LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/5856 13.05.2014 Datum des Originals: 13.05.2014/Ausgegeben: 16.05.2014 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 2210 vom 14. April 2014 des Abgeordneten Kai Abruszat FDP Drucksache 16/5589 Haushaltskontrolle bei der Abschöpfung illegalen Vermögens Der Justizminister hat die Kleine Anfrage 2210 mit Schreiben vom 13. Mai 2014 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Finanzminister und dem Minister für Inneres und Kommunales beantwortet. Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Gegen mafiöse Zustände, Rockerbanden, Salafisten und vielfältige Formen der (organisierten ) Kriminalität in NRW ist ein systematisches Vorgehen der Sicherheitsbehörden unseres Landes unerlässlich. Hierzu gehört auch die weitestgehende Abschöpfung illegalen Vermögens bzw. des erzielten Vermögens aus Verbrechensgewinnen. Aktuell hat sich z.B. der „Hellweger Anzeiger“ vom 08.04.2014 mit dem Einfluss der Mafia im Bereich der Bauwirtschaft in NRW befasst. Auch die Bundesregierung beabsichtigt lt. Koalitionsvertrag offensichtlich, das Recht der Vermögensabschöpfung durch eine Beweislastumkehr zu vereinfachen. 1. Wie hoch ist der Wert des durch das Land tatsächlich abgeschöpften Vermögens in NRW zu beziffern (bitte für die Haushaltsjahre 2011, 2012, 2013 separat auflisten )? Die Generalstaatsanwältin und die Generalstaatsanwälte des Landes haben über die Einnahmen aus Verfall und Einziehung, Unternehmensgeldbußen und über Maßnahmen der Rückgewinnungshilfe wie folgt berichtet: LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/5856 2 Verfall und Einziehung Unternehmensbußen Rückgewinnungshilfe davon zugunsten des Staates 2011 5.203.953,51 € 48.500.000,00 € 9.017.028,64 € 5.099.810,88 € 2012 2.701.500,88 € 801.000,00 € 10.575.439,33 € 1.588.121,63 € 2013 8.055.933,97 € keine 102.589.480,36 € 81.096.184,07 € Daneben ermöglicht § 324 der Abgabenordnung (AO) bei Steuerstraftaten den Finanzbehörden die Anordnung eines steuerlichen Arrests als vorläufige Sicherungsmaßnahme. Im Rahmen des durch die Finanzämter für Steuerstrafsachen und Steuerfandung praktizierten Controllings werden die Fälle festgehalten, in denen entsprechende Arrestmaßnahmen zumindest beantragt wurden. Eine technische Abfragemöglichkeit wurde erst am 15.03.2013 realisiert. Für das Jahr 2013 wurden insgesamt 21 Verfahren registriert, in denen ein Arrest beantragt/angeregt wurde. Ob in diesen Verfahren tatsächlich durch das Gericht ein Arrest bewilligt und ggf. ein abschöpfbares Vermögen vorgefunden wurde, könnte nur aufgrund einer Einzelerhebung beantwortet werden, die in der zur Verfügung stehenden Zeit mit vertretbarem Verwaltungsaufwand nicht möglich ist. 2. Aus welchen Bereichen stammt dieses abgeschöpfte illegale Vermögen konkret (bitte für die Haushaltsjahre 2011, 2012, 2013 separat auflisten)? Statistische Daten aufgeschlüsselt nach Deliktsbereichen liegen der Landesregierung nicht vor. Die Erhebung der entsprechenden Daten würde eine Einzelauswertung sämtlicher Ermittlungs - und Vollstreckungsakten erfordern, in denen im maßgeblichen Zeitraum aus Verfall , Wertersatzverfall und erweitertem Verfall, aus Auflagen, Verzichtserklärungen, Rückgewinnungshilfen für den Fiskus oder Unternehmensgeldbußen Einnahmen erzielt wurden. Dies ist mit vertretbarem Verwaltungsaufwand nicht zu leisten. 3. In welcher Form hat die Landesregierung das tatsächlich abgeschöpfte Vermö- gen verwendet? Für den Bereich der Steuerstrafverfahren ist das abgeschöpfte Vermögen zwingend zur Begleichung der Steuerschulden zu verwenden. Eine darüber hinaus gehende Verwendung ist nicht zulässig. Soweit abgeschöpfte Beträge dem Justizhaushalt zufließen, dienen diese - wie alle Einnahmen - gemäß § 8 Satz 1 Landeshaushaltsordnung (LHO) als Deckungsmittel für alle Ausgaben. Die abgeschöpften Beträge dienen somit mittelbar auch der Finanzierung der Strafverfolgung. Gemäß § 66 Absatz 1 Strafvollstreckungsordnung (StrVollstrO) dürfen ausnahmsweise für verfallen erklärte oder eingezogene Sachen unmittelbar für Zwecke der Justizverwaltung (einschließlich des Strafvollzuges), der Bewährungshilfe, der Strafentlassenenfürsorge oder der Polizei im Rahmen der Strafverfolgung verwendet werden, wenn sie sich für diese Zwecke eignen. Die Generalstaatsanwältin oder der Generalstaatsanwalt entscheidet über die Verwendung im Benehmen mit der