LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/6042 05.06.2014 Datum des Originals: 05.06.2014/Ausgegeben: 11.06.2014 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 2279 vom 5. Mai 2014 des Abgeordneten Dirk Wedel FDP Drucksache 16/5716 Wie hoch ist der versteckte Personalmangel bei den Gerichten und Staatsanwaltschaften in NRW? Der Justizminister hat die Kleine Anfrage 2279 mit Schreiben vom 5. Juni 2014 namens der Landesregierung beantwortet. Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Auf der Grundlage des § 14 der Verordnung über die Arbeitszeit der Beamtinnen und Beamten im Lande Nordrhein-Westfalen (Arbeitszeitverordnung – AZVO) und entsprechender tarifvertraglicher Regelungen haben nordrhein-westfälische Gerichte und Staatsanwaltschaften Dienstvereinbarungen geschlossen, die den jeweiligen Angehörigen des nichtrichterlichen Dienstes die Möglichkeit einräumt, unter Berücksichtigung der gesetzlich angeordneten oder tariflich vereinbarten Arbeitszeit individuell über die Lage und Dauer der Arbeitszeit innerhalb einer bestimmten Zeitspanne selbst zu wählen und Minderarbeit als Zeitschuld bzw. Mehrarbeit als Zeitguthaben in bestimmtem Umfang in den nächsten Abrechnungszeitraum zu übertragen. Dadurch soll einerseits den Angehörigen des nichtrichterlichen Dienstes ein gewisser Freiraum bei der Bestimmung des Arbeitsbeginns- bzw. ende gegeben, gleichzeitig aber auch durch die Möglichkeit des Ansammelns von Zeitguthaben ein Anreiz geschaffen werden, bei dienstlich dringenden Belangen Dienst zu leisten, der dann zu einem späteren Zeitpunkt durch Freizeit ausgeglichen werden kann. Auf diese Weise soll also ein reibungsloser Dienstablauf gewährleistet werden bei gleichzeitiger Anerkennung von Zeitguthaben und dessen Ausgleich durch Freizeitgewährung. Grundsätzlich werden hierbei Minderzeiten- bzw. Zeitguthaben – soweit ein Ausgleich nicht möglich ist – in den nächsten Abrechnungszeitraum übertragen. Nach § 14 Abs. 5 Satz 2 AZVO dürfen Zeitguthaben an mindestens einem und bis zu zwölf Stichtagen im Jahr ein festgelegtes Stundenkonto, das sich in einem Rahmen von nicht mehr als 120 Stunden Zeitguthaben bewegen kann, nicht übersteigen. In vielen Dienstvereinbarungen ist das LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/6042 2 Höchstmaß an Zeitguthaben auf einen Bruchteil von 120 Stunden festgesetzt. Darüber hinausgehende Zeitguthaben verfallen (§ 14 Abs. 5 Satz 3 AZVO). In Anlehnung an § 2 Abs. 5 S. 3, 2. HS AZVO, wonach die tägliche Arbeitszeit zehn Stunden nicht überschreiten soll, sehen entsprechende Dienstvereinbarungen vor, dass eine über zehn Stunden hinausgehende Anwesenheit nicht als Arbeitszeit berücksichtigt wird, es sei denn, es ist Mehrarbeit schriftlich angeordnet bzw. nachträglich genehmigt worden. Indes hat die hohe Belastung des Justizdienstes der nordrhein-westfälischen Gerichte und Staatsanwaltschaften massive Auswirkungen auf den konkreten alltäglichen Arbeitsablauf. Ein großer Teil der verantwortungsbewussten Angehörigen des nichtrichterlichen Dienstes verrichtet seine Tätigkeit über die regelmäßige Arbeitszeit hinaus, um auf diese Weise für die Menschen einen reibungslosen Ablauf der Justiz in NRW sicherzustellen. Dem Vernehmen nach sollen diese Umstände sowie die fehlende tatsächliche Möglichkeit der Gewährung von Freizeitausgleich in Anwendung der Vorschriften über die flexible Arbeitszeit regelmäßig dazu führen, dass an den jeweiligen Stichtagen eine nicht zu vernachlässigende Größenordnung an Zeitguthaben verfällt. Gegebenenfalls könnte der Eindruck entstehen, dass die Kappung von Zeitguthaben planmäßig dazu genutzt wird, Personalmangel auszugleichen. Vorbemerkung der Landesregierung Dienstvereinbarungen zur flexiblen Arbeitszeit gemäß § 14 der Verordnung über die Arbeitszeit der Beamtinnen und Beamten im Lande Nordrhein-Westfalen (Arbeitszeitverordnung – AZVO –) und der entsprechenden tariflichen Regelung werden zwischen den Leiterinnen und Leitern der Dienststellen und den örtlichen Personalvertretungen geschlossen. Die inhaltliche Ausgestaltung der Dienstvereinbarung über die Regelung der Arbeitszeit muss sich dabei innerhalb der gesetzlichen und tariflichen Regelungen bewegen. § 14 Abs. 5 Satz 2 AZVO bestimmt, dass Überschreitungen der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit (Zeitguthaben) an mindestens einem und bis zu zwölf Stichtagen im Jahr ein festgelegtes Stundenkonto, das sich in einem Rahmen von nicht mehr als 120 Stunden Zeitguthaben bewegen kann – sogenannte Kappungsgrenze –, nicht