LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/6495 06.08.2014 Datum des Originals: 05.08.2014/Ausgegeben: 11.08.2014 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 2473 vom 9. Juli 2014 der Abgeordneten Ralf Witzel und Henning Höne FDP Drucksache 16/6289 Interessengeleitete Vermögensberatung von Lottogewinnern bei WestLotto – Welche dubiose Kooperation zwischen dem staatlichen Glücksspielunternehmen und Banken hat jahrelang auf Veranlassung der WestLB vorgelegen? Der Minister für Inneres und Kommunales hat die Kleine Anfrage 2473 mit Schreiben vom 5. August 2014 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Finanzminister beantwortet . Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Die negative Berichterstattung im Zusammenhang mit der staatlichen Lottogesellschaft WestLotto, die unter der Aufsicht des nordrhein-westfälischen Finanzministeriums sowie des Innenministeriums steht, reißt nicht ab. Bereits im April dieses Jahres hat das Landgericht Münster eine Privatbank zur Zahlung von Schadensersatz in Höhe von rund einer halben Million Euro an einen Lottogewinner aus dem Ruhrgebiet verurteilt. Der WDR berichtet am 24. April 2014, dass die Familie des Lottogewinners nach Gesprächen mit einem Gewinnberater von WestLotto in Münster und der Privatbank Merck Finck & Co viel Geld in sogenannte geschlossene Fonds investierte, die teils hochriskant waren. Die Anlagen erbrachten nicht den erwarteten Gewinn, schrieben Verluste oder sind inzwischen sogar komplett geplatzt. In diesem Prozess erklärten die klagenden Lottogewinner WDR-Medienberichten zufolge unter anderem, dass sie von WestLotto an die Privatbank "verwiesen worden" seien. Die Bank hat dieser Darstellung im Prozess jedenfalls nicht widersprochen. Das Unternehmen WestLotto in öffentlicher Hand räumt außerdem ein, einer seiner Angestellten sei mit den Lottogewinnern aus dem Ruhrgebiet zusammen beim Erstgespräch in der Bank gewesen. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/6495 2 Am 9. Mai 2014 berichtet der WDR von „Nervosität hinter den Kulissen“, unbeantworteten Fragen und Untersuchungen des Innen- und Finanzministeriums zum Sachverhalt, ob sich ein WestLotto-Beschäftigter von Banken einladen lassen darf: „Soviel ist unbestritten: Ein Gewinnerbetreuer von WestLotto in Münster hat sich von Banken einladen lassen. Das Glücksspielunternehmen mit staatlichem Auftrag hat bestätigt, dass einer seiner Mitarbeiter jeweils ein Spiel auf Schalke und eines in der Allianz-Arena in München besucht hat – auf Einladung von zwei verschiedenen Banken.“ Es handelt sich dabei offenbar um Geldinstitute, bei denen auch Lottogewinner Anlagen mit hohen Summen getätigt haben. WestLotto hat von den Einladungen gewusst und rechtfertigt sich: „Die Stadionbesuche auf Bankkosten seien dem Unternehmen bekannt gewesen“ und "diese Einladungen befinden sich im üblichen Rahmen für Einladungen dieser Art und damit in Übereinstimmung mit den Compliance-Grundsätzen." Die Compliance-Grundsätze des Glückspielunternehmens in öffentlicher Hand sind jedoch nicht allgemein bekannt, und diese Aussagen verwundern zudem, wenn man die strengen Regelungen der öffentlichen Hand an anderer Stelle zum Vergleich heranzieht, wie es der WDR am 9. Mai 2014 tut: „Die Kreisverwaltung Borken erklärt, bei ihr dürften Mitarbeiter grundsätzlich nichts annehmen , außer Kleinigkeiten wie Erfrischungen und übliche Werbegeschenke wie Kalender, die einen Wert von zehn Euro nicht überschreiten. Bei der Stadtverwaltung Münster gilt eine Obergrenze von 13 Euro pro Jahr für Getränke, belegte Brötchen oder Kugelschreiber. Bei der Bezirksregierung Münster heißt es, eine übliche Bewirtung mit Saft, Wasser und Kaffee sei in Ordnung. Die Behörden betonen einstimmig: Eine Einladung zu einem Fußballspiel in einem Erstligastadion sei auf keinen Fall erlaubt, wenn es dafür keinen dienstlichen Grund gibt.