LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/5942 26.05.2014 Datum des Originals: 26.05.2014/Ausgegeben: 28.05.2014 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 2184 vom 9. April 2014 der Abgeordneten Ralph Bombis, Ralf Witzel und Dirk Wedel FDP Drucksache 16/5557 Wie beurteilt die Landesregierung die Belastung für die Reiseveranstalter in Nordrhein -Westfalen durch die nachträgliche Gewerbesteuerhinzurechnung der Kosten für den Hoteleinkauf? Der Finanzminister hat die Kleine Anfrage 2184 mit Schreiben vom 26. Mai 2014 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister für Wirtschaft, Energie, Industrie, Mittelstand und Handwerk beantwortet. Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Die obersten Finanzbehörden von Bund und Ländern vertreten die Ansicht, dass der gesamte Reisevorleistungseinkauf von Hotelleistungen des Reiseveranstalters als Mietverhältnis zu qualifizieren sei. Die Hinzurechnung zum Betriebsgewinn hat zur Folge, dass die Kosten für den Hoteleinkauf von Reiseveranstaltern für die Zusammenstellung zu einer Pauschalreise rückwirkend ab dem Jahr 2008 der Gewerbesteuer unterworfen werden müssen. Aufwendungen eines Reiseveranstalters im Zusammenhang mit der bloßen Reservierung eines Zimmerkontingents unterlägen noch nicht der gewerbesteuerlichen Hinzurechnung. Ab der Buchung von Hotelunterkünften durch den Reiseveranstalter läge jedoch ein gemischter Vertrag zwischen dem Reiseveranstalter und dem Hotelbetreiber vor, der steuerlich nach seinen einzelnen Komponenten zu beurteilen sei. Die der Hotelunterkunft zuzurechnenden Entgelte wie die Unterkunftsüberlassungen, aber auch damit verbundenen Nebenleistungen wie z. B. Zimmerreinigung und Rezeption, unterliegen der gewerbesteuerlichen Hinzurechnung nach dem Gewerbesteuergesetz. Nach Angaben des Deutschen ReiseVerbandes (DRV) ergibt sich für die Zeit seit 2008 bis 2012 durch die Hinzurechnung einmalig eine nachträgliche Steuerschuld von etwa 1,4 Mrd. €. Bei vielen Unternehmen kann die Besteuerung zu einer Existenzgefährdung führen. Vom DRV wird bereits angezweifelt, ob die Hoteliers in der Lage sind, ihre Preiskalkulation offenzulegen, um den von der Finanzverwaltung angenommenen Mietanteil zu berechnen. In LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/5942 2 jedem Fall bedeutet es, dass auf die mit den deutschen Reiseveranstaltern zusammenarbeitenden Hoteliers ein enormer bürokratischer Aufwand mit einem ungewissen Ausgang für die Zukunft zukommt. Zudem erfolgt die Hinzurechnung der Gewerbesteuer nur in Deutschland, weshalb nicht auszuschließen ist, dass Zusatzsteuern künftig in die Preise einkalkuliert werden. Der Verbraucher wird dann möglicherweise vorziehen, seine Reise bei einem von der Steuer nicht betroffenen Internet-Reisevermittler oder einem auslandsansässigen Reiseveranstalter zu buchen. Schließlich könnten Reiseveranstalter ihre Unternehmen auch ins Ausland verlagern . In diesem Fall würde der Standort Deutschland geschwächt und dem deutschen Fiskus würden nicht nur die Gewerbesteuer sondern auch die Körperschaft- und Umsatzsteuer entgehen . Vorbemerkung der Landesregierung Nach § 8 Nr. 1 Buchstabe e des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) werden 12,5 % der von einem gewerblichen Unternehmen gezahlten Miet- und Pachtzinsen für die Benutzung von unbeweglichen Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens dem Gewerbeertrag hinzugerechnet , soweit die Summe aller Hinzurechnungen nach § 8 Nr. 1 GewStG 100.000 € übersteigt. § 8 Nr. 1 