LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/5832 12.05.2014 Datum des Originals: 12.05.2014/Ausgegeben: 15.05.2014 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 2206 vom 8. April 2014 des Abgeordneten Gregor Golland CDU Drucksache 16/5584 Was unternimmt die Landesregierung gegen die im Schatten des deutschen Rechtsstaats bestehende islamische Paralleljustiz in Nordrhein-Westfalen? Der Justizminister hat die Kleine Anfrage 2206 mit Schreiben vom 12. Mai 2014 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister für Inneres und Kommunales und dem Minister für Arbeit, Integration und Soziales beantwortet. Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Wie in der FAZ.NET unter der Überschrift „Ich weiß, wo deine Schwester wohnt“ am 05.04.2014 zu lesen war, existiert offenbar in Deutschland in gewissen Bevölkerungsgruppen eine Paralleljustiz, die mit dem deutschen Grundgesetz nicht konform geht. Auch andere Medien berichteten bereits über das Thema. Die in den Artikeln geschilderten Aussagen, zeigen ein erschreckendes Maß an innerer und äußerer Ablehnung unseres Rechtsstaates. So heißt es, dass (Zitat) „nach Schätzungen neunzig Prozent der Straftaten im muslimischen Milieu den deutschen Strafverfolgungsbehörden verborgen blieben“. Häufig werde die eigene islamische Rechtssprechung, bisweilen auf Grundlage der Scharia, mit der Herkunft und dem kulturellen Hintergrund begründet, aber auch damit, dass die Strafen in Deutschland zu gering seien. Ferner werde teils massiver Druck auf diejenigen ausgeübt, die sich an die deutsche Justiz wenden wollen bzw. deren Urteile akzeptieren. 1. Sind der Landesregierung die geschilderten Sachverhalte bekannt? Die im Artikel in der FAZ.NET vom 5. April 2014 beschriebenen Sachverhalte haben sich nicht in Nordrhein-Westfalen zugetragen. Bekannt ist, dass die beiden Opfer des Tötungsdeliktes vom 24. Februar 2014 am Landgericht Frankfurt bis zu ihrem Tod in Köln wohnhaft LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/5832 2 waren. Weitergehende eigene Erkenntnisse zu den Sachverhalten, die über die aus öffentlichen Quellen zugänglichen hinausgehen, liegen der Landesregierung nicht vor. 2. Welche Zahlen, Daten, Fakten und Informationen liegen der Landesregierung zu illegalen islamischen Rechtsprechungen durch muslimische Scharia-Richter vor? Erkenntnisse dazu, dass "muslimische Scharia-Richter" in Nordrhein-Westfalen tätig würden, liegen der Landesregierung nicht vor. Die hierzu auch unter Einbeziehung entsprechender Medienberichte durch die Sicherheitsbehörden vorgenommenen Auswertungen und Überprüfungen haben keine Feststellungen zu so genannten rechtsfreien Räumen ergeben. Der Landesregierung sind in den vergangenen Jahren einige wenige Strafverfahren bekannt geworden, in denen es Hinweise auf die Einschaltung eines religiösen Streitschlichters gab. Dass dabei Ermittlungs- oder Strafverfahren durch islamische „Friedensrichter“ oder Streitschlichter nachteilig beeinflusst oder die Tätigkeit der Strafverfolgungsbehörden in strafbarer oder unlauterer Weise beeinträchtigt worden wären, hat sich nicht feststellen lassen. Ebenso wenig liegen konkrete Erkenntnisse dazu vor, dass Bürgerinnen und Bürger mit Migrationshintergrund bei zivilrechtlichen und insbesondere familienrechtlichen Streitigkeiten von der Anrufung der Gerichte absehen und stattdessen einvernehmliche Lösungen bei religiösen Stellen suchen. 3. Wie bewertet die Landesregierung die islamische Rechtsprechung in NRW? Zunächst wird auf die Antwort zu Frage 2 Bezug genommen. Eine außerhalb der Rechtsordnung der Bundesrepublik Deutschland stattfindende und dem Wertesystem des Grundgesetzes widersprechende Paralleljustiz würde von der Landesregierung nicht hingenommen. 4. Mit welchem Programm und welchen Methoden gedenkt die Landesregierung ge- gen diese Form der Paralleljustiz vorzugehen? Die Integrationspolitik der Landesregierung unterstützt die gleichberechtigte gesellschaftliche Teilhabe von Bürgerinnen und Bürgern mit Migrationshintergrund, fördert das Verständnis für die Werte der deutschen Rechts- und Gesellschaftsordnung und setzt auf Austausch und Wertschätzung in der Zusammenarbeit mit den verschiedenen religiösen und ethnischen Bevölkerungsgruppen in Nordrhein-Westfalen. Maßnahmen in diesen Bereichen zielen auch auf die Prävention von islamistisch geprägten Parallelwelten und Anzeichen von Selbst- und Paralleljustiz. Ein wesentlicher Bestandteil der Integrationspolitik ist der „Dialog mit dem Islam “. Eine Plattform zum intensiven Austausch mit Musliminnen und Muslimen und ihren Organisationen in Nordrhein-Westfalen wurde seitens der Landesregierung mit dem dialog forum islam geschaffen. Dieses Beratungsgremium führt einen intensiven Dialog über alle Themen muslimischen Lebens, in denen es Berührungspunkte zwischen staatlichem Handeln und religiöser Praxis gibt. Ziel der Landesregierung ist es im Übrigen, durch intensive Aufklärung über das Rechtssystem der Bundesrepublik Deutschland und damit verbundene vertrauensbildende Maßnahmen Erscheinungsformen einer Paralleljustiz entgegenzuwirken. Die Landesregierung bietet pro Jahr rund 1.000 freiwillige Arbeitsgemeinschaften zur Rechtskunde an allen allgemein- LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/5832 3 bildenden Schulen an. In 12 Doppelstunden werden Jahr für Jahr rund 20.000 Schülerinnen und Schüler mit unserem Rechtssystem vertraut gemacht. Dieses dauerhafte Angebot trägt dazu bei, dass das Rechtsbewusstsein geschult wird und junge Schülerinnen und Schüler in die Lage versetzt werden zu erkennen, welche Probleme eine Paralleljustiz mit sich bringen könnte. Auch wird das Phänomen einer Paralleljustiz in Tagungen und Fortbildungsmaßnahmen der Justizakademie des Landes Nordrhein-Westfalen und der Deutschen Richterakademie wie z. B. „Interkulturelle Kommunikation im Gerichtssaal“, „Gewalt in der Familie - familien- und strafrechtliche Aspekte“, „Das Opfer in der Strafrechtspflege“ und „Aktuelle Entwicklungen in Kriminalistik und Strafrechtspflege“ behandelt.