LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/6043 05.06.2014 Datum des Originals: 05.06.2014/Ausgegeben: 11.06.2014 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 2306 vom 12. Mai 2014 des Abgeordneten Ralf Witzel FDP Drucksache 16/5850 Neue gutachterliche Erkenntnisse der Landesregierung zur Provinzial-Versicherung – Wie bewertet der Finanzminister den Auftrag der öffentlichen Assekuranz in Rheinland und Westfalen mit all den sich daraus ergebenden Konsequenzen? Der Finanzminister hat die Kleine Anfrage 2306 mit Schreiben vom 5. Juni 2014 namens der Landesregierung beantwortet. Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Seit anderthalb Jahren findet eine intensive öffentliche Debatte über die Neuaufstellung und Neuausrichtung der öffentlichen Assekuranz in Nordrhein-Westfalen statt. Ausgelöst von entsprechenden Überlegungen auf Trägerseite sind vollständige Verkaufsszenarien ebenso in diesem Prozess debattiert worden wie Fusionsüberlegungen auf Betreiben der nordrheinwestfälischen Landesregierung. Aufgrund eines intensiven Wettbewerbsumfelds und neuer struktureller Herausforderungen der Versicherungslandschaft in Zeiten der Niedrigzinsphase, insbesondere im Bereich der Lebensversicherungen, steht die Assekuranz in unserem Land vor zentralen Entscheidungen mit weitreichenden Konsequenzen. Die betroffenen Institutionen, Versicherungsnehmer und Beschäftigten wünschen sich daher Planungssicherheit – nicht hinsichtlich unkalkulierbarer Marktentwicklungen, aber bezüglich der politischen Orientierung und Rahmensetzung. Dass die Landesregierung mit ihrem Vorhaben einer Fusion der Provinzial-Versicherungen von Rheinland und Westfalen (Nordwest) scheitern würde, ist frühzeitig klar gewesen und schon Monate vor der offiziellen Beendigung dieses Projektes von der FDP-Landtagsfraktion immer wieder prognostiziert worden – auch im Rahmen von Plenarsitzungen zu Zeitpunkten, als dies der Finanzminister noch nicht wahrhaben wollte. Die Gründe des Fusionsscheiterns lagen bei nüchterner Betrachtung von Beginn an auf der Hand: Zu unterschiedlich sind die Vorstellungen zur zukünftigen Rechtsform der verschiedenen Assekuranzen in Rheinland und Westfalen und der daraus resultierenden Folgewirkungen gewesen. Nicht ohne Grund sind bereits mehrfach entsprechende Fusionsversuche gescheitert. Da die Landesregierung LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/6043 2 die Fusionsüberlegungen aber stets ohne eigenen Gestaltungsanspruch in den materiellen Streitfragen betrieben hat, ist von Beginn an klar gewesen, dass der erneute Dialog nicht zu anderen Ergebnissen führen würde als die früheren gescheiterten Gespräche darüber. Ein wesentlicher Auffassungsunterschied ist in dem zurückliegenden Diskussionsprozess zwischen Rheinland und Westfalen auch in der Frage des bestehenden öffentlichen Auftrags für die Provinzial-Assekuranz begründet gewesen. Während sich das Rheinland stets dazu bekannt hat, ist dieser von westfälischer Seite auch in Zweifel gezogen worden. Branchenexperten weisen beispielsweise regelmäßig darauf hin, dass es trotz der großen Angebotsvielfalt bei Versicherungsprodukten bestimmte Nischen gibt, die unter rein ökonomischen Bedingungen am Markt kaum zu bezahlbaren Konditionen zu vertreiben sind. Aktuelle Beispiele dafür sind Hochwasserschutzversicherungen in den besonders gefährdeten Regionen oder die Berufshaftpflicht für Hebammen, über die zuletzt heftig öffentlich debattiert worden ist. Egal wie man letztlich Umfang und Notwendigkeit von öffentlichen Anbietern bei Finanz- und Versicherungsprodukten in der ferneren Zukunft auch beurteilen mag, es dürfte in jedem Fall auf der Hand liegen, dass die Frage des öffentlichen Auftrags landesrechtlich nur einheitlich für das gesamte Land entschieden werden kann. Die Landesregierung hat nach Angaben aus Regierungskreisen zur Klärung dieses Aspekts unlängst nun auch eine umfangreiche gutachterliche Expertise erstellen lassen. Die darin enthaltenen Erkenntnisse sind für das Unternehmen, die Betroffenen und die Landespolitik von großem Interesse und hoher Relevanz. Auch die Fungibilität des Anteilsbesitzes an der Provinzial Nordwest wird letztlich von der Entscheidung dieser Streitfrage sowie der daraus resultierenden Haltung des Finanzministers abhängen. Die frühere rot/grüne Landesregierung unter Ministerpräsident Peer Steinbrück hat jedenfalls den öffentlichen Auftrag der Provinzial ausdrücklich bejaht und dessen Verankerung in der AG-Satzung der Provinzial Nordwest daher ebenso zur Auflage im Zusammenhang mit den gravierenden Rechtsänderungen von 