LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/6073 16.06.2014 Datum des Originals: 16.06.2014/Ausgegeben: 20.06.2014 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 2314 vom 9. Mai 2014 der Abgeordneten Serap Güler CDU Drucksache 16/5888 Verdacht auf Diskriminierung im ersten juristischen Staatsexamen: Was tut die Landesregierung , um diesem Verdacht nachzugehen? Der Justizminister hat die Kleine Anfrage 2314 mit Schreiben vom 16. Juni 2014 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister für Arbeit, Integration und Soziales, der Ministerin für Gesundheit, Emanzipation, Pflege und Alter und der Ministerin für Innovation , Wissenschaft und Forschung beantwortet. Vorbemerkung der Kleinen Anfrage In der Zeitschrift für Didaktik der Rechtswissenschaft (ZDRW 1/2014) haben Wissenschaftler in interdisziplinärer und überregionaler Zusammenarbeit eine Studie publiziert, die einen empirisch ermittelten Verdacht formuliert, dass die Herkunft und das Geschlecht von Prüflingen die Noten bei Prüfungen im ersten juristischen Staatsexamen negativ beeinflussen könnten. Nach einem ersten Bericht des Migazin (http://www.migazin.de/2014/04/04/hier-liegt-esnahe -eine-diskriminierung-anzunehmen/) haben Anfang April unter anderem auch Spiegel Online, Süddeutsche Zeitung und Legal Tribune Online basierend auf dieser Studie berichtet . Die Forscher fassen zusammen, dass durch ihre Studie Diskriminierung zunächst weder ausgeschlossen noch angenommen werden kann. „Vielmehr scheinen weitere empirische Untersuchungen lohnend […]“, so die Forschergruppe (ZDRW 2014: 27). Ihre Analyse basiert dabei auf Tausenden Datensätzen von nordrhein-westfälischen Jura-Prüflingen. Die Forschergruppe weist ausdrücklich darauf hin, dass durch die Studie „eine Debatte sowie weitere Forschungsarbeiten“ angeregt werden sollten (Migazin, 4. April 2014, „Hier liegt es nahe, eine Diskriminierung anzunehmen“). An dieser Stelle darf es nicht alleine die Aufgabe der Wissenschaft sein, weitere Aufklärungsarbeit zu leisten. Auch die Landesregierung muss diesbezüglich weitere Untersuchungen anstellen bzw. entsprechende Untersuchungen anstoßen , um den Ansprüchen einer diskriminierungsfreien Gesellschaft gerecht zu werden und eine Chancengleichheit im Bildungssystem herzustellen. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/6073 2 Vorbemerkung der Landesregierung Der Beitrag "Zur Benotung in der Examensvorbereitung und im ersten Examen" (ZDRW 2014. S. 811) ist von der Landesregierung zur Kenntnis genommen worden. Ziel der Untersuchung war in erster Linie die Expertisebildung bei Juristinnen und Juristen und hierbei insbesondere die Frage. inwieweit sich die Teilnahme an den Examensklausurenkursen auf die spätere Note in der staatlichen Pflichtfachprüfung auswirkt. Das Abschneiden von bestimmten Bevölkerungsgruppen in der Staatsprüfung ist nur am Rande untersucht worden. Die Studie belegt nicht. dass Herkunft und Geschlecht von Prüflingen einen Einfluss auf die Examensnote hätten. Davon gehen auch die Autoren der Untersuchung nicht aus. Die Berichterstattung in den Medien ist in dieser Hinsicht teilweise recht verkürzt. Gleichwohl nimmt die Landesregierung auch den bloßen Verdacht einer Benachteiligung von bestimmten Bevölkerungsgruppen sehr ernst. 1. Mit welchen Maßnahmen (wurden Ermittlungen eingeleitet?) hat das Justizminis- terium Nordrhein-Westfalens auf die Erkenntnisse der oben erwähnten wissenschaftlichen Studie reagiert? Unmittelbar nach Bekanntwerden der Studie hat das Justizministerium den Kontakt mit den anderen potentiell betroffenen Ministerien (Ministerium für Arbeit, Integration und Soziales, Ministerium für Gesundheit, Emanzipation, Pflege und Alter, Ministerium für Innovation, Forschung und Wissenschaft) aufgenommen und die weitere Vorgehensweise abgestimmt. In einer Besprechung mit den Justizprüfungsämtern bei den Oberlandesgerichten, die für die Abnahme der staatlichen Pflichtfachprüfung zuständig sind, wurden die Studie und ihre Grundlagen eingehend erörtert. Bei einer Analyse der Forschungsarbeit traten Fragen zu Tage, die Zweifel an der These einer möglichen Diskriminierung aufkommen lassen. Das betrifft beispielsweise die Zusammensetzung der Stichprobe und die ausreichende Berücksichtigung der Anonymität des schriftlichen Prüfungsteils. So kann sich beispielsweise die von den Forschern herangezogene Einteilung der Namen der Prüflinge nach Herkunft nicht im schriftlichen Prüfungsteil, der lediglich unter einer Kennziffer absolviert wird, auswirken. 2. Was sind die nächsten Schritte der Landesregierung, um jeglichen Verdacht auf Diskriminierung im Justizwesen bzw. der akademischen Ausbildung zu vermeiden . Die in der Antwort zu Frage 1) dargelegten Fragen und weitere Aspekte bedürfen einer eingehenden Prüfung im Dialog mit den beteiligten Forschern. Das Justizministerium hat Kontakt mit diesen aufgenommen und wird demnächst in die Erörterung der Einzelfragen eintreten . Ein erstes Gespräch hat bereits stattgefunden. Erst danach kann abgeschätzt werden, wie valide die geäußerten Verdachtsmomente aufgrund der vorliegenden Studie sind. Weitere Forschungsmaßnahmen sind auf jeden Fall wünschenswert (siehe Antwort zu Frage 3). 3. Welche aktive Form der Unterstützung wird die Landesregierung leisten, um wei- tere unabhängige Forschung zur Klärung der Ursachen der in der Studie beobachteten Unterschiede zu ermöglichen? Das Justizministerium beabsichtigt, der Frage einer möglichen Diskriminierung von bestimmten Bevölkerungsgruppen in der Pflichtfachprüfung weiter nachzugehen. An erster Stelle steht dabei der Dialog mit den Forschern, die den entsprechenden Verdacht geäußert ha- LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/6073 3 ben. Nach der kritischen Analyse wird das Justizministerium entscheiden, in welcher Form geeignete Anschlussforschungen gefördert werden können. Dabei kommt ein aus Haushaltsmitteln des Justizministeriums finanziertes Justizforschungsvorhaben in Betracht. Das Justizministerium wird ein solches Vorhaben in enger Abstimmung mit den Ministerien für Arbeit, Integration und Soziales, für Gesundheit, Emanzipation, Pflege und Alter sowie für Innovation, Wissenschaft und Forschung ausgestalten. 4. Liegen der Landesregierung Beschwerden von Studierenden vor, die auf eine Benachteiligung im Prüfungsverfahren hindeuten? Nein. 5. Liegen der Landesregierung Kenntnisse vor, ob in anderen Studienfächern ähn- liche Verdachte aufgekommen sind? Es liegen keine entsprechenden Erkenntnisse vor.