LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/6340 18.07.2014 Datum des Originals: 17.07.2014/Ausgegeben: 23.07.2014 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 2380 vom 16. Juni 2014 des Abgeordneten Kai Abruszat FDP Drucksache 16/6077 Stichwahlen in NRW-Kommunen vom 15. Juni 2014 – Welchen Handlungsbedarf sieht die Landesregierung? Der Minister für Inneres und Kommunales hat die Kleine Anfrage 2380 mit Schreiben vom 17. Juli 2014 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit der Ministerin für Bundesangelegenheiten, Europa und Medien beantwortet. Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Das Kommunalwahlrecht ist immer wieder Gegenstand von Debatten im Landtag NordrheinWestfalen . Der Urnengang vom 15. Juni 2014 sollte Anlass sein zu prüfen, ob und in welcher Weise sich gesetzliche Änderungen bewährt haben beziehungsweise welche Ergänzungen und Korrekturen zu diskutieren sind. Die Landtagsfraktionen von SPD, Grünen und FDP hatten bekanntlich in der 15. Wahlperiode die Grundlagen für die Wiedereinführung der Stichwahlen beschlossen. Zu Recht beklagen zahlreiche Akteure auf der kommunalen Ebene und in den Medien die historisch niedrigen Wahlbeteiligungen beim jüngsten Stichwahlgang. So haben sich beispielsweise im Märkischen Kreis lediglich 19,6 % der Wahlberechtigten an der LandratsStichwahl beteiligt. Im Kreis Minden-Lübbecke war es mit 24,6 % auch nicht einmal jeder vierte wahlberechtigte Bürger. Oberbürgermeister-Stichwahlen in Dortmund (30,9 %) und Bielefeld (31,3 %) mobilisierten nicht einmal jeden dritten Wahlberechtigten. Ähnlich trostlos sieht die Wahlbeteiligung bei den Bürgermeister-Stichwahlen im kreisangehörigen Raum aus (zum Beispiel Marl und Datteln mit je 30,77 %). Neben des Problems nach einer möglicherweise mangelnden ausreichenden demokratischen Legitimation des gewählten Amtsinhabers stellt sich aber auch die Frage, ob auch andere Faktoren ursächlich für den Tiefststand bei der Wahlbeteiligung sind und inwieweit Neuerungen zu einer Verbesserung der Wahlbeteiligung führen können. Dabei sollte sowohl die amtliche Wahlbenachrichtigung in den Blick genommen werden als auch LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/6340 2 eine möglicherweise neue Form der Stimmabgabe durch elektronische Kommunikationsmittel. Dieses gilt auch deshalb, da offensichtlich zahlreiche Wahlberechtigte die Möglichkeit, im Wahllokal die Stimme auf „klassische“ Weise abzugeben ebenso wenig nutzen wie die Möglichkeit der – nach Beobachtung des Fragestellers – insgesamt stärker in Anspruch genommenen Möglichkeit der Briefwahl. Vorbemerkung der Landesregierung Die Stichwahl wurde mit der Direktwahl der Hauptverwaltungsbeamten im Oktober 1994 eingeführt. Sie kam erstmals bei der Direktwahl der (Ober-)Bürgermeister/innen und Landrätinnen und Landräte am 12. September 1999 zur Anwendung. Im Jahr 2007 wurde die Stichwahl abgeschafft. Mit ihrer Wiedereinführung im Frühjahr 2011 wurde die Rechtslage wiederhergestellt, wie sie auch in nahezu allen Bundesländern vergleichbar besteht. Sämtliche Flächenländer sehen für die Wahl kommunaler Hauptverwaltungsbeamten einen zweiten Wahlgang vor, wenn im ersten Wahlgang kein/e Bewerber/in mehr als die Hälfte der Stimmen auf sich vereinigt. Mit der Stichwahl soll die demokratische Legitimation der Gewählten, denen als Hauptverwaltungsbeamte in Kreisen und Kommunen eine große Verantwortung zukommt, erhöht werden. Die Wählerinnen und Wähler erhalten mit diesem zweiten Wahlgang nochmals Gelegenheit, mit einem klaren Votum das Wahlverfahren eindeutig zu entscheiden. Vor diesem Hintergrund dürfte es weder im Interesse der Wählerinnen und Wähler noch von Bewerberinnen und Bewerbern liegen, die erst 2011 wiedereingeführte Stichwahl schon wieder abzuschaffen, noch bevor sie im öffentlichen Bewusstsein erneut verankert werden konnte. 