LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/5838 13.05.2014 Datum des Originals: 12.05.2014/Ausgegeben: 15.05.2014 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 2189 vom 9. April 2014 des Abgeordneten Hanns-Jörg Rohwedder PIRATEN Drucksache 16/5562 Welche Erkenntnisse hat die Landesregierung zur Greifvogelwilderei in NRW? Der Minister für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz hat die Kleine Anfrage 2189 mit Schreiben vom 12. Mai 2014 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Justizminister beantwortet. Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Seit Jahren werden immer wieder Greifvogelwildereien in Nordrhein-Westfalen bekannt. Gefunden werden Fallen und Gift- sowie Lebendköder. Es kommt auch zu illegalen Abschüssen . Diese Methoden sind nicht nur tierquälerisch, auch ist die Bestandssituation für viele Greifvogelarten aus unterschiedlichen Gründen unbefriedigend, diese Wilderei trägt mit dazu bei. Es kommt dazu, dass sich das Problem nicht auf Nordrhein-Westfalen beschränkt, sondern auch in anderen Bundesländern und im Ausland auftritt. Zuletzt wurden im Februar diesen Jahres in einer gemeinsamen Aktion von Vogelschützern vom Komitee gegen den Vogelmord und der Polizei etliche derartige Verstöße gegen Jagdund Tierschutzgesetz aufgedeckt. Auf der Homepage des Komitees sind viele Fälle auch aus vergangenen Jahren dokumentiert. Bei Giftködern, die vergiftete Eier oder Schlachtereiabfälle sein können, werden unter anderem Insektizide eingesetzt, die in der EU verboten sind. Sie bedrohen wahllos alle Fleischund Aasfresser, also nicht nur Greife und Eulen, sondern auch Säugetiere. Die Gifte wirken auch über die Haut und können sogar Menschen gefährlich werden, die mit den Ködern in Kontakt kommen. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/5838 2 Vorbemerkung der Landesregierung Sämtliche in Deutschland heimischen Greifvögel sind streng geschützte Tierarten im Sinne von § 7 Abs. 2 Nr. 14 BNatSchG in Verbindung mit Anhang A der Verordnung (EG) Nr. 338/97 Abschnitt Accipitridae bzw. Falconidae. Jede Art der Nachstellung, etwa durch das Aufstellen von Fangeinrichtungen, die Verletzung oder die Tötung von Greifvögeln ist daher gemäß § 71 Abs. 1 Nr.1 in Verbindung mit §§ 69 Abs. 2 Nr.1, 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG eine Straftat, die mit Freiheitsstrafe bis zu 5 Jahren oder mit Geldstrafe bedroht ist. Ferner erfüllt die Tötung eines Greifvogels stets gleichzeitig (tateinheitlich im Sinne des § 52 Abs. 1 StGB) den Straftatbestand des § 17 Nr. 1 Tierschutzgesetz („Tötung eines Wirbeltieres ohne vernünftigen Grund“). Schließlich kommt zusätzlich die tateinheitliche Begehung einer Jagdwilderei gemäß § 292 StGB oder Jagdfrevel gemäß § 38 Bundesjagdgesetz in Betracht. Trotz des höchstmöglichen gesetzlichen Schutzes werden zahlreiche illegale Greifvogelverfolgungen begangen. Betroffen sind nahezu alle in Deutschland heimischen Greifvogelarten, besonders aber Mäusebussard, Habicht und Rotmilan. Die Art der Verfolgung reicht vom Fang in Lebend- und Totschlagsfallen, Abschuss in und außerhalb der Brutzeit, gezieltes Fällen von Horstbäumen bis hin zu gezielten Vergiftungsaktionen. Seit März 2005 führt die in meinem Haus eingerichtete Stabsstelle Umwelt- und Verbraucherschutzkriminalität u.a. ein Register illegaler Verfolgungen von Greifvögeln. 