LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/572 10.08.2012 Datum des Originals: 10.08.2012/Ausgegeben: 15.08.2012 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 127 vom 16. Juli 2012 des Abgeordneten Kai Abruszat FDP Drucksache 16/253 Wie werden individuell angemessene Schulbesuchsmöglichkeiten der Kinder und Jugendlichen in der Stadt Bünde (Kreis Herford) sichergestellt? Die Ministerin für Schule und Weiterbildung hat die Kleine Anfrage 127 mit Schreiben vom 10. August 2012 namens der Landesregierung beantwortet. Vorbemerkung der Kleinen Anfrage In der Stadt Bünde besteht eine Hauptschule, die im Schuljahr 2012/2013 eine Eingangsklasse mit 18 Schülern bilden wird. Diese einzige Hauptschule der Kommune wird jedoch in den kommenden Jahren laut Prognosen der Schulentwicklungsplanung die nötige Anzahl an Schülerinnen und Schülern zur Bildung einer Eingangsklasse nicht mehr erreichen. Somit ist das Auslaufen dieser Schule wahrscheinlich, auch wenn sie in den aufsteigenden Jahrgängen noch eine Dreizügigkeit besteht. Die örtliche Schullandschaft ist durch von Eltern stark nachgefragten Realschulen, zweier Gymnasien sowie einer Gesamtschule des Gesamtschulverbandes Bünde / Kirchlegern geprägt . Aufgrund der demographisch stabilen Situation der neben der Hauptschule existierenden weiterführenden Schulen, die sich bei den Eltern offensichtlich großer Beliebtheit erfreuen , wurden Überlegungen, Schulen anderer Schulformen zu errichten oder standortspezifische Veränderungen vorzunehmen, von der oberen Schulaufsicht verworfen. Da laut vorliegenden Informationen ein Beschluss zur Schließung der Hauptschulen in Enger und Löhne bereits gefallen ist, in Vlotho eine Umwandlung der Hauptschule in eine Sekundarschule erfolgt und in der Stadt Herford die Absicht besteht, die letzte Hauptschule zu schließen, würde im Kreis Herford kein Hauptschulangebot und zudem auch kein leicht zu erreichendes Sekundarschulangebot als Ersatz für die Hauptschule bestehen. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/572 2 Nicht nur für die Schülerinnen und Schüler, die von ihren Eltern für die Eingangsklasse der Hauptschule angemeldet wurden, sondern auch für diejenigen höherer Jahrgänge, die an die Hauptschule wechselten, besteht somit das Problem, ein angemessenes Schulangebot zu finden. Die anwachsende Zügigkeit an der Hauptschule verdeutlicht, dass z. B. trotz individueller Förderung nicht alle Schülerinnen und Schüler dem Niveau an der Realschule folgen können, zumal die Realschulen aufgrund der bereitgestellten begrenzten Ressourcen trotz intensiver Bemühungen nicht für alle Schülerinnen und Schüler eine solche individuelle Förderung umsetzen können, so dass ein Verbleib im Interesse der Schülerinnen und Schüler die bestmögliche Lösung darstellen würde. Eine solche Problematik darf daher nicht mit einfachen Schlagwörtern wie etwa „Kultur des Behaltens“ überdeckt werden, wenn die jeweiligen Bedürfnisse der Kinder und Jugendlichen im Mittelpunkt stehen sollen. Ein einfacher Verweis, es handele sich um ein internes Problem der Realschulen, ist nicht im Interesse der Kinder. Selbstverständlich muss an allen Schulformen versucht werden, Kinder und Jugendliche durch die bestmögliche Förderung zu unterstützen, so dass ein Schulwechsel als „Rückläufer“ nicht notwendig ist. Gelingt eine Förderung und Stützung nicht, muss auch zukünftig ein alternatives schulisches Förderangebot bereitstehen. Ein einfaches Verbot des Schulformwechsels könnte zwar Statistiken „schönen“, entspräche jedoch nicht den individuellen Interessen der Kinder, für deren Wohl die Politik Verantwortung trägt. Auch müssen Schulen durch entsprechende Ressourcen in die Lage versetzt werden, die an sie gerichteten Anforderungen erfüllen zu können. Eine Möglichkeit vor Ort könnte die Aufnahme mit Hauptschulempfehlung an der Gesamtschule darstellen. Die örtliche Gesamtschule verweigert jedoch nach vorliegenden Informationen die Aufnahme zusätzlicher Kinder mit Hauptschulempfehlung. Demnach wurde vor Ort auf die Leistungsheterogenität verwiesen; man sei nicht bereit, weitere Kinder und Jugendliche mit Hauptschulempfehlung aufzunehmen, da man nicht zu einer „Restschule“ werden wolle. Hierbei wurde demzufolge auf die „Drittelquotierung“ der Leistungsheterogenität verwiesen . Dies ist insofern überraschend, als dass das Aufnahmeverfahren an Gesamtschulen nicht unumstritten ist. So wurde in der Vergangenheit über einige Gesamtschulen diskutiert, die in sehr hoher Zahl Kinder mit Gymnasialempfehlung aufnahmen, jedoch lediglich