LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/5833 12.05.2014 Datum des Originals: 12.05.2014/Ausgegeben: 15.05.2014 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 2192 vom 9. April 2014 der Abgeordneten Ralph Bombis, Dietmar Brockes und Ulrich Alda FDP Drucksache 16/5566 Welche besonderen Begehungsweisen von handwerks- und gewerberechtlichen Verstößen sind der Landesregierung in Nordrhein-Westfalen bekannt? Der Minister für Wirtschaft, Energie, Industrie, Mittelstand und Handwerk hat die Kleine Anfrage 2192 mit Schreiben vom 12. Mai 2014 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister für Arbeit, Integration und Soziales beantwortet. Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Die nach Landesrecht für die Verfolgung und Ahndung von Ordnungswidrigkeiten zuständigen Behörden prüfen, ob der Verpflichtung zur Anzeige vom Beginn des selbständigen Betriebes eines stehenden Gewerbes (§ 14 der Gewerbeordnung) nachgekommen worden ist. Sie kontrollieren auch, ob ein zulassungspflichtiges Handwerk als stehendes Gewerbe selbständig betrieben wird und die Eintragung in die Handwerksrolle vorliegt. Der Zentralverband des Deutschen Handwerks berichtet davon, dass zur Umgehung von Eintragungen in die Handwerksrolle regelmäßig bei der Anmeldung eines stehenden Gewerbes nicht zulassungspflichtige Tätigkeiten etwa durch die Anmeldung eines Hausmeisterservicedienstes angegeben werden, obwohl tatsächlich zulassungspflichtige Tätigkeiten ausgeübt werden. Die Bundesregierung legt in jeder Wahlperiode einen Bericht über die Auswirkungen des Gesetzes zur Bekämpfung der illegalen Beschäftigung (zuletzt der Zwölfte Bericht, Bundestags -Drucksache 17/14800) vor. Darin werden viele Probleme bei der Bekämpfung der Schwarzarbeit geschildert. Ein großes Problem in der Praxis stellt die Scheinselbständigkeit dar. Weit verbreitet ist auch der Missbrauch legaler Vertragskonstruktionen. Hier sind selbständige Friseure zu nennen, die gar kein eigenes Geschäftslokal haben oder Köche, die selbständig in Gastronomiebetrieben arbeiten. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/5833 2 1. Welche besonderen Begehungsweisen von handwerks- und gewerberechtlichen Verstößen sind der Landesregierung in Nordrhein-Westfalen bekannt? Im gewerberechtlichen Bereich werden Zuverlässigkeits- und Qualifikationsdefizite von Gewerbetreibenden in der Regel über Strohmannverhältnisse und/oder juristische Personen verschleiert. Bei den juristischen Personen sind dabei im Zuge der europäischen Niederlassungsfreiheit komplexe grenzüberschreitende Strukturen möglich. Im Handwerksbereich besteht eine spezifische Missbrauchsvariante darin, zulassungsfreie oder handwerksähnliche Handwerke anzumelden, dann aber im Einzelfall oder planmäßig zulassungspflichtige Handwerkstätigkeit auszuüben. Im Unterschied zur Schwarzarbeit ohne gewerbliche Anmeldung wird auf diesem Wege versucht, eine Scheinlegalität zu erzeugen. Eine weitere Möglichkeit besteht darin, legal ein Handwerk im Reisegewerbe anzumelden, ohne dann die rechtlichen Beschränkungen des Reisegewerbes einzuhalten. Missbräuche sind auch im Bereich der Betriebsleiterfunktion denkbar, wenn der angegebene Betriebsleiter mit Meisterqualifikation seine Überwachungsfunktion nicht oder nicht ausreichend ausübt. Demgegenüber ist die Scheinselbständigkeit ein Fall des Sozialbetrugs. Die der Landesregierung bekannten Berichte der Bundesregierung über die Auswirkungen des Gesetzes zur Bekämpfung der illegalen Beschäftigung nehmen auf diese Begehungsweisen Bezug. 