2001 bis 2005 in der seinerzeitigen Legislaturperiode gemacht. Dieses geht unter anderem auch aus einem Schreiben des damals zuständigen Innenministeriums vom 2. September 2004 an den Landschaftsverband Westfalen/Lippe und das Finanzministerium hervor. Die Provinzial-Assekuranz mit ihren Beschäftigten und Kunden sowie das Landesparlament dürfen nun zurecht erwarten, dass die Landesregierung klar Position bezieht, wie sie heute die rechtliche Ausgangslage für die anstehenden Zukunftsfragen der öffentlichen Assekuranz bewertet und welche politische Haltung sie dazu einnimmt. Vorbemerkung der Landesregierung Das Finanzministerium ist weiterhin der Ansicht, dass die Umstrukturierung der Provinzial Nordwest in den Jahren 2001 bis 2005 in sämtlichen Punkten rechtmäßig und verfassungskonform war. Die in der Stellungnahme von Prof. Dr. Dreher zur Anhörung des Haushalts- und Finanzausschusses am 3.12.2013 gegen die Umstrukturierung 2001 bis 2005 erhobenen Einwände gehen ganz überwiegend von einem unzutreffenden Sachverhalt aus. Anders als darin unterstellt, stimmte die Umstrukturierung mit den Anforderungen des Anstalts-, Haushalts-, Verfassungs-, Beihilfe- und Versicherungsaufsichtsrechts überein. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/6043 3 1. Zu welchen genauen Einzelbefunden und Schlussfolgerungen kommt das neue von der Landesregierung in Auftrag gegebene Gutachten zum öffentlichen Auftrag der Provinzial jeweils in Rheinland und Westfalen? (bitte Auffassung des Gutachters darstellen) Wegen der in der Anhörung massiv geäußerten Bedenken und der hieraus resultierten Verunsicherung hat das Finanzministerium eine eigene Untersuchung zur Frage angestoßen, ob die Umstrukturierung der Provinzial Nordwest den beihilferechtlichen und öffentlich-rechtlichen Vorgaben entsprach, und ein externes Gutachten in Auftrag gegeben. Das Gutachten ist noch nicht abschließend fertiggestellt, kommt aber im Grundtenor zu dem Ergebnis, dass die einzelnen Schritte der Umstrukturierung zu keiner wesentlichen Änderung der Rechts- und Vermögensposition der Anstalten, ihrer Träger sowie der Versicherungsnehmer führten. Das gilt im Ergebnis auch für den öffentlichen Auftrag. Das Gutachten untersucht die Umstrukturierung der Provinzial NordWest. Die Provinzial Rheinland ist nicht Gegenstand des Gutachtens. 2. Aus welchen einzelnen Erwägungen heraus kann die Frage dieses Auftrags der Assekuranz aus Sicht der Landesregierung für die verschiedenen Landesteile rechtlich wie politisch grundlegend anders bzw. nicht unterschiedlich entschieden werden? (bitte Auffassung der Landesregierung darstellen) Die Landesregierung vertritt die Auffassung, dass sowohl die Provinzial Rheinland als auch die Provinzial NordWest an einen öffentlichen Auftrag gebunden sind. Rechtsgrundlage hierfür sind der Staatsvertrag über die Provinzial-Versicherungsanstalten der Rheinprovinz (vgl. Art. 1 Abs.1) und die Satzung der Provinzial NordWest Holding AG (vgl. § 2 Abs. 1). 3. Ist die Landesregierung bereit, das Gutachten vollständig oder in seinen wesentlichen Auszügen Parlament und Öffentlichkeit zur Verfügung zu stellen, beispielsweise durch Beifügung als Anlage zur Antwort auf diese Parlamentsanfrage? Sobald das Gutachten endgültig fertig gestellt ist, wird das Finanzministerium dem Parlament die wesentlichen Ergebnisse zur Verfügung stellen. 4. Welche Zukunftsvorstellung hat die Landesregierung von der weiteren Entwicklung der beiden örtlich zuständigen Provinzialen, nachdem die von ihr favorisierten Fusionspläne zwischen Rheinland und Westfalen erneut gescheitert sind. 5. Welche weiteren Aktivitäten in puncto öffentlicher Assekuranz wird die Landesregierung in der laufenden Legislaturperiode noch , bitte unter Angabe des jeweils beabsichtigten Zeitpunktes, politisch ergreifen? Die in Frage 4 vorgenommene Bewertung durch den Fragesteller ist nicht neu, bleibt aber unzutreffend. Fusionsverhandlungen sind Sache der Gewährträger/Eigentümer und nicht der Landesregierung. Die Landesregierung und damit auch der Finanzminister verhandeln nicht LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/6043 4 und haben auch nicht das Ziel einer Fusion ausgegeben. Die Ministerpräsidentin und ich haben im Zusammenhang mit dem geplanten Verkauf an ein nicht öffentliches Versicherungsunternehmen auf die Gefahren für ein umfassendes öffentlich-rechtliches Finanzdienstleistungsangebot und für die Standorte und insbesondere die Arbeitsplätze hingewiesen und die Eigentümer aufgefordert, alternative Lösungen zur Zukunftssicherung öffentlich-rechtlicher Versicherungen auszuloten.