in sehr geringer Zahl Kinder mit Hauptschulempfehlung. Dies dürfte vermutlich auch aus Sicht der Landesregierung dem pädagogischen Grundkonzept von Gesamtschulen widersprechen. Bereits im Jahr 2009 hatte die Landesregierung daher angekündigt, landeseinheitliche Vorgaben für die Beurteilung der Leistungsheterogenität an Gesamtschulen zu prüfen. Dies würde eine präzisere Fassung bestehender Regelungen bedeuten, die sicherstellt, dass nicht unterschiedliche Formen des Auswahlverfahrens praktiziert werden und gegebenenfalls schwächere Schülerinnen und Schüler im Aufnahmeverfahren eine Benachteiligung erfahren . Die für Bünde geschilderten Probleme sind indes nicht ungewöhnlich. Es häufen sich Rückmeldungen aus verschiedenen Gegenden des Landes, wonach auch die Schulbehörden aufgrund mangelnder bestehender rechtlicher Klarheit als Folge des Schulkonsenses von CDU, SPD und Grünen Schulträgern erklären, nicht genau zu wissen, wie mit Problemen rechtlich umzugehen sei. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/572 3 1. Welche zukünftigen Schulbesuchsmöglichkeiten bestehen für die Kinder und Jugendlichen auf der Basis der geschilderten örtlichen Situation in Bünde (bitte rechtlich jeweils aufschlüsseln nach Schülern in Eingangsklassen sowie bei einem Schulformwechsel, zu besuchenden Schulen der jeweiligen Schulform sowie nach Schulstandort)? Gemäß § 80 Absatz 1 Schulgesetz NRW obliegt der Stadt Bünde als Schulträger die Schulentwicklungsplanung . Schulträger sind verpflichtet, Schulen zu errichten und fortzuführen, wenn in ihrem Gebiet ein Bedürfnis dafür besteht und die Mindestgröße gewährleistet ist (§ 78 Absatz 4 Satz 2 Schulgesetz NRW). In Trägerschaft der Stadt Bünde bestehen zwei Gymnasien, zwei Realschulen, eine Hauptschule und im Schulverband mit Kirchlengern eine Gesamtschule an zwei Standorten. Die Hauptschule besteht im Schuljahr 2012/2013 fort. Die weitere Schulentwicklungsplanung der Stadt bleibt abzuwarten. Sofern Schulen aufgelöst werden, haben die Schülerinnen und Schüler Anspruch da-rauf, den von Ihnen gewählten Bildungsgang in der von ihnen gewählten Schulform zu beenden. 2. Welche Maßnahmen wird die Landesregierung ergreifen, um den Rückmeldun- gen entgegenzuwirken, dass die Schulaufsichtsbehörden aufgrund fehlender oder mangelnder gesetzlicher Vorgaben des Landes als Folge des Schulkonsenses Schulträgern mitteilen müssen, dass sie selber nicht sagen können, wie rechtlich bei einigen der oben genannten Aspekte zu verfahren sei? Derartige Rückmeldungen von Schulträgern sind der Landesregierung nicht bekannt. Ein Mangel an gesetzlichen Vorgaben besteht nicht. Das Schulgesetz NRW enthält im Achten Teil detaillierte Regelungen zur Schulentwicklungsplanung und zur Durchführung schulorganisatorischer Maßnahmen. Schulträger werden durch die oberen Schulaufsichtsbehörden umfassend informiert und beraten. 3. Wie bewertet die Landesregierung unter Beachtung des der Schulform Gesamt- schule zugrundeliegenden pädagogischen Konzepts die Aussage der örtlichen Gesamtschule, man werde keine zusätzlichen Kinder mit Hauptschulempfehlungen aufnehmen, da man nicht zu einer „Restschule“ werden wolle? Dem Prinzip der Leistungsheterogenität ist innewohnend, dass von Schülerinnen und Schülern einer bestimmten Leistungsfähigkeit jeweils eine begrenzte Anzahl vertreten ist. 4. Welche Änderungen plant die Landesregierung für landeseinheitliche Vorgaben zur Festlegung der Leistungsheterogenität an Gesamtschulen? 5. Wenn die Landesregierung keine in Frage 4 genannten Änderungen plant, wie wird sie zukünftig sicherstellen, dass Kinder mit Hauptschulempfehlung bei dem Aufnahmeverfahren an Gesamtschulen nicht schlechter gestellt werden? Die Fragen 4 und 5 werden gemeinsam beantwortet. Die bestehenden Vorgaben gelten landesweit und reichen aus. Es besteht keine Schlechterstellung von Schülerinnen und Schülern mit Hauptschulempfehlung im Aufnahmeverfahren gegenüber Schülerinnen und Schülern mit anderen Schulformempfehlungen . Die Ausbildungs- und Prüfungsordnung Sekundarstufe I sieht in § 1 Absatz 2 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/572 4 Nummer 4 nur für den Fall eines Anmeldeüberhangs als mögliches Auswahlkriterium an Gesamtschulen die Berücksichtigung unterschiedlicher Leistungsfähigkeit vor. Bei einer Anwendung des Kriteriums der Leistungsheterogenität erfolgt eine Gruppierung der Anmeldungen nach der Leistungsfähigkeit und eine Ausschöpfung der für die jeweilige Gruppe zur Verfügung stehenden Aufnahmekapazität unter den Antragstellerinnen und Antragstellern.