LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/621 15.08.2012 Datum des Originals: 15.08.2012/Ausgegeben: 20.08.2012 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 125 vom 12. Juli 2012 des Abgeordneten Peter Biesenbach CDZ Drucksache 16/244 Das „Bettensteuer“-Urteil des Bundesverwaltungsgerichts – eine weitere Niederlage der Genehmigungspraxis der Landesregierung bei neuen „Bagatellsteuern“ Der Minister für Inneres und Kommunales hat die Kleine Anfrage 125 mit Schreiben vom 15. August 2012 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Finanzminister und dem Minister für Wirtschaft, Energie, Industrie, Mittelstand und Handwerk beantwortet. Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Am 11.07.2012 urteilte das Bundesverwaltungsgericht über die sog. „Bettensteuer“, dass Kommunen nur auf privat veranlasste entgeltliche Übernachtungen Steuern erheben dürfen, nicht aber auf solche, die beruflich bedingt sind. Klagegegenstand waren Satzungen der Städte Trier und Bingen, die eine Kulturförderabgabe für entgeltliche Übernachtungen in ihrem Stadtgebiet erheben. Nach dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts sind diese Satzungen unwirksam. Grund ist, dass die „Bettensteuer“ als örtliche Aufwandssteuer nach Art. 105 Abs. 2a GG die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit erfasse, die darin zum Ausdruck kommt, dass die Verwendung von Einkommen für den persönlichen Lebensbedarf über die Befriedigung des allgemeinen Lebensbedarfs hinausgeht. Bei entgeltlichen Übernachtungen aus privaten oder touristischen Gründen sei dies gegeben, nicht aber bei beruflich bedingten Übernachtungen. Diese dienen gerade nicht der Verwendung, sondern der Erzielung von Einkommen. Erforderlich sei eine Unterscheidung zwischen privaten und berufsbedingten Übernachtungen. Solange dies in der Satzung zur „Bettensteuer“ nicht gegeben ist, sei die Satzung insgesamt unwirksam. In Nordrhein-Westfalen erheben derzeit 5 Städte eine Bettensteuer: Aachen, Bochum, Dortmund , Duisburg und Köln. In vielen weiteren Kommunen, insbesondere Stärkungspaktkom- LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/621 2 munen wie Oberhausen und Mönchengladbach wird die Einführung einer Bettensteuer angedacht . Einzig die Stadt Dortmund nahm in ihrer Satzung zur „Bettensteuer“ nur privat veranlasste Übernachtungen auf. Die anderen Satzungen zur „Bettensteuer“ sehen keine Unterscheidung zwischen berufsbedingten und privaten Übernachtungen vor. Durch den heutigen nordrhein-westfälischen Finanzminister wurde in Köln die Bettensteuer eingeführt, die dann am 1. Oktober 2010 in Kraft getreten ist. Als erste Steuer dieser Art wurde sie von der Landesregierung ausdrücklich genehmigt. Das Verwaltungsgericht Köln erklärte die „Bettensteuer“ für Köln in erster Instanz für rechtmäßig. Derzeit liegt die Berufung gegen das Urteil beim Oberverwaltungsgericht. Ein Vorsitzender Richter erklärte bereits, dass man sich mit dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts auseinandersetzen müsse. Bereits im März 2012 erklärte der bayrische Verwaltungsgerichtshof die „Bettensteuer“ für rechtswidrig. Nach der Urteilsverkündung erklärte die Stadt Köln, dass die die Veranlagung der „Bettensteuer “ zunächst aussetzen wolle, bis zur Klärung der Auswirkungen dieses Urteils auf die Kölner Satzung. Weiterhin räumte die Stadt Köln bereits ein, dass es schwierig sei, zwischen beruflich bedingten und privaten Übernachtungen zu unterscheiden vor dem Hintergrund des Datenschutzes. Vorbemerkung der Landesregierung Die Vorbemerkung der Kleinen Anfrage gibt Anlass zu dem Hinweis, dass Grundlage für die Einführung einer kommunalen Aufwandsteuer grundsätzlich ausschließlich der Beschluss des Rates der Kommune über eine entsprechende Steuersatzung sein kann. So ist die Kulturförderabgabe auch in der Stadt Köln auf der Grundlage des Beschlusses des Rates über die Satzung zur Erhebung einer Kulturförderabgabe im Gebiet der Stadt Köln eingeführt worden und nicht etwa durch den damaligen Kämmerer und heutigen Finanzminister. 