LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/6458 31.07.2014 Datum des Originals: 31.07.2014/Ausgegeben: 05.08.2014 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 2471 vom 9. Juli 2014 der Abgeordneten Henning Höhne und Karlheinz Busen FDP Drucksache 16/6286 Verdacht der illegalen Giftmüllverbrennung in Biogasanlagen – was sagt die Landes- regierung zur Situation in Nordrhein-Westfalen? Der Minister für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz hat die Kleine Anfrage 2471 mit Schreiben vom 31. Juli 2014 namens der Landesregierung beantwortet. Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Aktuellen Presseberichten zufolge ermittelt die Staatsanwaltschaft Osnabrück seit dem Jahr 2013 wegen des Verdachts, dass Betreiber von Biogasanlagen in mehreren niedersächsischen Landkreisen illegal giftige Sonderabfälle einer niederländischen Entsorgungsfirma in ihren Biogasanlagen verfeuert haben sollen. Wie die taz vom 01. Juli 2014 berichtet, sollen nach Angaben des niedersächsischen Umweltministeriums Klärschlämme, Lackschlämme und Rückstände aus der Klebstoffproduktion per Umweg über die Biogasproduktion entsorgt worden sein, indem der Industriemüll dazu anderen, für die Vergärung vorgesehenen, Abfällen beigemischt worden sei. Da Gärreste aus Biogasanlagen auch als Dünger auf Äckern verwendet werden, ist nicht auszuschließen, dass größere Rückstände giftiger Chemikalien auf landwirtschaftlich genutzte Flächen und damit in Lebensmittel gelangen und so Biogasanlagenbetreiber, Landwirte und Verbraucher zum Opfer krimineller und potentiell akut gesundheitsschädigender Handlungen geworden sind. Dies sei in Niedersachsen möglich geworden, weil der Ausgang der Biogasanlagen nur unzureichend beprobt werde, wie die taz unter Verweis auf das niedersächsische Umweltministerium weiter berichtet. Untersucht werde nur der „Massenstrom von 2.000 Tonnen“. Bei den LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/6458 2 Analysen müsste man daher im Vorfeld bereits wissen, nach welchen konkreten Giftstoffen gesucht wird. „Nur ganz grober Missbrauch könne überhaupt erkannt werden. 1. Gibt es konkrete Hinweise darauf, dass auch in nordrhein-westfälischen Biogas- anlagen giftige Sonderabfälle verarbeitet wurden? Aktuell hat die nordrhein-westfälische Landesregierung den Hinweis erhalten, dass auch gegen zwei Biogasanlagenbetreiber mit Sitz in Nordrhein-Westfalen staatsanwaltschaftliche Ermittlungen wegen des Verdachts des unerlaubten Umgangs mit Abfällen durchgeführt wurden. 2. Welche Gefahren für Verbraucher sieht die Landesregierung in der Ausbringung kontaminierter Gärreste auf landwirtschaftliche Flächen? 4. Welche Maßnahmen hat die Landesregierung bei Bekanntwerden der Vorfälle aus Niedersachsen ergriffen? Das Ministerium für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz hat über die Bezirksregierungen veranlasst, dass die zuständigen unteren Umweltschutzbehörden die beiden Anlagen überprüfen. Es handelt sich gemäß Berichten der beiden zuständigen Kreise um Biogasanlagen, die in der Vergangenheit neben Einsatzstoffen aus der Landwirtschaft, wie z.B. Gülle, auch Bioabfälle eingesetzt haben (Kofermentationsanlagen). Die Staatsanwaltschaft hat das Verfahren gegen einen Betreiber nach § 153 Abs. 1 Strafprozessordnung bereits eingestellt und das Verfahren an den zuständigen Kreis zur weiteren Verfolgung abgegeben. Dieser hat mit Bescheid vom 24.10.2013 dem Anlagenbetreiber ein Bußgeld auferlegt. Nach Auskunft des Kreises werden seit Mitte 2012 in der Anlage ausschließlich Gülle und nachwachsende Rohstoffe eingesetzt. Weiter hat der Kreis berichtet, dass die Untersuchungsergebnisse des Input-Materials und der Gärreste keine Hinweise auf erhöhte Schwermetallfrachten im Zusammenhang mit möglicherweise unerlaubt eingesetzten Abfällen ergaben. Auch eine Auswertung von Bodenproben im Rahmen der Überprüfung der Anforderungen der Bioabfallverordnung aus den Jahren 2009 und 2012 zeigte keine Hinweise auf einen Anstieg von Schwermetallgehalten. Auch gegen den zweiten Betreiber wurden staatsanwaltliche Ermittlungen eingeleitet und der Kreis um Amtshilfe gebeten. Nach Mitteilung des Kreises ergab die Analytik einer Probe im März 2013 keine Hinweise auf unzulässige Belastungen. Daher hat der Kreis eine zuvor erlassene Ordnungsverfügung zur Untersagung der landwirtschaftlichen Verwertung der Gärreste wieder aufgehoben. Bei einer Überprüfung der Anlage wurden laut Bericht des Kreises auch Verstöße gegen veterinärrechtliche, abfallrechtliche und immissionsschutzrechtliche Vorschriften festgestellt. Diese Ordnungswidrigkeiten werden im anhängigen Strafverfahren berücksichtigt. Laut Bericht des Kreises werden inzwischen nur noch nachwachsende Rohstoffe in der Anlage eingesetzt. 