übersteigen dürfen; darüber hinausgehende Zeitguthaben verfallen (§ 14 Abs. 5 Satz 3 AZVO). Da die Vorschrift bei der Ausgestaltung der Dienstvereinbarungen über die Regelung der Arbeitszeit einen großen Gestaltungsspielraum eröffnet, unterscheiden sich sowohl die Abrechnungszeiträume als auch die Höhe der Kappungsgrenze in den einzelnen Dienstvereinbarungen deutlich. So gibt es in Dienstvereinbarungen der Gerichte und Staatsanwaltschaften vereinzelt jährliche Abrechnungszeiträume; überwiegend erfolgt jedoch eine monatliche oder quartalsweise Abrechnung. Die Kappungsgrenze variiert in den Dienstvereinbarungen zwischen 15 und 120 Stunden. Dies hat zur Folge, dass sich auch die Höhe der von den Beschäftigten erwirtschafteten Zeitguthaben an den vereinbarten Stichtagen zum Teil deutlich unterscheiden. Ferner sieht § 14 Abs. 7 Satz 7 AZVO vor, dass die personenbezogenen Daten eines Abrechnungszeitraums spätestens nach sechs Monaten zu löschen sind. In einzelnen Dienstvereinbarungen ist jedoch geregelt, dass diese Daten bereits früher gelöscht werden müssen. Vor diesem Hintergrund gibt es keinen (einheitlichen) zeitlichen Rahmen, in dem die personenbezogenen Daten vorgehalten werden und damit abgerufen werden konnten. Personenbezogene Daten aus dem Jahr 2012 konnten in Ansehung von § 14 Abs. 7 Satz 7 AZVO gar nicht ermittelt werden; Daten aus dem Jahr 2013 waren nur (noch) eingeschränkt verfügbar. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/6042 3 Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Fragen wie folgt: 1. Welche nordrhein-westfälischen Gerichte und Staatsanwaltschaften haben auf Basis des § 14 AZVO Dienstvereinbarungen über flexible Arbeitszeit geschlossen? Mit Ausnahme von elf Gerichten haben alle nordrhein-westfälischen Gerichte und Staatsanwaltschaften auf Basis des § 14 AZVO und des Abschnitt II des Tarifvertrags für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L) Dienstvereinbarungen über flexible Arbeitszeiten geschlossen. Die Dienststellen, die eine entsprechende Dienstvereinbarung getroffen haben, ergeben sich aus der Anlage 1. 2. Wie hoch war – saldiert – das Zeitguthaben zum 31.12.2013 der in dem Geltungsbereich der Dienstvereinbarungen Beschäftigten des nichtrichterlichen Dienstes (bitte auch differenziert nach den jeweiligen Gerichten und Staatsanwaltschaften sowie den betroffenen Laufbahnen)? Die Höhe der saldierten Zeitguthaben der Gerichte und Staatsanwaltschaften ergibt sich aus den anliegenden Aufstellungen (Anlagen 1 und 2). Ermittelt wurden die am Stichtag 31.12.2013 bestehenden, nicht verfallenen Zeitguthaben, die – je nach Ausgestaltung der Dienstvereinbarung – in Freizeit ausgeglichen werden konnten. Soweit die Daten zum Stichtag 31.12.2013 bereits gelöscht waren, sind für die betreffenden Dienststellen keine Zahlenwerte aufgeführt. Eine Aufstellung der saldierten Zeitguthaben geordnet nach Laufbahnen für jede Dienststelle ist aus Gründen des Datenschutzes nicht möglich. Anderenfalls wären teilweise Rückschlüsse auf die Zeitguthaben einzelner Beschäftigter möglich, da an manchen Dienststellen die jeweilige Laufbahn mit nur einem Beschäftigen besetzt ist. In diesen Fällen wurden die Zeitguthaben der fraglichen Beschäftigen aus datenschutzrechtlichen Gründen bereits von den Dienststellen zum Teil nicht übermittelt oder aber einer anderen Laufbahn zugeschlagen. Die Anlage 2 enthält mithin eine nach Laufbahnen geordnete Aufstellung der saldierten Zeitguthaben aller Dienststellen. 3. Wie vielen Vollzeitäquivalenten entspricht die Differenz der saldierten Zeitguthaben zum 31.12.2013 im Verhältnis zum 31.12.2012 (bitte auch differenziert nach den einzelnen Laufbahnen)? Die Differenz der saldierten Zeitguthaben konnte nicht ermittelt werden, da die Erhebung der Daten zum Stichtag 31.12.2012 mit Blick auf § 14 Abs. 7 Satz 7 AZVO nicht möglich war. 4. Wie viel Zeitguthaben ist im Jahr 2013 im Geltungsbereich der Dienstvereinbarungen in den jeweiligen Gerichten und Staatsanwaltschaften gemäß § 14 Abs. 5 Satz 3 AZVO verfallen (bitte auch differenziert nach den einzelnen Laufbahnen)? Die für die Beantwortung der Frage erforderlichen (umfassenden) Daten für das gesamte Jahr 2013 stehen aus den in der Vorbemerkung aufgeführten Gründen nicht zu Verfügung. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/6042 4 5. Wie vielen Vollzeitäquivalenten entspricht das im Jahr 2013 insgesamt gekappte Zeitguthaben gemäß Frage 4? Die Beantwortung der Frage 5 schließt sich an die Frage 4 an und ist daher ebenfalls nicht möglich.