LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/5957 27.05.2014 Datum des Originals: 27.05.2014/Ausgegeben: 30.05.2014 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 2259 vom 25. April 2014 der Abgeordneten Henning Höne und Dr. Robert Orth FDP Drucksache 16/5675 Datenschutz stärken – Kontenabfrage auf ein Minimum reduzieren – Was unternimmt die Landesregierung? Der Minister für Inneres und Kommunales hat die Kleine Anfrage 2259 mit Schreiben vom 27. Mai 2014 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Finanzminister, dem Minister für Arbeit, Integration und Soziales, dem Justizminister, dem Minister für Bauen, Wohnen, Stadtentwicklung und Verkehr und der Ministerin für Innovation, Wissenschaft und Forschung beantwortet. Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Die staatlichen Behörden greifen immer häufiger auf private Konten zu. Nach Angaben des Bundeszentralamtes für Steuer sind im vergangenen Jahr mit insgesamt 142.000 Kontenabfragen so viele Abfragen erfolgt, wie noch nie zuvor. Diese Zahl habe sich nach Medienberichten zu Folge seit dem Jahr 2012 sogar verdoppelt und die Tendenz im laufenden Jahr sei weiterhin steigend. Seit dem Jahr 2005 können Behörden entsprechende Kontoabfragen durchführen, um Sozialkassen- und Steuerbetrüger ausfindig zu machen. Im Laufe der Jahre wurde der Kreis des zugriffsberechtigten Personenkreises jedoch kontinuierlich ausgeweitet. Mit jeder Ausweitung des Personenkreises wird die Gefahr größer, dass der Datenschutz privater Bürger verwässert. Datenschutz wird demnach ein zunehmend wichtigeres Thema des Verbraucherschutzes. Selbst die in der Vergangenheit nicht für Datensparsamkeit bekannt gewesene heutige Bundesdatenschutzbeauftragte Andrea Voßhoff verfolgt die verstärkte Kontoabfragen kritisch und sieht Handlungsbedarf: Der Gesetzgeber sei „in der Pflicht, die Befugnis zum Kontenabruf zu überprüfen und auf das unbedingt erforderliche Maß zurückzuführen“ (Spiegel Online, 25. April 2014). LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/5957 2 Vorbemerkung der Landesregierung Die Anzahl der rechtlichen Ermächtigungen, im Einzelfall eine Kontoanfrage vornehmen zu können, hat insbesondere im Zeitraum nach dem Jahr 2005 zugenommen. Der Kreis der dazu befugten Behörden wurde erweitert. Die Mehrzahl der Normen berechtigen aber nur zu einer Auskunft auf sogenannte Kontenstammdaten; eine Auskunft zu Kontenbewegungen und Kontenstand ist damit nicht möglich. Aufgrund des Zuständigkeitsbereichs der Landesregierung beschränkt sich die Beantwortung auf Maßnahmen der Behörden der Landesverwaltung einschließlich der kommunalen Behörden, soweit diese der Fachaufsicht der Landesverwaltung unterliegen. Ebenso musste sich die Beantwortung auf Konten beschränken, die bei einem Geldinstitut geführt werden, das mit der betreffenden Niederlassung/Zweigstelle seinen Sitz in NRW hat und bei denen der Kontoinhaber eine natürliche Person ist. 1. Auf wie viele nordrhein-westfälische Konten haben in den letzten fünf Jahren staatliche Behörden Zugriff erlangt? (Bitte nach Jahren und Monaten angeben.) Nicht für alle Bereiche, in denen Kontenabfragen aufgrund von gesetzlichen Ermächtigungen erfolgen dürfen, liegen statistische Daten über Anzahl und Häufigkeit der Kontendatenabfragen vor. Dies gilt insbesondere auch für die Kontendatenabfragen bei der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungen (BaFin) im Rahmen strafrechtlicher Ermittlungsverfahren nach § 24c Kreditwesengesetz durch die Polizeibehörden. Nach den mir durch das Bundesfinanzministerium zur Verfügung gestellten Informationen werden bundesweit von mehr als 2.000 Dienststellen