Buchstabe e GewStG ist mit dem Unternehmensteuerreformgesetz 2008 vom 14.08.2007 mit Zustimmung der damaligen schwarz-gelben Landesregierung eingeführt worden und gilt ab dem Erhebungszeitraum 2008. Die Regelung dient der Gewährleistung des Objektsteuerprinzips der Gewerbesteuer und der Verstetigung des Gewerbesteueraufkommens der Gemeinden. Dadurch wurde eine steuerrechtliche Benachteiligung der mit Eigenkapital arbeitenden Gewerbebetriebe gegenüber den mit Fremdkapital arbeitenden Gewerbebetrieben beseitigt. Mit Wirkung zum Erhebungszeitraum 2010 wurde die Hinzurechnung entschärft, indem der Hinzurechnungssatz von vormals 16,25 % auf 12,5 % abgesenkt worden ist. Nach bundesweit abgestimmter Verwaltungsauffassung ist der Hoteleinkauf eines Reiseveranstalters in die Hinzurechnung nach § 8 Nr. 1 Buchstabe e GewStG einzubeziehen, weil Hotelbelegungsverträge zivilrechtlich Mietverträge darstellen. Die nordrhein-westfälischen Finanzämter sind an die abgestimmte Verwaltungsauffassung gebunden. Beim Finanzgericht Münster ist allerdings ein Musterklageverfahren anhängig. 1. Wie beurteilt die Landesregierung die Belastung für die Reiseveranstalter in Nordrhein-Westfalen durch die nachträgliche Gewerbesteuerhinzurechnung der Kosten für den Hoteleinkauf? Der Hinzurechnung unterliegen nicht der gesamte Hoteleinkauf des Reiseveranstalters, sondern nur die eng mit der Raumnutzung zusammenhängenden Aufwendungen. Der Anteil der hinzuzurechnenden Aufwendungen kann gegebenenfalls im Wege der Schätzung bestimmt werden. Die Hinzurechnung führt zu einer gewerbesteuerlichen Mehrbelastung in Höhe von etwa 2 % der auf die Miete entfallenden Aufwendungen. Ob und in welchem Umfang das bei den einzelnen Unternehmen zu einem relevanten Anstieg der steuerlichen Gesamtbelastung führt, ist abhängig von den Umständen des Einzelfalls (allgemeine Gewinnsituation, eventuelle gewerbesteuerliche Verlustvorträge) und der rechtlichen Ausgestaltung der Vertragsbeziehungen . LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/5942 3 2. Wie viele Reiseveranstalter in Nordrhein-Westfalen sind von dieser Regelung betroffen? Der Landesregierung liegen dazu keine belastbaren Daten vor. 3. Wie hoch ist die entsprechende Steuerschuld für den Zeitraum von 2008 bis 2012, die auf das Land Nordrhein Westfalen entfällt (dargestellt nach den einzelnen Jahren)? Der Landesregierung liegen dazu keine belastbaren Daten vor. Das Gewerbesteueraufkommen steht im Übrigen den Betriebsstättengemeinden zu, die im Einzelfall auch außerhalb von Nordrhein-Westfalen gelegen sein können. 4. Werden die Finanzbehörden von der Landesregierung dazu angehalten, im Rah- men der Ermessensentscheidung Zahlungserleichterungen wie Stundungen oder Entrichtungen in Raten nachsichtig zu gewähren, um die hohe und unerwartete Gewerbesteuerlast der betroffenen Reiseveranstalter abzumildern? Die Finanzämter gewähren betroffenen Reiseveranstaltern bei anhängigen Einspruchsverfahren auf Antrag Aussetzung der Vollziehung, so dass den Unternehmen in diesen Fällen gegenwärtig keine unmittelbaren finanziellen Nachteile drohen. Für eventuelle Billigkeitsmaßnahmen in Form einer Stundung der Gewerbesteuer sind die hebeberechtigten Gemeinden sachlich zuständig. 5. Ergreift die Landesregierung mit Blick auf die hohe und unerwartete Gewerbe- steuerlast der betroffenen Reiseveranstalter sonstige Maßnahmen? Bereits jetzt ist die Landesregierung mit den betroffenen Reiseveranstaltern in intensiven Gesprächen über Pro und Contra einer Modifikation des geltenden Rechts.