LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/5914 20.05.2014 Datum des Originals: 19.05.2014/Ausgegeben: 23.05.2014 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 2224 vom 12. April 2014 des Abgeordneten Ralf Witzel FDP Drucksache 16/5608 Nebentätigkeiten von prominenten Regierungsangestellten im öffentlich-rechtlichen Rundfunk – Wie sichert die Landesregierung in der Praxis ihres eigenen Handelns die verfassungsrechtlich zwingende Staatsferne beim WDR? Der Minister für Arbeit, Integration und Soziales hat die Kleine Anfrage 2224 mit Schreiben vom 19. Mai 2014 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit der Ministerpräsidentin und allen übrigen Mitgliedern der Landesregierung beantwortet. Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Vor wenigen Monaten bereits hat sich die FDP-Landtagsfraktion ausführlich mit Art und Ausmaß von Nebentätigkeiten der Ministerialbediensteten in Nordrhein-Westfalen befasst und hier zu eine Parlamentsanfrage an die Landesregierung gerichtet, deren Antwort hierauf in LT-DS 16/3575 dokumentiert ist. Schon die seinerzeitigen Befunde haben eine gewisse Skepsis wachsen lassen, wie sinnvoll und vertretbar es ist, wenn rund jeder fünfte Regierungsangestellte in Nordrhein-Westfalen in den vergangenen drei Jahren einer Nebentätigkeit nachgegangen ist. Von den insgesamt 884 Nebentätigkeiten sind 500 genehmigungspflichtig gewesen. Allein im nordrheinwestfälischen Gesundheitsministerium ist es zu der besonderen Situation gekommen, dass sechs Anträge auf einen Nebenerwerb abgelehnt worden sind. Die Nebentätigkeiten sind vielfältiger Natur: Beamte und Tarifangestellte in Ministerien verdienen oft ein nicht gerade geringes Zubrot als Moderator, Dozent, Autor, Übungsleiter oder Servicekraft. Bei dem Nebenjob als Moderator ist eine interessante Feststellung zu treffen: Bei der Frage nach den fünf am häufigsten vorkommenden Tätigkeiten in den jeweiligen Ressorts hat nur das MAIS hier eine Tätigkeit als Moderator angegeben; bei allen anderen Ministerien kommt diese Aufgabe also jedenfalls nicht bei den fünf am stärksten ausgeprägten Nebenerwerben LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/5914 2 vor. Die Landesregierung hat in diesem Zusammenhang allerdings nicht gegenüber dem Landtag die Spezifikation mitgeteilt, dass diese Moderatorentätigkeiten auch journalistische Tätigkeiten im öffentlich-rechtlichen Rundfunk ausdrücklich beinhalten. Die Landesregierung hat seinerzeit gegenüber dem Fragesteller ausweislich der zitierten Parlamentsdrucksache (LT-DS 16/3575) im Wortlaut nachfolgendes versichert: „Die Wahrnehmung von Nebentätigkeiten ist sowohl für Beamtinnen und Beamte als auch für Tarifbeschäftigte im öffentlichen Dienst detailliert reglementiert. Die Regelungen des Nebentätigkeitsrechts stellen sicher, dass dienstliche Belange nicht negativ betroffen sind und Interessenkonflikte vermieden werden. (...) Soweit gegen eine beantragte Nebentätigkeit Bedenken bestehen, werden diese dem Antragsteller / der Antragstellerin zunächst mitgeteilt, was in aller Regel zur Rücknahme des Antrags führt. (...) In den vergangenen drei Jahren wurden aus den oben genannten Gründen keine Nebentätigkeitsgenehmigungen widerrufen oder vom Umfang her reduziert. (...) In den §§ 48 ff. des Landesbeamtengesetzes sowie in der Nebentätigkeitsverordnung ist detailliert und restriktiv geregelt, in welchen Fällen Beamtinnen und Beamte eine Nebentätigkeit ausüben dürfen. (...) Tarifbeschäftigte haben