1. Wie viele solcher Wildereien sind der Landesregierung seit 2010 bekannt gewor- den? Bitte auflisten nach Jahr, Landkreis und Methode (Falle, Köder, Abschuss) ! Im Zeitraum seit 2010 sind im Rahmen des Monitorings Illegale Greifvogelverfolgung insgesamt 229 Fälle registriert worden. 2010: 71 Fälle insgesamt (31 Mal Vergiftung, 13 Mal Abschuss, 24 Mal Fang bzw. Nachstellen, 3 Mal Sonstige) 2011 57 Fälle insgesamt (21 Mal Vergiftung, 14 Mal Abschuss, 19 Mal Fang bzw. Nachstellen, 3 Mal Sonstige) 2012 34 Fälle insgesamt (11 Mal Vergiftung, 8 Mal Abschuss, 12 Mal Fang bzw. Nachstellen, 3 Mal Sonstige) 2013 58 Fälle insgesamt (22 Mal Vergiftung, 7 Mal Abschuss, 21 Mal Fang bzw. Nachstellen, 8 Mal Sonstige) 2014 Bisher insgesamt 9 erfasste Fälle (4 Mal Fang, 3 Mal Vergiftung bzw. Vergiftungsverdacht, 2 Mal Abschuss) LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/5838 3 Kreis/kreisfreie Stadt* 2005- 2009 2010 2011 2012 2013 Jan-Apr 2014 Heinsberg 22 9 12 4 5 3 Düren 16 6 4 3 2 Steinfurt 15 14 2 1 3 1 Warendorf 13 3 1 2 7 Euskirchen 11 3 2 0 2 Kleve 10 3 0 1 3 1 Rhein-Sieg-Kreis 7 3 1 1 1 Borken 6 7 2 2 4 1 Mönchengladbach* 6 1 1 0 1 Rhein-Kreis Neuss 6 4 2 2 5 Unna 6 0 3 0 2 Coesfeld 5 0 2 2 3 1 Soest 5 3 1 2 2 Viersen 5 0 0 1 6 Siegen-Wittgenstein 4 0 0 2 2 Wesel 4 1 3 1 0 Minden-Lübecke 3 3 2 1 2 Hagen* 2 0 0 0 0 Krefeld* 2 0 1 2 0 Mettmann 2 0 0 0 0 Olpe 2 0 0 1 0 Recklinghausen 2 0 0 0 1 1 Rhein-Erft-Kreis 2 2 0 2 1 Bochum* 1 0 0 0 0 1 Hamm* 1 0 1 0 0 Hochsauerlandkreis 1 0 0 0 0 Münster* 1 0 1 1 0 Oberbergischer Kreis 1 0 0 0 0 Rhein.-Bergischer Kreis 1 0 1 0 1 Solingen* 1 0 1 0 0 Wuppertal* 1 0 0 0 0 Aachen Land 0 0 0 0 0 Aachen Stadt* 0 0 0 0 0 Bielefeld* 0 0 0 0 0 Bonn* 0 0 0 0 1 Bottrop* 0 0 0 0 0 Detmold 0 0 0 0 0 Dortmund* 0 0 1 1 0 Duisburg* 0 2 0 0 0 Düsseldorf * 0 0 0 0 0 Ennepe-Ruhr 0 2 0 1 0 Essen * 0 0 0 0 0 Gelsenkirchen* 0 0 0 0 0 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/5838 4 Gütersloh 0 1 3 1 1 Herford 0 0 2 0 0 Herne* 0 0 1 0 0 Höxter 0 0 0 0 1 Köln* 0 1 1 0 1 Leverkusen* 0 0 0 0 0 Lippe 0 2 2 0 0 Mülheim ad Ruhr* 0 0 0 0 0 Oberhausen* 0 0 0 0 0 Paderborn 0 1 4 0 1 Remscheid* 0 0 0 0 0 SUMMEN 164 71 57 34 58 9 2. Wie viele Strafanzeigen wurden in diesen Zusammenhängen erstattet ? Die Frage kann in dieser Allgemeinheit nicht beantwortet werden. Zahlreiche Ermittlungsverfahren werden in diesen Fällen von Amts wegen durch die Polizei eingeleitet, andere beruhen auf Strafanzeigen von Privatpersonen, Naturschutzverbänden oder Behörden. Eine Sonderauswertung, die von Hand vorzunehmen wäre, ist den Staatsanwaltschaften des Landes in der zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich. 3. Zu welchen Verurteilungen führten diese Verfahren? Bitte auflisten nach Geld- und Freiheitsstrafen ! Folgende Verurteilungen