3. Welche Kontrollen auf giftige Chemikalien finden bei der Vergärung in nordrhein- westfälischen Biogasanlagen statt? In Biogasanlagen, die ausschließlich für die Vergärung angebaute Pflanzen (i.d.R. Mais) und/oder Wirtschaftsdünger (Gülle) einsetzen, finden keine Inputkontrollen statt. Dies sind etwa 95% der insgesamt rund 600 Biogasanlagen in Nordrhein-Westfalen. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/6458 3 Für Betreiber von Biogasanlagen, die Abfälle einsetzen, gelten die Anforderungen der Bioabfallverordnung . Danach darf der Bioabfallbehandler nur Stoffe in seiner Anlage einsetzen, von denen in unvermischter Form angenommen werden kann, dass keine Anhaltspunkte für überhöhte Schadstoffgehalte bestehen. Regelmäßige Inputkontrollen schreibt die Bioabfallverordnung nicht vor. Allerdings muss jede angelieferte Charge des unvermischten Materials einschließlich dessen Herkunft bis zur Anfallstelle dokumentiert werden. Damit wird die Rückverfolgbarkeit gewährleistet. Das Ministerium für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz des Landes Nordrhein-Westfalen hat am 12. März 2012 abfallwirtschaftliche Anforderungen an die Errichtung und den Betrieb von Kofermentationsanlagen im Bereich der Landwirtschaft in den Vollzug eingeführt. In einer Positivliste sind diejenigen Abfälle aufgeführt, für die keine Hinweise auf eine besondere Schadstoffproblematik vorliegen. Beim Einsatz anderer Bioabfälle sind besondere Anforderungen zu erfüllen. Für diese Bioabfälle soll die zuständige Behörde auch Identifikationsanalysen festlegen. Outputkontrollen finden nach den Vorschriften des Düngerechts und der Bioabfallverordnung statt. Bei den Kontrollen nach Düngerecht prüft die Düngemittelverkehrskontrolle die Einhaltung der Anforderungen der Düngemittelverordnung, die Grenzwerte für Schadstoffe (Schwermetalle , PFT, Dioxine) enthält. Neben umfassenden Buchprüfungen werden auch Analysen der Gärreste durchgeführt. Die Auswahl der zu kontrollierenden Betriebe erfolgt nach Risikokriterien , zu denen auch die Einsatzstoffe nach Risikoklassen gehören. In 2013 hat die Düngemittelverkehrskontrolle in Nordrhein-Westfalen 17 Biogasanlagen, davon 12 Bioabfall behandelnde Anlagen, überprüft. Hinsichtlich einer möglichen Schadstoffbelastung gab es keine auffälligen Befunde. Bei Biogasanlagen, die Abfälle einsetzen, finden regelmäßige Outputkontrollen nach den Vorgaben der Bioabfallverordnung statt. Der Bioabfallbehandler hat jeweils eine Untersuchung auf die Schwermetalle Blei, Cadmium, Chrom, Kupfer, Nickel, Quecksilber und Zink sowie auf den pH-Wert, den Salzgehalt, Glühverlust, Trockenrückstand und den Anteil an Fremdstoffen und Steinen durchführen zu lassen. Bestehen Anhaltspunkte für überhöhte Gehalte an weiteren Schadstoffen, sind diese ebenfalls zu untersuchen. 5. Wie steht die Landesregierung zu dem Vorschlag, generell von dem zur Vergä- rung in Biogasanlagen angelieferten Material Rückstellproben zu nehmen und vermehrt Stichprobenkontrollen durchzuführen? Biogasanlagen unterliegen neben düngerechtlichen auch umweltrechtlichen Kontrollen. So werden Umweltinspektionen gemäß dem Erlass des Umweltministeriums NordrheinWestfalen vom 24.09.2012 über die risikobasierte Planung von medienübergreifenden Umweltinspektionen durchgeführt. Diese Inspektionen betreffen die Überwachung von Anlagen, deren Emissionen sowie die Abfallstromkontrolle. Zur Durchführung dieser medienübergreifenden Regelüberwachung erstellen die Umweltbehörden eine systematische Planung, die auf einer risikobasierten Prioritätensetzung basiert. Die Inspektionspläne weisen Zeitintervalle aus, in denen bestimmte Anlagen zu überwachen sind. Zudem kontrolliert die Düngemittelverkehrskontrolle, ob die Vorschriften der Düngemittelverordnung , einschließlich der dort genannten Grenzwerte für relevante Schadstoffparameter eingehalten werden.