LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/5945 26.05.2014 Datum des Originals: 26.05.2014/Ausgegeben: 28.05.2014 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 2262 vom 28. April 2014 des Abgeordneten Marc Lürbke FDP Drucksache 16/5688 Künstliche DNA im Kampf gegen Einbrüche – inzwischen ein Modell auch für NRW? Der Minister für Inneres und Kommunales hat die Kleine Anfrage 2262 mit Schreiben vom 26. Mai 2014 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Finanzminister beantwortet . Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Die vor wenigen Wochen vorgestellte Polizeiliche Kriminalstatistik 2013 weist Einbruchszahlen für Nordrhein-Westfalen auf, die im Vergleich zum Vorjahr erneut gestiegen sind. Durch den Anstieg um weitere 1,5 Prozent verzeichnet die Statistik nun knapp 55.000 Einbrüche in Häuser und Wohnungen während eines Jahres. Dagegen ist die Aufklärungsquote nahezu unverändert geblieben. Sie liegt nach wie vor bei erschreckend niedrigen 13,6 Prozent. Die Bilanz der Landesregierung im Kampf gegen Einbrecher fällt dürftig aus. Ihre Maßnahmen wie die nur an einzelnen Tagen durchgeführten, groß angelegten Kontrollen erweisen sich als PR-wirksam, lassen aber insbesondere den Aufklärungserfolg vermissen. Während die Polizeibeamten vor Ort das ihnen Mögliche tun, scheint es dem Innenminister an effektiven Gesamtstrategien immer noch zu fehlen. In Bremen befindet sich ein Projekt am Ende der Evaluation, bei dem sogenannte künstliche DNA (KDNA) im Mittelpunkt steht. Als präventives Einsatzmittel beispielsweise zur Verhinderung von Einbruchsdiebstählen wird der Einsatz von KDNA-Flüssigkeit zur Markierung von Gegenständen gefördert. Zur Verhinderung von Raubüberfällen sollen z.B. KDNA- Sprühanlagen (KDNA-„Duschen“) eingesetzt werden, um Personen zu markieren. Letztlich sollen durch einen flächendeckenden und vor allem öffentlichkeitswirksamen Einsatz der KDNA LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/5945 2 potentielle Täter davon abgeschreckt werden, Einbrüche und Raubdelikte zu begehen. Auch das Sicherheitsgefühl der Bevölkerung soll so erheblich gesteigert werden. Bürgerinnen und Bürger können Markierungssets für ihre Wertgegenstände erwerben (Kosten für ein Set zur Markierung von ca. 50 Gegenständen im Fachhandel bei unter 100 Euro). Durch entsprechende Aufkleber an gut sichtbaren Stellen sollen sie auf die Verwendung der KDNA- Markierungen hinweisen. Durch kostengünstige, einfache UV-Lampen können Gegenstände unter anderem durch die Polizei auf KDNA- Anhaftungen überprüft werden. Eine Öffentlichkeitskampagne der Bremer Polizei hat dazu geführt, dass auch eine breite Masse der Bevölkerung von der Strategie Kenntnis erlangt hat. Im Projektverlauf haben sich Initiativen von Anwohnern gebildet, die in zusammenhängenden Wohngebieten KDNA verwenden und dies auch durch Schilder an den betreffenden Ein- und Ausfahrtsstraßen deutlich machen. Bremen hat mit dem Projekt eine Pilotfunktion für das gesamte Bundesgebiet übernommen (siehe ´Deutsche Polizei´, Zeitschrift der Gewerkschaft der Polizei, April 2013, S. 10 ff.). In Brandenburg und Sachsen werden ähnliche Projekte mit KDNA ebenfalls bereits praktisch erprobt. Wirtschaftliche und organisatorische Gründe sprechen dagegen gegen eine Einführung von KDNA im Land Berlin; auch die präventive Wirkung sei nicht erwiesen, so eine Polizeisprecherin aus Berlin in einem Bericht der Berliner Morgenpost vom 21. Februar diesen Jahres (http://www.morgenpost.de/brandenburg-aktuell/article125065482/BrandenburgerPolizei -empfiehlt-kuenstliche-DNA.html#). Im gleichen Bericht wird der Brandenburger Innenminister Ralf Holzschuher (SPD) damit zitiert, dass KDNA zumindest ein Baustein im Schutz vor Einbruch und Diebstahl sei. Angesichts insbesondere der hohen Einbruchszahlen stellt sich die Frage, ob auch in NRW der Einsatz von KDNA zumindest als zusätzliches Mittel im Kampf gegen Kriminelle