LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/5962 27.05.2014 Datum des Originals: 27.05.2014/Ausgegeben: 30.05.2014 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 2254 vom 2. Mai 2014 des Abgeordneten Henning Höne FDP Drucksache 16/5668 Vogelschutz an Freileitungen in NRW – was unternimmt die Landesregierung, um die Erfüllung der Anforderungen des Naturschutzes sicher zu stellen? Der Minister für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz hat die Kleine Anfrage 2254 mit Schreiben vom 27. Mai 2014 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister für Wirtschaft, Energie, Industrie, Mittelstand und Handwerk beantwortet. Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Der Vogelschutz an Energiefreileitungen beschäftigt Netzbetreiber und Naturschützer seit Jahrzehnten, denn Stromschläge durch stromführende Teile von Mittelspannungsmasten zählen – trotz hoher Dunkelziffer – zu den häufigsten Todesursachen vor allem bedrohter Großvögel. Nach § 41 Bundesnaturschutzgesetz sind seit April 2002 neu zu errichtende Masten und technische Bauteile von Mittelspannungsleitungen konstruktiv so auszuführen, dass Vögel gegen Stromschlag geschützt sind. An bestehenden Masten und technischen Bauteilen von Mittelspannungsleitungen mit hoher Gefährdung von Vögeln waren bis zum 31. Dezember 2012 die notwendigen Maßnahmen zur Sicherung gegen Stromschlag durchzuführen. Was genau hierunter verstehen ist, wird nicht explizit im Gesetz geregelt. Seit August 2011 ist der aktuelle Stand der Technik jedoch in der Anwendungsregel „Vogelschutz an Mittelspannungsmasten“ des Verbandes der Elektrotechnik normiert und seitdem verbindlich. Die Nachrüstungspflicht für bestehende Masten ist Ende 2012 abgelaufen. In der vom LANUV herausgegebenen Zeitschrift „Natur in NRW“ wurde in Heft 4-2013 berichtet: „Netzbetreiber in NRW setzen bis Ende 2012 Vogelschutzmaßnahmen an Mittelspannungsfreileitungen um“. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/5962 2 Diese Feststellung ist jedoch nach aktuellen Recherchen mit Nachdruck zu bezweifeln. In der Ausgabe 4-2014 der Zeitschrift „Naturschutz und Landschaftsplanung“ wird in dem Artikel „Umrüstung gefährlicher Mittelspannungsleitungen“ berichtet, dass die Gesellschaft zur Erhaltung der Eulen (EGE) nach Ablauf der Umsetzungsfrist Stichproben in fünf Flächenländern , darunter auch Nordrhein-Westfalen, durchgeführt hat. Die Ergebnisse sind erschreckend : von 2020 kontrollierten Mittelspannungsmasten hätten sich 660 Masten als hochgefährlich erwiesen. Hochgerechnet auf das Gebiet der Bundesrepublik könne demnach von 100.000 gefährlichen Freileitungsmasten ausgegangen werden. Auch für NRW gibt es keine Entwarnung. Hier wurden fünf der zehn Stichproben (Aachen, Heinsberg, Düren, Mechernich, Rheinbach) durchgeführt mit Ergebnis, dass sich mehr als jeder Dritte Mast als hochgefährlich für Vögel erwiesen habe. Laut Bericht habe man darunter auch teilweise Masten vorgefunden, die nachweislich nach dem Jahr 2002 und unter Verstoß gegen das Bundesnaturschutzgesetz errichtet worden seien. Teilweise habe es an Masten zwar bereits Entschärfungsmaßnahmen gegeben, diese seien jedoch unzureichend bzw. hätten sich im Nachhinein als unzureichend herausgestellt. Das LANUV wurde von der EGE frühzeitig über die Ergebnisse der Stichproben informiert. Vorbemerkung der Landesregierung Die vogelsichere Umrüstung von Mittelspannungsleitungen erfolgte seit Inkrafttreten der gesetzlichen Regelung im Jahr 2002 zunächst auf der Grundlage des VDEWMaßnahmenkatalogs zum „Vogelschutz an Mittelspannungsleitungen“ aus dem Jahr 1991. Um den zwischenzeitlich neuen