entsprechende Anfragen an die BaFin gerichtet. Eine Aufstellung zu den Dienststellen, deren Länderzugehörigkeit und Anzahl der Anfragen ist der BaFin nicht möglich. Durch die Polizeibehörden in NRW werden zu gestellten Auskunftsersuchen an die BaFin keine statistischen Daten erfasst. Zu der Beantwortung der tatsächlich vorliegenden statistisch erfassten Daten wird auf die als Anlage beigefügte Tabelle verwiesen. Sie enthält Zahlen zu Abfragen bzw. zu Kontozugriffen aus den Bereichen des Finanzministeriums und des Ministeriums für Inneres und Kommunales (Verfassungsschutz). Bei den vom Finanzministerium gemeldeten Zahlen ist Folgendes zu beachten:  Die Zahlen basieren allein auf Angaben des Bundeszentralamts für Steuern (BZSt).  Aufgeführt ist die Zahl der Abfragen der nordrhein-westfälischen Finanzämter bezogen auf Steuerpflichtige.  Es liegen aber keine Zahlen vor, wie viele konkrete Konten den anfragenden Finanzämtern insgesamt zurückgemeldet wurden.  Bei den Rückmeldungen kann auch nicht ausgeschlossen werden, dass Konten betroffen sind, die bei Instituten (Zweigstellen/Niederlassungen) geführt werden, die ihren Sitz außerhalb von NRW haben.  Außerdem können sich Anfragen auf Personen bezogen haben, die ihren Wohnsitz außerhalb von NRW haben. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/5957 3 Bei den vom Ministerium für Inneres und Kommunales gemeldeten Zahlen ist Folgendes zu beachten:  In dem abgefragten Zeitraum gab es auf der Grundlage des Verfassungsschutzgesetzes NRW (VSG NRW) sechs Maßnahmen mit Zugriff auf insgesamt 15 Konten.  Eine Zuordnung zu einzelnen Monaten ist nicht möglich, da sich die Maßnahmen zum Teil über einen längeren Zeitraum erstreckten.  Die Maßnahmen erfolgten mit Zustimmung der vom Landtag eingesetzten sog. G 10- Kommission.  Gemäß § 5b Abs. 4 Satz 1 VSG NRW berichtet der Verfassungsschutz NRW dem Hauptausschuss des Landtags jährlich über die durchgeführten Maßnahmen. 2. Wie bewertet die Landesregierung die stetig steigende Anzahl der Kontenabfragen privater Konten aus datenschutzrechtlicher Perspektive? 3. Sieht die Landesregierung den Datenschutz aktuell als hinreichend berücksichtigt an? Die Vorschriften, die im Einzelfall zu Kontendatenabfragen ermächtigen, sind nur unter strenger Einhaltung der Zuständigkeit und der jeweiligen Voraussetzungen der Norm sowie der Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu nutzen. Unter diesen Voraussetzungen hat auch das Bundesverfassungsgericht in einer grundlegenden Entscheidung zum Kontoabrufverfahren vom 13. Juni 2007 (BVerfGE 118, 168) ausdrücklich bestätigt, dass die gesetzlichen Kontoabrufmöglichkeiten nach § 24c des Kreditwesengesetzes (KWG) und § 93b i.V. m. § 93 Absatz 7 und 8 der Abgabenordnung (AO) Gemeinwohlbelangen von erheblicher Bedeutung dienen, nämlich einer gleichmäßigen Besteuerung, der Bekämpfung des Sozialleistungsbetruges sowie der wirksamen Strafverfolgung und Rechtshilfe in Strafsachen. Insoweit sind auch nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts die mit einem Kontoabruf verbundenen Eingriffe in das informationelle Selbstbestimmungsrecht der Betroffenen gerechtfertigt. 4. Wie bewertet die Landesregierung die Aussagen der Bundesdatenschutzbeauftragten, dass der Gesetzgeber in der Pflicht sei, den zugriffsberechtigten Personenkreis zu überprüfen und auf ein unbedingtes Maß zurückzuführen? 5. Welche konkreten Maßnahmen ergreift das Land Nordrhein-Westfalen, um der Forderung der Bundesdatenschutzbeauftragten nachzukommen? Die Landesregierung sieht derzeit - wie in den vorstehenden Antworten ausgeführt - keinen Handlungsbedarf für Änderungen von Normen für Kontenerhebungen.