erwogen werden muss. Vorbemerkung der Landesregierung Produktkennzeichnungstechnologien werden bereits seit einigen Jahren genutzt, um Produkte , Dokumente und Wertpapiere zum Schutz vor Fälschungen zu kennzeichnen oder um eine individuelle Wiedererkennung zu ermöglichen. Zudem werden vermehrt auch Einsatzmöglichkeiten im Zusammenhang mit der Aufklärung und der Verhütung von Straftaten thematisiert . Produktkennzeichnungstechnologien nutzen unterschiedliche technische Verfahren. Dazu zählen Biotechnologien (sogenannte „Künstliche DNA" oder „KDNA“), Mikropartikel (Farbcodierung oder besondere optische Eigenschaften), UV-fluoreszierende Stoffe oder Elementarmarkierungen (Zumischung von Spuren chemischer Elemente, die natürlicherweise nicht enthalten sind). So wird „Künstliche DNA“ zum Beispiel mittels einer Trägerflüssigkeit auf Gegenstände aufgebracht , die dann im Weiteren aufgrund ihrer fluoreszierenden Eigenschaften sichtbar gemacht werden kann. Sind der Flüssigkeit weitere Partikel beigefügt, kann aus diesen, bei entsprechender Vergrößerung, ein Code abgelesen werden. Durch ergänzende Analyse der "künstlichen DNA" und Abgleich des Codes mit den beim Hersteller hinterlegten Daten, wird so eine individuelle Zuordnung ermöglicht. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/5945 3 1. Wie beurteilt die Landesregierung die Bremer Strategie des Einsatzes von KDNAMarkierungen auf Gegenständen durch Bürgerinnen und Bürger im Kampf insbesondere gegen Einbrüche? Die Landesregierung beurteilt nicht die Strategien anderer Länder. Zum Einsatz von KDNA-Markierungen des "Bremer Modellprojekts" hat die Hochschule für Öffentliche Verwaltung Bremen einen Projektbericht1 veröffentlicht. Der Projektbericht kommt unter anderem zu dem Ergebnis, dass die von Anbietern von Produktkennzeichnungstechnologien angeführten Erfolge wissenschaftlich nicht belegt werden können (vgl. HfÖ 2012, S. 87). Ebenso werden die Ergebnisse der Bevölkerungsbefragung als wenig belastbar und nur eingeschränkt aussagekräftig bewertet (vgl. HfÖ 2012, S. 88). 2. Wie beurteilt die Landesregierung die Bremer Strategie des Einsatzes von KDNA- Sprühanlagen im Kampf insbesondere gegen Raubüberfälle? Die Landesregierung beurteilt nicht die Strategien anderer Länder. Einzelne Anwendungen lassen sich überdies nur im Kontext eines Gesamtkonzeptes präventiver und repressiver Maßnahmen der Strafverfolgungsbehörden bewerten. Ein solches ist hier jedoch nicht bekannt. 3. Wie beurteilt die Landesregierung die Möglichkeiten, derartige präventive Strate- gien mit KDNA auch in NRW einzuführen? Die Landesregierung erachtet die Ausschöpfung aller Möglichkeiten und Erkenntnisse zur Verfolgung und Verhütung von Straftaten für sachgerecht und notwendig. Auf Initiative des Landeskriminalamtes NRW prüft daher die Arbeitsgemeinschaft der Leiterinnen und Leiter der Landeskriminalämter und des Bundeskriminalamtes derzeit die kriminalfachliche Eignung, die praktische Durchführbarkeit, die personellen und logistischen Erfordernisse sowie den Kosten-Nutzen-Effekt neuer Produktkennzeichnungstechnologien. 4. Welche Kosten würde eine landesweite Einführung derartiger Strategien mit KDNA für die Polizei NRW verursachen (bitte aufschlüsseln nach Kostenarten wie Ausrüstung für UV-Lampen, Personalkosten, Sonstiges)? Eine belastbare Kostenschätzung ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht möglich. 5. Wie beurteilt die Landesregierung den Aufwand für einen Bürger bzw. eine Bür- gerin, Eigentum mithilfe von KDNA-Markierungen zu schützen? Vor dem Hintergrund der noch offenen Fragestellungen ist der Landesregierung eine Beurteilung nicht möglich. 1 HfÖ - Hochschule für Öffentliche Verwaltung Bremen/ IPoS - Institut für Polizei und Sicherheitsfor- schung (2012). A. Hartmann, D. Jeck, J. Lübben & C. Kestermann. Einsatz „künstlicher DNA" – Einschätzungen und Bewertungen in verschiedenen Bevölkerungsgruppen. Projektbericht.