nach § 3 Abs. 4 des Tarifvertrages für den öffentlichen Dienst der Länder Nebentätigkeiten gegen Entgelt rechtzeitig vorher anzuzeigen. Auch hier kann die Nebentätigkeit untersagt werden, wenn diese geeignet ist, die Erfüllung der arbeitsvertraglichen Pflichten oder berechtigte Interessen des Arbeitgebers zu beeinträchtigen. Sowohl bei Beamtinnen und Beamten als auch bei Tarifbeschäftigten findet also jeweils eine Einzelfallprüfung statt, die sicherstellt, dass Interessen- oder Pflichtenkollisionen mit der Haupttätigkeit vermieden werden.“ Dass die Landesregierung es vor diesem Hintergrund für unproblematisch hält, wenn in einer öffentlich wirksamen Funktion führende Bedienstete der rot/grünen Landesregierung wie selbstverständlich im Wiederholungsfalle journalistischen Tätigkeiten vor großem Publikum mit Multiplikatorwirkung selbst zu den Fachthemen ihres eigenen Ministeriums nachgehen, erlaubt einen tiefen Einblick in die politische Kultur dieser Landesregierung und ihr äußerst bemerkenswertes Verständnis von der Staatsferne des öffentlich-rechtlichen Rundfunks des Landes, also dem Westdeutschen Rundfunk (WDR). Soeben erst hat das Bundesverfassungsgericht in einem wegweisenden Urteil die besondere Bedeutung der Staatsferne und Unabhängigkeit unseres öffentlichen Rundfunks betont und gestärkt, damit dessen von jedermann automatisch finanzierte Funktionsauftrag überhaupt adäquat wahrgenommen werden kann. Die Gremienvorsitzendenkonferenz der ARD hat daher am 25. März 2014 zu dieser auf einen Sachverhalt bei der ZDF-Gremienbesetzung gerichteten Entscheidung noch einmal klar die Staatsferne und Vielfaltssicherung begrüßt. Die Grundsätze, die verfassungsrechtlich für die Zusammensetzung von Gremien gelten, sollten erst Recht Anwendung für die Sphäre von Programminhalten finden. Die Landesregierung und der WDR haben nach den aktuellen Veröffentlichungen der WAZMediengruppe zur wiederholten Moderatorentätigkeit der Pressesprecherin von Minister Guntram Schneider und Leiterin der Pressestelle des MAIS (Funktionsbereich Ministerbüro M2), erstmals am 12. April 2014, nun eine besonders hohe Begründungs- und Darlegungsverantwortung gegenüber Öffentlichkeit und Parlament, wie es zu dieser offenbar seitens LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/5914 3 aller Beteiligten dieser Landesregierung zumindest breit akzeptierten Tätigkeit kommen konnte und welches Verständnis diese Landesregierung von der Staatsferne des öffentlichrechtlichen Rundfunks eigentlich hat. Die Landesregierung und alle von diesem Sachverhalt persönlich Betroffen sind daher gut beraten, sich mit größtmöglicher Transparenz der Aufklärung dieser Problematik zu stellen. Die bisherige Zurückhaltung der Landesregierung bei der öffentlichen Erläuterung in dieser Frage ist bezeichnend. Insbesondere das bis auf weiteres vom WDR avisierte Ruhen des Nebenerwerbs beantwortet noch nicht die Frage, ob sich diese neue Zurückhaltung auf die vollständige weitere Dienstzeit im Ministerium bezieht. Ebenfalls ist für das Parlament und die Öffentlichkeit von Interesse, in welcher finanziellen Größenordnung sich denn der hierfür „übliche“ WDR-Honorarrahmen bewegt. 