sind im Rahmen des Monitorings Illegale Greifvogelverfolgung bekannt geworden: LG Aachen Urteil vom 03.09.2009, rechtskräftig seit dem 05.03.2010 i.V.m. Beschluss des OLG Köln vom 05.03.2010 80 Tagessätze zu je 30 € Aufstellen eines Habichtfangkorbs , Auslegen von mit Carbofuran vergifteten Fleischködern , Vergiftung eines Mäusebussards im Januar 2007 in Disternich /Kreis Düren AG Kleve Urteil vom 09.12.2010 rechtskräftig 50 Tagessätze zu je 40 € Aufstellung eines Habichtfangkorbs am 02.01.2010 in Rheinberg AG Delbrück Strafbefehl vom 02.11.2010 rechtskräftig 40 Tagessätze zu je 30 € Einsatz einer Leiterfalle am 19.08.2010 in Delbrück LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/5838 5 AG Bergheim Strafbefehl vom 23.12.2010 rechtskräftig Verwarnung mit Strafvorbehalt (30 Tagessätze zu je 10 €, Bewährungsauflage : Zahlung von 500 € an eine gemeinnützige Einrichtung Fang eines Wanderfalken am 11.06.2010 in Elsdorf/ Rhein-ErftKreis AG Münster Urteil vom 16.10.2012 rechtskräftig 30 Tagessätze zu je 30 € Aufstellen eines Habichtfangkorbs am 27.05.2011 in Senden/ Kreis Coesfeld AG Duisburg Urteil vom 08.02.2012 rechtskräftig 60 Tagessätze zu je 25 € Fang eines Habichts mittels Leiterfalle am 31.01.2010 in Duisburg AG Wesel Strafbefehl vom 22.02.2013 rechtskräftig 40 Tagessätze zu je 30 € Aufstellen eines Habichtfangkorbes im Juli 2012 in Schermbeck/ Kreis Wesel AG Münster Urteil vom 23.02.2012 rechtskräftig 25 Tagessätze zu je 50 € Fang von zwei Habichten mit Leiterfalle am 18.08.2011 in Heek AG Düsseldorf Strafbefehl vom 18.06.2012 rechtskräftig 40 Tagessätze zu je 30 € Aufstellen eines Habichtfangkorbes am 27.01.2012 in Dormagen AG Schwerte Strafbefehl vom 23.07.2012 rechtskräftig 35 Tagessätze zu je 20 € Fang eines Habichts am 29.11.2011 in Schwerte/Kreis Unna AG Lünen, Strafbefehl vom 18.11.2013 rechtskräftig 20 Tagessätze zu je 40 € Aufstellen eines Habichtfangkorbes im August 2013 in Selm/Kreis Unna AG Duisburg Urteil vom 02.07.2013 rechtskräftig 30 Tagessätze zu je 50 € Aufstellen eines Habichtfangkorbes im Juni 2010 in Hamminkeln AG Bonn, Urteil vom 05.07.2013 rechtskräftig 90 Tagessätze zu je 20 € Tötung eines Habichts am 21.12.2010 in Meckenheim/ Rhein-Sieg-Kreis AG Krefeld, Urteil vom 06.02.2014 rechtskräftig 180 Tagessätze zu je 20 € Tötung eines Habichts im November 2011 in Krefeld LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/5838 6 4. Welche Erkenntnisse liegen der Landesregierung vor, ob es sich bei der Anwendung verbotener Insektizide um organisierte Schmuggelei handelt ? Die häufigste angewendete Methode der Greifvogelverfolgung ist das Auslegen von vergifteten Fleischködern. Bei der Untersuchung vergifteteter Vögel und verdächtigen Ködermaterials konnten die Wirkstoffe Carbofuran, Aldicarb, Mevinphos, Parathion sowie Chlorpyrifos als Todesursache bzw. in Ködermaterial nachgewiesen werden. Bei diesen Stoffen handelt es sich um Biozide, deren Besitz und Anwendung in Deutschland verboten ist. Der Landesregierung liegen keine Hinweise auf einen organisierten Handel mit diesen illegalen Wirkstoffen vor.