1. Wie beurteilt die Landesregierung das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts? Es ist nicht Aufgabe der Landesregierung, Gerichtsentscheidungen zu kommentieren. Im Übrigen liegt das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts im Wortlaut bislang nicht vor. 2. Welchen Handlungsbedarf sieht die Landesregierung vor dem Hintergrund der mittelbaren Auswirkungen der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts für ihre im September 2010 erteilte Genehmigung einer Kulturförderabgabe für Hotelübernachtungen? Keinen. Die Genehmigung der Kulturförderabgabe durch das Ministerium für Inneres und Kommunales und das Finanzministerium erfolgte seinerzeit mit dem Hinweis, dass die Frage, ob die in der Satzung vorgesehene Besteuerung der beruflich bedingten Beherbergungen mit Blick auf das Urteil des BVerwG vom 16.05.2007 - 10 C 1/07 - (Juris) zulässig ist, unter Würdigung aller bekannten und relevanten Aspekte nicht sicher beantwortet werden kann. Der Ausgang der zu erwartenden Klageverfahren gegen die auf Grundlage der vorgelegten Satzung ergehenden Steuerbescheide sei nicht sicher prognostizierbar. Mit der Genehmigung wurde es der Stadt Köln - und den Kommunen in Nordrhein-Westfalen insgesamt - ermög- LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/621 3 licht, selbst zu entscheiden, ob diese die mit der Erhebung der Kulturförderabgabe verbundenen rechtlichen Risiken eingehen wollen. Damit wurde auch dem im Genehmigungsverfahren zu berücksichtigenden Grundsatz kommunalfreundlichen Verhaltens entsprochen (vgl. LT-Drs. 12/3730 S. 116 m.w.N.). 3. Wie beurteilt die Landesregierung die Genehmigungspraxis von "neuen" kom- munalen Aufwandsteuern vor dem Hintergrund des Urteils des Bundesverwaltungsgerichts und welcher Handlungsbedarf wird gesehen? Die Genehmigungspraxis wird als angemessen beurteilt. Es wird kein Handlungsbedarf gesehen . 4. Wie beurteilt die Landesregierung, insbesondere vor dem Hintergrund des enorm erhöhten Verwaltungsaufwands durch eine Unterscheidung zwischen beruflich bedingten und privaten Übernachtungen und möglichen Problemen in der praktischen Umsetzung und Kontrolle, eine "Bettensteuer" nur für private Übernachtungen ? Ob die Erhebung einer Kulturförder- oder Übernachtungsabgabe unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zukünftig auf der kommunalen Ebene praktikabel ist, ist von der jeweiligen Kommune eigenverantwortlich zu entscheiden. 5. Hält es die Landesregierung für klug oder vertrauensbildend, neue kommunale Bagatellsteuern zu genehmigen, wenn diese nicht rechtlich abgesichert sind? Die Frage stellt sich nicht. Im Genehmigungsverfahren nach § 2 KAG beinhaltet die Prüfung der Rechtmäßigkeit einer neuen kommunalen Aufwandsteuer letztlich auch eine Prognose eventueller künftiger Rechtsprechung auf der Grundlage der Bewertungen vorhandener Rechtsprechung und Literatur. Keineswegs kann die Beurteilung durch eine künftige Rechtsprechung zu einer neuen kommunalen Aufwand- steuer vorweg genommen, somit auch keine absolute Rechtssicherheit erzielt werden. Gerade die bislang ergangene, divergierende Rechtsprechung zur Kulturförderabgabe oder "Bettensteuer" zeigt, dass absolute Rechtssicherheit im Zuge der Einführung einer neuen kommunalen Aufwandsteuer nicht erzielt werden kann. So lag im Vorfeld des Urteils des Bundesverwaltungsgerichts nicht nur die vom Fragesteller erwähnte ablehnende Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 22. März 2012 vor. Vielmehr haben die Rechtmäßigkeit der Steuer bejaht das Oberverwaltungsgericht für das Land Rheinland-Pfalz mit Urteil vom 17. Mai 2011, das Thüringer Oberverwaltungsgericht mit Beschlüssen vom 17. und 23. August 2011 sowie die Verwaltungsgerichte Köln und Düsseldorf mit Urteilen vom 06. Juli und 02. Dezember 2011. Ebenso hat die Steuer in der Fachliteratur unterschiedliche rechtliche Bewertungen erfahren. Auch hätte eine Versagung der Genehmigung kein höheres Maß an Rechtssicherheit gebracht, denn diese hätte von der Stadt Köln oder einer anderen Kommune, die die Steuer hätte einführen wollen, mit seinerzeit ungewissem Ausgang beklagt werden können.