LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/6361 22.07.2014 Datum des Originals: 21.07.2014/Ausgegeben: 25.07.2014 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 2396 vom 23. Juni 2014 des Abgeordneten Kai Abruszat FDP Drucksache 16/6111 Dürfen (Ober-)Bürgermeister und Landräte zukünftig auch ihre Nebeneinkünfte aus Aufsichtsratsmandaten behalten? Der Minister für Inneres und Kommunales hat die Kleine Anfrage 2396 mit Schreiben vom 21. Juli 2014 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Finanzminister und dem Minister für Wirtschaft, Energie, Industrie, Mittelstand und Handwerk beantwortet. Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Nach gängiger Rechtsauffassung und bewährter kommunaler Praxis müssen Hauptverwaltungsbeamte in Nordrhein-Westfalen Einkünfte aus Nebentätigkeiten – beispielsweise aus der Wahrnehmung von Aufsichtsratsmandaten – an die öffentliche Hand abführen. Ausgenommen hiervon sind lediglich Aufwandsentschädigungen/Sitzungsgelder für Tätigkeiten in Gremien kommunaler Kreditinstitute (Sparkassen) sowie grundsätzlich insgesamt bis zu 6.000 Euro aus sonstigen Nebentätigkeiten. Grund für diese Regelung ist auch die Tatsache, dass (Ober-)Bürgermeister und Landräte ihre Aufsichtsratsposten bei Energieversorgern und anderen (kommunalnahen) Unternehmen in der Regel nicht ihrer persönlichen Qualifikation verdanken, sondern aufgrund ihres Wahlamtes in entsprechende Gremien bestellt werden. Ausweislich eines aktuellen Spiegel-Berichts (http://www.spiegel.de/spiegel/vorab/landratfordert -von-nrw-halbe-million-euro-fuer-aufsichtsratsposten-a-976633.html) wird dies nun seitens des früheren Landrats des Rhein-Sieg-Kreises infrage gestellt. Demnach hatte dieser zwischen 2004 und 2013 verschiedene Aufsichtsratsposten im RWE-Konzern inne, für die er Bezüge in Höhe von insgesamt 531.171 Euro erhielt. Zwar führte er diese Gelder ordnungsgemäß an die öffentliche Hand ab, leistete die Zahlungen jedoch „unter Vorbehalt“. Unmittelbar nach seiner Ablösung als Landrat des Rhein-Sieg-Kreises im Zuge der vergangenen Kommunalwahl fordert der ehemalige Landrat nun die Rückerstattung der gezahlten Beträge ein. Hierzu führt er (bzw. der Rhein-Sieg-Kreis) gegenüber der Landesregierung die gesellschaftsrechtliche Begründung an, dass Aufsichtsratsmitglieder LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/6361 2 ohne den Einfluss politischer Gremien durch die Hauptversammlung bestellt und somit eben nicht aufgrund ihres Wahlamtes, sondern aufgrund ihrer persönlichen Fähigkeiten ausgewählt würden. Sollte der ehemalige Landrat sich mit dieser Argumentation durchsetzen, hätte dieses weitreichende Folgen. Zum einen könnten erhebliche Rückzahlungsforderungen anderen öffentlichen Stellen durch weitere, ähnlich gelagerte Fallkonstellationen drohen. Zum anderen müsste das derzeit geltende Nebentätigkeitsrecht dahingehend überprüft werden, ob und in welcher Weise kurzfristig notwendige Veränderungen rechtssicher ausgestaltet werden müssten. Vorbemerkung der Landesregierung Die Ablieferungspflicht für alle Einnahmen aus Tätigkeiten, die ein Beamter im Hauptamt wahrnimmt, folgt für hauptamtliche Hauptverwaltungsbeamte aus dem Grundsatz der vollständigen Alimentation durch den Dienstherrn, der Gesetzesbindung der Besoldung sowie aus dem beamtenrechtlichen Verbot der Annahme von Belohnungen und Geschenken für amtliche Tätigkeiten (vgl. § 42 Abs. 2 BeamtStG, § 58 LBG NRW). Grundsätzlich dürfen Einnahmen aus Nebentätigkeiten behalten werden. Es gelten jedoch Vergütungsverbote bzw. Ablieferungspflichten für Vergütungen aus