Erkenntnissen im Vogelschutz und der technischen Weiterentwicklung der Maßnahmen Rechnung zu tragen, wurde auf Basis des alten Maßnahmenkatalogs und der gewonnenen Erfahrungen eine neue VDE-Anwendungsregel „Vogelschutz an Mittelspannungsleitungen“ (VDE-AR-N 4210-11) erarbeitet. Diese ist seit 01.08.2011 bei der Nachrüstung und bei Neubauten verbindlich anzuwenden. Diese Änderung der Vorgaben führte dazu, dass zahlreiche der nach dem alten VDEWMaßnahmenkatalog bereits umgerüsteten Masten hinsichtlich des Vogelschutzes nicht mehr dem neuesten Stand der Technik entsprechen. Die Frage, wie mit diesen Masten verfahren werden soll, war auch Gegenstand der Beratungen in der Sitzung einer entsprechenden Arbeitsgruppe beim Bundesumweltministerium. Im Rahmen des daraus resultierenden Prüfauftrags an die Arbeitsgemeinschaft der Vogelschutzwarten hat diese mit Schreiben vom 02.06.2010 festgestellt, dass keine erneute Überprüfung der bisher durchgeführten Maßnahmen vorgenommen werden muss. Sofern an solchen Masten jedoch nachweislich Vogelverluste auftreten, haben sich die Netzbetreiber bereit erklärt, umgehend geeignete Schutzmaßnahmen nachzurüsten. Die Landesregierung hat den Umrüstungsprozess in den vergangenen Jahren durch regelmäßige Gespräche mit den Netzbetreibern begleitet. In Nordrhein-Westfalen verwalten die beiden regionalen Verteilnetzbetreiber Westnetz GmbH (Unternehmen der RWE Deutschland AG) und E.ON Westfalen Weser AG rd. 80% des Stromnetzes (bzw. zusammen 66.000 Mittelspannungsmasten). Die kommunalen Netzbetreiber (Stadtwerke) sind im Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft BDEW e.V. (Landesgruppe Nordrhein-Westfalen) zusammengeschlossen. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/5962 3 1. Welche Informationen hat die Landesregierung über die gegenwärtige Einhaltung der Vorgaben von § 41 BNatSchG an Mittelspannungsmasten in NRW? Die Landesregierung geht davon aus, dass die Vorgaben des § 41 BNatSchG zur vogelsicheren Umrüstung von Mittelspannungsmasten in Nordrhein-Westfalen eingehalten werden. Anlässlich des Ablaufs der Umrüstungsfrist haben die beiden Netzbetreiber Westnetz und E.ON erklärt, dass die Umrüstung der Mittelspannungsmasten weitestgehend fristgerecht bis zum Ablauf der Umrüstungsfrist Ende 2012 abgeschlossen werden konnte. E.ON hat im Sommer 2013 mitgeteilt, dass die Umrüstung abgeschlossen wurde. Die Westnetz hatte mitgeteilt , dass die letzten Masten bis Ende Oktober 2013 endgültig vogelsicher umgerüstet wurden. Der BDEW e.V. hat die Unternehmen in seinem Verband mehrfach über die gesetzliche Verpflichtung informiert, notwendige Sicherungsmaßnahmen an bestehenden Masten bis Ende 2012 durchzuführen. Der BDEW geht nach eigenen Angaben davon aus, dass die Unternehmen die Umrüstung fristgerecht durchgeführt haben. 2. Inwiefern wurde der Versuch unternommen, von Dritten wie z.B. Netzbetreibern gemeldete Informationen über den Umrüstungsstand zu verifizieren? 3. In welcher Form hat das für die Durchsetzung des Vogelschutzes an Mittelspan- nungsmasten zuständige Umweltministerium kontrolliert, ob die Vorgaben des § 41 BNatSchG zum Ende des Umrüstungszeitraums auch tatsächlich eingehalten wurden? Die Fragen 2 und 3 werden gemeinsam beantwortet. Für die Umrüstung und die Einhaltung der Umrüstungsfrist Ende 2012 sind die Netzbetreiber eigenverantwortlich zuständig. Angesichts der Aussagen der Netzbetreiber zur mittlerweile abgeschlossenen Umrüstung der Mittelspannungsmasten in NRW wird keine zwingende Notwendigkeit für eine Verifizierung der Informationen bzw. Überprüfung der durchgeführten Maßnahmen gesehen. 