2. Wie viele eingeleitete und abgeschlossene Ermittlungsverfahren wegen Ord- nungswidrigkeiten wegen handwerks- und gewerberechtlichen Verstößen gab es seit 2010 in Nordrhein-Westfalen? (Bitte nach Jahrgängen auflisten) Rechtsgrundlage des Bußgeldverfahrens Jahr Zahl der im Be- richtszeitraum aufgegriffenen Fälle Zahl der im Be- richtszeitraum eingestellten Fälle Zahl der im Be- richtszeitraum erlassenen Buß- geldbescheide § 8 Abs. 1 Nr.1d und 1e SchwarzArbG - Auftragnehmer 2010 3157 2744 343 2011 1754 1423 298 2012 1095 595 379 2013 1115 576 366 § 8 Abs. 1 Nr. 2 i.V. mit § 8 Abs. 1 Nr. 1d und 1e SchwarzArbG - Auftrag- geber 2010 235 145 63 2011 197 126 59 2012 226 145 53 2013 179 127 41 § 145 Abs. 1 Nr. 1 Ge- wO (Betrieb eines Rei- segewerbes ohne Rei- segewerbekarte) 2010 347 63 251 2011 471 86 374 2012 367 106 248 2013 616 156 443 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/5833 3 § 146 Abs. 2 Nr.1 GewO (Verletzung der Anzei- gepflicht eines beste- henden Betriebs) 2010 2946 702 2169 2011 3438 828 2454 2012 3247 671 2035 2013 3610 857 2444 Summe aller Ord- nungswidrigkeiten- verfahren wegen handwerks- und ge- werberechtlicher Ver- stöße 2010 6685 3654 2826 2011 5860 2463 3185 2012 4935 1517 2715 2013 5520 1716 3294 3. Wie hoch ist die Summe der festgesetzten und vereinnahmten Geldbußen, der Verwarnungsgelder sowie des Verfalls seit 2010? (Bitte nach Jahrgängen auflisten ) Im Hinblick auf Ordnungswidrigkeiten wegen handwerks- und gewerberechtlicher Verstöße werden seitens der Landesregierung nur die festgesetzten Bußgelder statistisch erfasst: § 8 Abs. 1 Nr.1d und 1e SchwarzArbG - Auftragnehmer § 8 Abs. 1 Nr. 2 i.V. mit § 8 Abs. 1 Nr. 1d und 1e SchwarzArbG - Auftraggeber § 145 Abs. 1 Nr. 1 GewO (Betrieb ei- nes Reisegewerbes ohne Reisegewer- bekarte) § 146 Abs. 2 Nr.1 GewO (Verletzung der Anzeige- pflicht eines bestehenden Betriebs) Summe aller festgesetzten Bußgelder wegen hand- werks- und gewerberecht- licher Verstö- ße 2010 1.325.775,45 251.171,70 63.102,50 346.568,90 1.986.618,55 2011 1.016.425,87 338.681,50 103.659,66 667.957,05 2.126.724,08 2012 1.655.217,90 152.585,00 84.838,25 328.433,48 2.221.074,63 2013 1.607.268,60 100.043,96 142.179,61 348.530,85 2.198.023,02 4. Wie hoch ist die Schadenssumme im Rahmen der bußgeldrechtlichen Ermittlun- gen seit 2010? (Bitte nach Jahrgängen auflisten) Die Schadenssummen werden statistisch nicht erfasst. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/5833 4 5. Welche Maßnahmen ergreift die Landesregierung, um gerade vor dem Hintergrund der bekannten besonderen Begehungsweisen die Schwarzarbeit in NordrheinWestfalen einzudämmen? Die Landesregierung unterstützt die Gewerbebehörden und die mit der Schwarzarbeitsbekämpfung betrauten Ordnungsbehörden darin, die besonderen Begehungsformen von handwerks- und gewerberechtlichen Verstößen zu identifizieren und zu ahnden. Zur Intensivierung der Zusammenarbeit zwischen den Gewerbebehörden bzw. den nach Landesrecht zuständigen Schwarzarbeitsbekämpfungsbehörden und der auf Bundesebene zuständigen Finanzkontrolle Schwarzarbeit (FKS) existiert eine „Zusammenarbeitsvereinbarung Handwerks - und Gewerberecht“, die zahlreiche Hilfestellungen gibt. Daneben ist ein wechselseitiges Berichtswesen von Bund und Ländern über neue Erkenntnisse bei der Bekämpfung des Missbrauchs der Dienstleistungs- und Niederlassungsfreiheit installiert, welches laufend fortgeschrieben wird. Hierüber ist eine zeitnahe Information aller mit der Schwarzarbeitsbekämpfung befassten Behörden über neuauftretende Begehungsweisen sichergestellt. Als Unterstützung zur Identifizierung von Scheinselbständigkeit im Rahmen des Gewerbeanzeigeverfahrens wurde den Gewerbebehörden eine Handreichung zur Verfügung gestellt. Flankiert werden diese Maßnahmen durch Dienstbesprechungen und eine enge Zusammenarbeit mit den betroffenen Akteuren auf Landesebene, insbesondere mit den Handwerkskammern. Da Schwarzarbeit im gesellschaftlichen Umfeld unverändert eine gewisse Akzeptanz erfährt und die Anforderungen an den Nachweis von Schwarzarbeit unter rechtsstaatlichen Aspekten hoch sind, ist die Arbeit der Ordnungsbehörden in einem besonderen Maß zu würdigen. Ergänzend ist das aktuelle Urteil des Bundesgerichtshofs zu den zivilrechtlichen Aspekten zu begrüßen, wonach bei Schwarzarbeit kein Anspruch auf Bezahlung oder Aufwendungsersatz besteht (BGH VII ZR 241/13).