LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/6475 05.08.2014 Datum des Originals: 04.08.2014/Ausgegeben: 08.08.2014 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 2443 vom 2. Juli 2014 des Abgeordneten André Kuper CDU Drucksache 16/6253 Drohende Insolvenz auch von nordrhein-westfälischen Stadtwerken? Der Minister für Inneres und Kommunales hat die Kleine Anfrage 2443 mit Schreiben vom 4. August 2014 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister für Wirtschaft , Energie, Industrie, Mittelstand und Handwerk, dem Minister für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz und dem Minister für Bauen, Wohnen, Stadtentwicklung und Verkehr beantwortet. Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Zum ersten Mal in der Geschichte deutscher Stadtwerke kommt es zur endgültigen Zahlungsunfähigkeit . Die Gera AG hat, laut einem Artikel der Süddeutschen Zeitung vom 02.07.2014, nun Insolvenz anmelden müssen. Dies liege vor allem an den Gewinneinbrüchen der Kraftwerke, welche sich durch einen radikalen Preisverfall am Strommarkt einstellen . Im Fall Gera fehle es den Stadtwerken sogar an Mitteln den öffentlichen Personennahverkehr weiterhin zu finanzieren, denn es sei ungewiss, ob die regelmäßigen Zahlungen der Stadtwerke zum Ausgleich der Verluste beim Verkehrsbetrieb nun weiter fließen werden. Als Möglichkeit zur Aufrechterhaltung des Verkehrsbetriebs wird, so die Ostthüringer Zeitung, in einem Schreiben des Geschäftsführers der Verkehrsbetriebe auch eine Finanzspritze der Stadt genannt. Für die deutschen Stadtwerke, allen voran die nordrhein-westfälischen, bedeutet dies eine nicht zu verachtende Warnung. Auch die Lage einiger Stadtwerke Nordrhein-Westfalens soll brisant sein. So gibt Nordrhein-Westfalens Wirtschaftsminister Garrelt Duin zu bedenken, dass viele Unternehmen mit dem Rücken zur Wand stehen. Gerade solche Stadtwerke, welche in der konventionellen Stromerzeugung durch Gas- und Kohlekraftwerke tätig sind, müssen ihr Geschäftsmodell überarbeiten, so eine Studie der Unternehmensberatung PWC. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/6475 2 Ein weiteres Problem ergibt sich aus dem Umstand, dass viele nordrhein-westfälische Stadtwerke Großaktionäre des Energiekonzerns RWE sind, welcher jedoch mit sinkenden Dividenden und einem drastischen Kursverfall zu kämpfen hat. Auf Grund der hohen Verluste auf Seiten der Stadtwerke müssen diese darüber nachdenken , Kürzungen in den Ausschüttungen von Gewinnen zu tätigen, welche jedoch oft zur Abdeckung von defizitären Einrichtungen der Städte vorgesehen sind. Dies würde eine erhebliche Einschränkung der Bürger mit sich bringen, und bedeutet möglicherweise, wie im Extremfall Gera, die Gefahr der Einstellung von öffentlichen Dienstleistungen, wie dem Personennahverkehr . 1. Wie beurteilt die Landesregierung die finanziell kritische Lage der nordrhein- westfälischen Stadtwerke? Soweit kommunale Energieversorger Stromerzeugung auf fossiler Basis betreiben, ist die Rentabilität der dafür eingesetzten Anlagen durch sinkende Strombörsenpreise und abnehmende Betriebslaufzeiten zunehmend nicht mehr gegeben. Angesichts einer Vielzahl von Stadtwerken mit unterschiedlich ausgeprägtem Engagement in der Energieerzeugung stellt sich die finanzielle Lage dementsprechend uneinheitlich dar. Konkrete Angaben zu einzelnen Stadtwerken liegen der Landesregierung nicht vor. 2. Welche Hinweise gibt es auf die Insolvenz von Stadtwerken des Landes Nordrhein -Westfalen? Die Landesregierung hat keine Kenntnis über bevorstehende Insolvenzen nordrheinwestfälischer Stadtwerke. Jedoch nimmt sie die aus der Branche kommenden Signale über eine zu beobachtende Verschlechterung der individuellen wirtschaftlichen Situation sehr ernst. Auf die Antwort zu Frage 1 wird ergänzend verwiesen. 3. Wie beurteilt die Landesregierung die mittelbaren Auswirkungen von finanziellen Problemen von Stadtwerken für die betroffenen Kommunen? 4. Hält es die Landesregierung für möglich, dass es durch Einschränkungen der Gewinnausschüttungen der Stadtwerke zu einer finanziellen Problematik der betroffenen Städte kommen könnte? Aus Gründen des Sachzusammenhangs werden die Fragen 3 und 4 gemeinsam beantwortet . Der Landesregierung liegen keine umfassenden auf ganz Nordrhein-Westfalen bezogenen Auflistungen über kommunale Beteiligungen, deren Vermögen und Angaben über an die kommunalen Kernhaushalte erfolgte Gewinnabführungen vor. Im Hinblick auf die Situation in den einzelnen Kommunen ist auf die rechtlich vorgeschriebenen Beteiligungsberichte der Kommunen zu verweisen. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/6475 3 5. Wie beurteilt die Landesregierung die Notwendigkeit von Maßnahmen, um eine mögliche Insolvenz der nordrhein-westfälischen Stadtwerke abzuwenden? Um die Rentabilität der zur Flankierung des weiteren Ausbaus der Erneuerbaren Energien in Deutschland noch benötigten hocheffizienten, flexiblen konventionellen Kraftwerke zu erhalten , muss eine Überarbeitung des aktuellen Strommarktdesigns erfolgen. Dazu beabsichtigt die Bundesregierung lt. Koalitionsvertrag u. a. „mittelfristig ein[en] Kapazitätsmechanismus zu entwickeln, unter dem Gesichtspunkt der Kosteneffizienz[,] im Einklang mit europäischen Regelungen und unter Gewährleistung wettbewerblicher und technologieoffener Lösung“. Die Landesregierung wird sich in den von der Bundesregierung angestoßenen Prozess zur Weiterentwicklung des Strommarktdesigns einbringen.