4. Wie viele Kontrollen wurden mit welchem Ergebnis seit dem 01.01.2013 durch die Landesregierung bzw. nachgeordnete Behörden durchgeführt, um die Einhaltung des § 41 BNatSchG zu überprüfen? Die Landesregierung hat keine Kontrollen zur Einhaltung des § 41 BNatSchG durchgeführt. Wie in der Antwort zu den Fragen 2 und 3 dargestellt, wird keine zwingende Notwendigkeit für eine Kontrolle der durchgeführten Maßnahmen gesehen. 5. Welche Konsequenzen hat die Landesregierung aus den Ergebnissen der Stich- proben der EGE gezogen? Die Landesregierung hat die Veröffentlichung der EGE bereits im Vorfeld der Kleinen Anfrage zum Anlass genommen, um die von den Stichproben betroffenen Netzbetreiber um eine Stellungnahme zu den Vorwürfen zu bitten. Nach Angaben der Netzbetreiber gestaltete sich die Überprüfung schwierig, da die Angaben der EGE zu den Stichproben nur schwer nachvollziehbar waren. So waren teilweise die Angaben zum jeweiligen Netzbetreiber sowie zum Umfang des Leitungsnetzes mit der Anzahl der Masten nicht korrekt. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/5962 4 Im Ergebnis lässt sich festhalten, dass die Netzbetreiber in den Bereichen Rheinbach, Mechernich , Düren und Aachen bereits die nach dem jeweiligen Stand der Technik erforderlichen Sicherungsmaßnahmen durchgeführt haben. Die Landesregierung sieht hier keinen weiteren Handlungsbedarf.  In Rheinbach waren nach Angaben der Westnetz GmbH im Jahr 2010 (vor in Kraft treten der neuen VDE-AR) insgesamt 243 Masten in Betrieb. Davon waren bereits 85 Masten nach dem alten VDEW-Maßnahmenkatalog umgerüstet, 34 Masten wurden nach der neuen VDE-AR umgerüstet. Die restlichen 124 Masten wurden demontiert.  In Mechernich waren nach Angaben der Westnetz GmbH und der KEV im Jahr 2010 (vor in Kraft treten der neuen VDE-AR) insgesamt 179 Masten in Betrieb. Davon waren bereits 34 Masten nach dem alten VDEW-Maßnahmenkatalog umgerüstet, 48 Masten wurden nach der neuen VDE-AR umgerüstet. Die restlichen 97 Masten wurden demontiert.  In Düren befinden sich aktuell nach Angaben des örtlichen Netzbetreibers Leitungspartner GmbH (nicht Westnetz GmbH) nur noch 21 Masten, die nach dem alten VDEW-Maßnahmenkatalog umgerüstet sind. Diese 21 Masten werden bis Ende des Jahres 2014 demontiert.  In Aachen befinden sich aktuell nach Angaben des örtlichen Netzbetreibers STAWAG Netz GmbH lediglich 54 Masten, die entsprechend der VDE-AR gesichert sind. Es ist geplant, diese 54 Masten in den nächsten zwei Jahren vollständig zu demontieren. Handlungsbedarf besteht lediglich im Bereich Heinsberg. Hier wird das Umweltministerium die bisher noch nicht vollständig erfolgte Umrüstung zum Anlass nehmen, um die Zusage der Alliander Netz GmbH auf eine dringend erforderliche vogelfreundliche Sicherung der Masten einzufordern und zeitnah durch die zuständige untere Landschaftsbehörde kontrollieren zu lassen. Der örtliche Netzbetreiber Alliander Netz GmbH hat zwar mitgeteilt, dass bereits große Bereiche mit Masten demontiert bzw. gesichert wurden. Die verbliebenen Trassen mit ungesicherten Masten sollen auf einer Gesamtlänge von 20 km erst jetzt (d.h. bis Ende des Jahres 2014) vogelsicher umgerüstet werden (soweit möglich teilweise auch als Erdverkabelung). Mangels Bußgeldvorschrift im BNatSchG besteht hier allerdings keine Möglichkeit, die unterbliebene vogelfreundliche Sicherung durch die Alliander Netz GmbH in Heinsberg zu sanktionieren . Unberührt bleibt die generelle Verpflichtung aller Netzbetreiber, in konkreten Fällen, bei denen Vögel an Masten verunglücken, umgehend geeignete Schutzmaßnahmen auch an den bereits nach dem alten VDEW-Maßnahmenkatalog gesicherten Masten durchzuführen.