1. Jeweils wie viele unterschiedliche Bedienstete der Landesregierung haben seit dem 15. Juli 2010 bis heute ihrem Dienstherrn Tätigkeitswünsche als Moderator für den WDR einerseits zur Kenntnis gebracht und andererseits davon auch genehmigt bekommen? Informationen zu speziellen Tätigkeitswünschen bzw. entsprechende Übersichten über spezielle Nebentätigkeitsgenehmigungen werden innerhalb der Landesregierung statistisch nicht erhoben. Dazu müssten alle Einzelakten durchgesehen werden. Es ist deshalb innerhalb der für die Beantwortung Kleiner Anfragen zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich, die gewünschten Daten zu ermitteln. 2. Welche Leitungsfunktionen im MAIS sowie einzelnen Kabinettsmitglieder haben auch vor der aktuellen Veröffentlichung Kenntnis von diesem Sachverhalt gehabt bzw. die in Rede stehende Konstellation sogar ausdrücklich genehmigt? (bitte vollständige Nennung) Von diesem Sachverhalt wurde neben der zuständigen Referatsleitung Herr Minister Guntram Schneider MdL von der Pressesprecherin informiert. Weiteren Kabinettsmitgliedern war der Sachverhalt vor der Presseveröffentlichung nicht bekannt . 3. Aus jeweils welchen einzelnen rechtlichen und politischen Bewertungen im De- tail hält es diese Landesregierung in puncto Unabhängigkeit und Staatsferne des öffentlich-rechtlichen Rundfunks für die Wahrnehmung des Funktionsauftrags für unproblematisch, wenn prominente Regierungsangestellte beim WDR journalistisch tätig sind und damit auch Programminhalte aus dem Fachgebiet ihres eigenen Ressorts beeinflussen? (vor allem ausführliche rechtliche Darlegungen erbeten) Die Staatsferne des öffentlich-rechtlichen Rundfunks ist ein verfassungsrechtliches Gebot. Den einfach-gesetzlichen Rahmen dafür bildet hier das WDR-Gesetz. Aus dem Gebot der Staatsferne folgt auch, dass der WDR seine Personalentscheidungen eigenverantwortlich und von der Politik unbeeinflusst trifft. Die Personalautonomie des WDR ist Folge der Programmautonomie . Ein Rechtsverstoß seitens des WDR ist durch die Beschäftigung der Leiterin der Pressestelle des Ministeriums für Arbeit, Integration und Soziales (MAIS) nicht gegeben. Es ist zudem LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/5914 4 darauf hinzuweisen, dass diese zuletzt nicht redaktionell für den WDR gearbeitet hat. Sie war zuvor jahrelang Mitarbeiterin des WDR-Hörfunks. Seit ihrem Wechsel in das Ministerium für Arbeit, Integration und Soziales hat sie für WDR 5 innerhalb von drei Jahren als Moderatorin lediglich drei einstündige Gespräche zur Person mit Kulturschaffenden geführt. 4. Mit jeweils welchen Ergebnissen hat der WDR bei all diesen Sachverhaltskons- tellationen von Frage 1, bei denen hochrangige Regierungsangestellte journalistisch im Programm tätig sind, die Unbedenklichkeit für die Übereinstimmung mit eigenen Grundsätzen des Senders geprüft und entschieden? Diese Frage richtet sich an den WDR. Der um Stellungnahme ersuchte WDR erklärt dazu: „Für den WDR ist es eine Selbstverständlichkeit, alles zu tun, um nur den Anschein zu vermeiden , es könne Interessenkollisionen geben oder es könne jemand versuchen, von außen auf den WDR einzuwirken. Das sollte jeder Mitarbeiter und jede Mitarbeiterin, jeder Redakteur und jede Redakteurin als ganz selbstverständlich verinnerlicht haben. Im konkreten Fall ist das leider nicht problematisiert worden, weil die zuständige Redaktion keinerlei Berührungspunkte zwischen der Beauftragung als Moderatorin und der Aufgaben von Frau M. im Ministerium gesehen hat.“ 5. Bedeutet die öffentlich kommunizierte Ruhendstellung der Vertragsbeziehung mit dem WDR im konkreten Fall der Presseleitung des MAIS, dass diese in jedem Fall final so lange andauert, wie die aktuelle oder eine vergleichbare dienstliche Funktion für diese Landesregierung ausgeübt wird? Ja.