1. Wie beurteilt die Landesregierung die historisch niedrigen Wahlbeteiligungen bei den Stichwahlen vom 15. Juni 2014? Eine geringe Wahlbeteiligung ist in erster Linie bei den sieben Stichwahlen der Landräte zu verzeichnen. Die geringste Wahl-beteiligung lag bei 19,6 % (im Märkischen Kreis). Bei den achtundzwanzig Stichwahlen der Bürgermeister/innen lag die Wahlbeteiligung in dreizehn Fällen über 40 %, in drei Fällen davon sogar über 50 % (in Bad Berleburg, Höxter und Westerkappeln). Die einzelnen Wahl-beteiligungen für den ersten und zweiten Wahlgang können der beigefügten Anlage entnommen werden. Insbesondere vor dem Hintergrund einer tendenziell sinkenden Wahlbeteiligung bei Kommunalwahlen stünde ohne eine Stichwahl zu befürchten, dass die/der Gewählte nicht einmal die Mehrheit derer vertritt, die an der Wahl teilgenommen haben. Das aus Haupt- und Stichwahl bestehende Verfahren stellt hingegen eine Einheit dar. Die demokratische Legitimation der Gewählten wird dadurch auch in den Fällen gestärkt, in denen die Wahlbeteiligung bei der Stichwahl gering ist. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/6340 3 2. Zwischen dem Wahlgang am 25. Mai und dem Stichwahlgang am 15. Juni lagen drei Kalenderwochen: Warum wurden nach Informationen des Fragestellers für die Stichwahlgänge keine gesonderten Wahlbenachrichtigungskarten an die Wahl-berechtigten versandt, um an die Stichwahl zu erinnern und insofern die Wahlbeteiligung zu verbessern? Das Kommunalwahlrecht sieht keine Regelung vor, die die Kommunen verpflichtet, die Wähler/innen mittels einer gesonderten Wahlbenachrichtigung über eine Stichwahl zu informieren. Eine derartige Regelung würde die Kosten des Wahlverfahrens, die jede Kommune selbst zu tragen hat, erhöhen. Es obliegt daher den Kommunen im Rahmen der Wahlorganisation eigenverantwortlich zu entscheiden, in welcher Form sie die Wahlberechtigten über eine Stichwahl informieren. Der Landesregierung liegen Erkenntnisse vor, wonach einige Kommunen auch entsprechende Informationskarten an die Wahlberechtigten versandt haben. In der Regel haben die Kommunen zudem auf ihren Internet-Seiten und über die Presse über eine erforderliche Stichwahl informiert. Abgesehen davon werden die verbliebenen Kandidatinnen und Kandidaten und ihre Wahlvorschlagsträger über einen Stichwahltermin informieren und für eine entsprechende Wahlteilnahme werben. Außerdem erfolgt regelmäßig auch eine ausführliche Berichterstattung über die Bewerber/innen sowie Ort und Zeit der Stichwahl in der Ortspresse und über lokale Radiosender. 3. Sofern es keine rechtliche Verpflichtung gibt, Wahlbenachrichtigungskarten für einen Stichwahlgang gesondert zu versenden: Hält die Landesregierung die Einführung einer verpflichtenden Versendung von Wahlbenachrichtigungskarten für eine Stichwahl für geeignet, die Wahlbeteiligung zu erhöhen? Die Landesregierung sieht angesichts der eigenen Zuständigkeit der Kommunen für die Wahlorganisation sowie bereits regelmäßig stattfindender Presse- und Öffentlichkeitsarbeit keine Veranlassung, eine mit zusätzlichen Kosten verbundene separate zweite Wahlbenachrichtigung für eine Stichwahl wahlrechtlich vorzuschreiben. 4. Vor dem Hintergrund, dass das Wahllokal als klassische Form der Stimmabgabe offensichtlich immer weniger auch besonders von jüngeren Wahlberechtigten genutzt wird: Wie beurteilt die Landesregierung die Möglichkeit der Einführung neuer, ergänzender Formen der Stimmabgabe zum Beispiel durch elektronische Kommunikationsmittel? In ihrer jetzigen Form sind z.B. elektronische Kommunikationsmittel nicht für politische Wahlen tauglich. Zum einen erreichen derartige Kommunikationsmittel nur einen Teil der Wahlberechtigten. Zum anderen sind die technischen Voraussetzungen gegenwärtig nicht gegeben, um die Einhaltung der Wahlrechtsgrundsätze einer allgemeinen, gleichen, freien und geheimen Wahl zu gewährleisten. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/6340 4 5. Welche rechtlichen und tatsächlichen Voraussetzungen müssten geschaffen werden, um Stimmabgaben unter Nutzung elektronischer Kommunikationsmittel beziehungsweise des Internets möglich zu machen? Zur Einhaltung der zu Frage 4 genannten Wahlrechtsgrundsätze müsste u.a. gesichert sein, dass  das Stimmverhalten des Einzelnen durch Dritte weder beobachtet noch nachvollzogen werden kann,  nur Wahlberechtigte nur einmal wählen,  der Wahlvorgang für die Wähler/innen transparent bleibt,  ein nachprüfbares und nachzählbares Wahlprotokoll erstellt wird und  Manipulation und Betrug - zumindest weitestgehend - ausgeschlossen sind.