Nebentätigkeiten im öffentlichen Dienst und gleichgestellten Nebentätigkeiten. Im Land Nordrhein-Westfalen dürfen die Einnahmen aus Nebentätigkeiten im öffentlichen Dienst nach § 13 Abs. 1 Nebentätigkeitsverordnung insgesamt die Höchstgrenze von 6000 € nicht überschreiten. Darüber hinausgehende Vergütungen sind an den Dienstherrn abzuführen. Zum Hauptamt gehören Aufgaben, die dem Beamten durch den Gesetzgeber in Form von Gesetzen, Verordnungen und Satzungen oder durch eine Organisationsentscheidung des Dienstherrn im Rahmen seiner Organisationsgewalt oder in den Grenzen seiner Zuständigkeit zugewiesen wurden (vgl. Meier, NZG, 495, 460). Nach dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 31.03.2011 - 2 C 12.09 - kommt einem Bürgermeister als kommunalem Wahlbeamten (und entsprechend einem Landrat) jedoch eine besondere Stellung im demokratischen Gefüge zu. Dieser besondere Status schließe es aus, die Zuordnung einer einzelnen Tätigkeit zum Hauptamt des Bürgermeisters stets von einer Organisationsentscheidung des Gemeinderates abhängig zu machen. Vielmehr bestimme der Amtsträger innerhalb der durch das Kommunalverfassungsrecht gezogenen Grenzen selbst, welche konkreten Aufgaben mit kommunalem Bezug er in seiner Amtszeit übernimmt und damit zum Teil seines Hauptamtes macht. Werde einem Hauptverwaltungsbeamten die Übernahme eines an seine Amtsstellung gebundenen Mandates im Beirat eines privaten Unternehmens, an dem die Gemeinde beteiligt ist und dessen Leistungen zudem im Zusammenhang mit der gemeindlichen Aufgabe der Daseinsvorsorge stehen, angeboten, so nähme er mit der Annahme dieses Angebotes seine Befugnis wahr, den Pflichtenkreis seines Hauptamtes zu konkretisieren. 1. Wie stellt sich die oben geschilderte Situation aus Sicht der Landesregierung dar? Der Bericht des „Spiegel“ ist der Landesregierung bekannt. Der Rhein-Sieg-Kreis hat die Bezirksregierung Köln mit Schreiben vom 16.06.2014 darüber in Kenntnis gesetzt, dass er beabsichtigt, die von dem ehemaligen Landrat vorbehaltlich abgeführten Vergütungen aus LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/6361 3 den Jahren 2004 bis 2013 für die Aufsichtsratstätigkeit bei der RWE AG, der RWE Energy AG sowie der RWE Rheinland-Westfalen Netz AG an diesen zurückzuzahlen. 2. Welche gleichgelagerten Fallkonstellationen sind der Landesregierung bekannt? Eine gleichgelagerte Fallkonstellation, in der Hauptverwaltungsbeamte die Vergütung aus einer Tätigkeit als Aufsichtsratsmitglied einer Aktiengesellschaft nicht oder nur unter Vorbehalt an die Kommune abgeführt haben, ist der Landesregierung nicht bekannt. 3. Lässt sich aus dem Gesellschaftsrecht oder anderen Normen für Hauptverwaltungsbeamte ein Recht auf Einbehaltung von Nebeneinkünften (jenseits der Sparkassenbezüge und des Selbstbehalts von 6.000 Euro) ableiten? Die Abführungspflicht folgt - auf der Grundlage des Beamtenrechts - aus dem Rechtsverhältnis des Beamten zu seinem Dienstherrn. 4. Was plant die Landesregierung hinsichtlich der Rückzahlungsforderungen des ehemaligen Landrats des Rhein-Sieg-Kreises konkret zu unternehmen? Die Bezirksregierung Köln hat mit Schreiben vom 24.06.2014 an den Rhein-Sieg-Kreis eine Überprüfung angekündigt und den Kreis gleichzeitig darum gebeten, bis zu einer abschließenden Antwort von einer Rückzahlung der abgeführten Vergütungen an den ehemaligen Landrat abzusehen. 5. Inwieweit sieht die Landesregierung grundsätzlich gesetzgeberischen beziehungsweise rechtssetzenden Handlungsbedarf? Die Landesregierung wird sich dieser Frage nach Abschluss der Überprüfung durch die Bezirksregierung Köln zuwenden.