Präsidentin oder dem Präsidenten des Oberlandesgerichts und der höheren Vollzugsbehörde. Es handelt sich in der Praxis vornehmlich um Computer , Computerzubehör und Kommunikationstechnologie. Belastbare Statistiken zur Ver- LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/5856 3 wendung der Sachen im Einzelnen liegen der Landesregierung nicht vor. Eine entsprechende Auswertung ist mit vertretbarem Verwaltungssaufwand in der zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich. 4. Welche Möglichkeit sieht die Landesregierung, z.B. Teile des abgeschöpften ille- galen Vermögens auch zur Bekämpfung der (organisierten) Kriminalität wieder einzusetzen? Die zum Zwecke der Rückgewinnungshilfe abgeschöpften Beträge sind gemäß § 73 Absatz 1 Satz 2 Strafgesetzbuch (StGB) in erster Linie zur Befriedigung von Ansprüchen des durch die Tat Geschädigten zu verwenden. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 3 verwiesen. Im Fall einer Zweckbindung der Einnahmen dürften die entsprechenden Ausgaben nur bis zur Höhe der tatsächlich vereinnahmten Beträge geleistet werden. Da die Höhe der dem Justizhaushalt zufließenden Einnahmen aus der Vermögensabschöpfung nicht mit hinreichender Sicherheit prognostiziert werden kann, soll weiterhin am Grundsatz des § 8 Satz 1 LHO festgehalten und von einer Zweckbindung der Einnahmen abgesehen werden. 5. Welche Initiativen hat die Landesregierung konkret unternommen, um die Mög- lichkeit der Vermögensabschöpfung verfassungskonform zu vereinfachen? Den verfassungsrechtlichen Gestaltungsspielraum für den Gesetzgeber hat das Bundesverfassungsgericht in seinem Beschluss vom 14.01.2004 (2 BvR 564/95) zum erweiterten Verfall umrissen. Aus Artikel 14 Grundgesetz folgt, dass der Betroffene eine Verfallsmaßnahme nur dann als Ausdruck zulässiger Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums hinzunehmen hat, wenn sichergestellt ist, dass legal erworbene Vermögenspositionen nicht betroffen werden. Der im Rechtsstaatsprinzip wurzelnde Bestimmtheitsgrundsatz verlangt, dass der Betroffene die Anordnung des Verfalls klar voraussehen kann. Beides ist - so das Bundesverfassungsgericht - nur gewährleistet, wenn sich der Richter von der deliktischen Herkunft eines Verfallsobjekts eine sichere Überzeugung verschafft. Im Rahmen seines zum 01.10.2011 ins Leben gerufenen Projekts "Vermögensabschöpfung und Sanktionenrecht" hat der Justizminister am 18.04.2012 eine Arbeitsgruppe bestehend aus 17 Expertinnen und Experten der Berufsgruppen Richterschaft, Staatsanwaltschaft, Amtsanwaltschaft und Rechtspflegerschaft aus Nordrhein-Westfalen u.a. damit betraut, auf dieser Grundlage den gesetzgeberischen Reformbedarf zu beschreiben und Empfehlungen zu erarbeiten. Am 13.02.2012 haben der Arbeitskreis Innere Sicherheit (AK II) der Innenministerkonferenz und der Strafrechtsauschuss der Justizministerkonferenz die Gemeinsame Arbeitsgruppe Justiz/Polizei (GAG) beauftragt, sich mit dem möglichen Reformbedarf zu befassen. Nordrhein -Westfalen hat die Vorschläge seiner Arbeitsgruppe in diese Beratungen eingebracht. Der GAG liegt derzeit ein unter maßgeblicher Beteiligung Nordrhein-Westfalens erarbeiteter Regelungsvorschlag zur weiteren Abstimmung vor. Diesem Abstimmungsprozess wird die Landesregierung nicht vorgreifen. In der Ratsarbeitsgruppe "Materielles Strafrecht" der Europäischen Union war NordrheinWestfalen darüber hinaus gemäß § 6 Absatz 1 des Gesetzes über die Zusammenarbeit von Bund und Ländern in Angelegenheiten der Europäischen Union (EUZBLG) als Berichterstatter für die Bundesländer an den Beratungen zur neuen Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die Sicherstellung und Einziehung von Tatwerkzeugen und Erträ- LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/5856 4 gen aus Straftaten in der Europäischen Union 2012/0036 (COD) beteiligt. Die Regelungen über die Einziehung und die gegenseitige Anerkennung von Sicherstellungs- und Einziehungsentscheidungen auf Europäischer Ebene werden nach wie vor durch Unterschiede im Recht der Mitgliedstaaten behindert. Die neue Richtlinie, die das Europäische Parlament am 17.03.2014 angenommen hat, verspricht, durch Mindestvorschriften Abhilfe zu schaffen. Die Regelungen der Mitgliedstaaten zur Sicherstellung und Einziehung werden einander angenähert , womit das gegenseitige Vertrauen und die wirksame grenzübergreifende Zusammenarbeit gefördert werden.