aufgrund des alten Staatsvertrages kein strukturelles Vollzugsdefizit gegeben hat. Ein Vorgehen gegen Onlineglücksspielangebote erweist sich allerdings aktuell oftmals als schwierig, weil gegen die überwiegend im Ausland ansässigen Anbieterinnen und Anbieter mangels rechtlicher Abkommen in der Regel nicht vollstreckt werden kann. Die Verfahren sind langwierig. In der Zukunft wird es darum gehen, mit Instrumenten des neuen Staatsvertrags, wie dem Unterbinden der Zahlungsströme zwischen Kunden und Glücksspielanbietern, diese Hürden zu nehmen. Inwieweit dies gelingt, wird die bereits eingangs erwähnte Evaluierung des Glücksspielstaatsvertrags zeigen. 2. Wie ist aus Sicht der Landesregierung die durch die Vollzugsdefizite entstehen- de Ungleichbehandlung zwischen legalen und illegalen Anbietern zu rechtfertigen ? Die Frage unterstellt eine sachwidrige Ungleichbehandlung von legalen und illegalen Anbieterinnen und Anbietern. In der Antwort zu Frage 1 wurde jedoch dargelegt, dass ein strukturelles Vollzugsdefizit nicht besteht. Folglich besteht auch keine Ungleichbehandlung, die zu rechtfertigen wäre. 3. Wie hoch wären schätzungsweise die zusätzlichen Einnahmen für das Land Nordrhein-Westfalen, wenn die illegalen Spieleinsätze, die von Prof. Dr. Tilman Becker bundesweit auf sechs bis neun Milliarden Euro geschätzt werden, in legale Spiele umgeleitet werden könnten? Allein durch das Umlenken in legale Spiele werden keine zusätzlichen Einnahmen generiert, weil die Steuerschuld an das Spiel und nicht an die Genehmigung anknüpft. Daher ist eine Schätzung der zusätzlichen Einnahmen für das Land Nordrhein-Westfalen nicht möglich. Überdies kann nicht beurteilt werden, welche Umsätze bei Wegfall der illegalen Glücksspielangebote im legalen Bereich des Lotteriewesens, der Sportwetten sowie der Spielkasinos erzielt werden würden. 4. Inwieweit hat sich die Landesregierung erfolgreich dafür eingesetzt, dass die im Entschließungsantrag unter Punkt IV. 8 b/c genannten Modellprojekte angelegt werden? Die Landesregierung steht insoweit mit der Automatenindustrie und anderen Vertreterinnen und Vertretern der Branche in Kontakt. Mit allen Beteiligten besteht Einigkeit, dass eine Anlegung von Modellprojekten vor der beabsichtigten Novellierung der Spielverordnung nicht sinnvoll ist, da eine suchtfachliche und betriebswirtschaftliche Bewertung maßgeblich von den Vorgaben der Spielverordnung abhängt . LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/5686 4 5. In welchem Umfang wurde die EU-Kommission seit deren Reaktion vom 20.03.2012 über den Vollzug des Staatsvertrages in Nordrhein-Westfalen unterrichtet ? Die Europäische Kommission wurde im Februar 2013 aufgrund einer Nachfrage im Verfahren zur Notifizierung von Art. 4 i. V. m. Art. 5 Abs. 3 des Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Besteuerung von Sportwetten vom 29. Juni 2012 über aktuelle Entwicklungen im Bereich des Glücksspielstaatsvertrages informiert. Außerdem wurden im Zusammenhang mit der Evaluierung des Glücksspielstaatsvertrages Gespräche mit der Kommission geführt, in denen auch Fragen zur Umsetzung des Staatsvertrages erörtert wurden. Im Fokus der Darstellungen stand jeweils insbesondere das Verfahren zur Erteilung von Sportwettenkonzessionen. Vollzugsfragen auf Ebene einzelner Bundesländer haben hingegen keine Rolle gespielt. Mit der Kommission wurde vereinbart, diese über wesentliche Entwicklungen informiert zu halten.