“ Laut Handelsblatt vom 15. Juni 2014 verdichten sich zunehmend „Hinweise auf Kungelei zwischen Westlotto und dem Bankhaus Merck Finck“. Der Spiegel berichtet am 16. Juni 2014: „Neben dem Gewinnberater [Name durch Verfasser entfernt], von dem sich Westlotto inzwischen getrennt hat, und dem jüngst beurlaubten Merck-Finck-Direktor [Name durch Verfasser entfernt] haben auch der langjährige Westlotto-Referatsleiter [Name durch Verfasser entfernt] und der Münsteraner Merck- Finck-Chef [Name durch Verfasser entfernt] zulasten von Lotto-Gewinnern miteinander gekungelt. Dabei folgten sie offenbar einer seit Jahrzehnten gängigen Praxis, Westlotto-Gewinner zu einer bestimmten Bank zu lotsen. Dies reicht in jene Zeit vor 2002 zurück, als Westlotto ein Tochterunternehmen der mittlerweile zerschlagenen Landesbank WestLB war. Einem ehemaligen WestLB-Mitarbeiter zufolge habe Westlotto schon damals die Adressen der Gewinner "zur WestLB herübergeschoben". Vor dem Hintergrund der anhaltenden negativen Berichterstattung über ein staatliches Glücksspielunternehmen, dem zahlreiche nordrhein-westfälische Bürger regelmäßig ihr Geld anvertrauen und der daraus auch resultierenden Verantwortung für diejenigen, die Gewinne in Millionenhöhe daraus erzielen, ist es notwendig, das Landesparlament umfassend über die beschriebenen Vorgänge zu informieren und auch entsprechende Konsequenzen für die Zukunft zu ziehen. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/6495 3 Vorbemerkung der Landesregierung Die Westdeutsche Lotterie GmbH und Co. OHG (WestLotto) unterliegt als Beteiligung der NRW.BANK der Glücksspielaufsicht des Ministeriums für Inneres und Kommunales und der Beteiligungsverwaltung des Finanzministeriums. Der Glücksspielaufsicht obliegt es, über die Einhaltung der gesetzlichen Pflichten nach den Regelungen des Glücksspielstaatsvertrages und des Landesausführungsgesetzes zu wachen . Diese beziehen sich insbesondere auf die Erlaubnis und die Durchführung des Glücksspiels und die Verhinderung der damit verbundenen spezifischen Gefahren (u.a. Jugendschutz und Spielsuchtprävention). Der hier in Rede stehende Sachverhalt der Gewinnerbetreuung und die in diesem Zusammenhang erhobenen Vorwürfe insbesondere gegen einen Mitarbeiter des Unternehmens unterliegen in erster Linie der Kontrolle durch das Unternehmen bzw. nachgelagert durch dessen Aufsichtsrat. Der Aufsichtsrat (seit 4/2014) bzw. der Beirat des Unternehmens WestLotto als dessen Vorgängergremium (bis 3/2014) ist neben zwei Gesellschaftervertretern und zwei Belegschaftsvertreterinnen mit je einem vom Ministerium für Inneres und Kommunales und vom Finanzministerium entsandten Vertreter besetzt. Die nachfolgenden Antworten beziehen sich auf Informationen, die den genannten Ministerien im Hinblick auf deren Relevanz für ihre Aufgaben zugänglich gemacht wurden. 1. Welche einzelnen Informationen liegen der Landes-regierung, bitte unter Angabe des Zeitpunktes ihres Bekannt-werdens, zum beschriebenen Sachverhalt über die Vorgänge im Zusammenhang mit dem staatlichen Glücksspielunternehmen WestLotto vor? Das Ministerium für Inneres und Kommunales erhielt von den Vorwürfen gegen WestLotto erstmalig am 10.05.2013 durch eine Anfrage der Redaktion Monitor Kenntnis. Am 13.05.2013 teilte das Unternehmen dem Ministerium für Inneres und Kommunales mit, dass WestLotto seinen Gewinnern das Bankhaus Merck Finck und Co. nicht als einzige Bank empfehle. Die Auswahl einer Bank sei ausschließlich Sache des Gewinners. Hierzu erfolgte am 24.05.2013 eine weitere Information des Unternehmens, wonach Überweisungen an die Gewinner über diverse Geldinstitute abgewickelt würden. Mit Schreiben der Rechtsanwälte Haas und Partner vom 26.02.2014 erhielt das Ministerium für Inneres und Kommunales Kenntnis von einem weiteren Vorwurf einseitiger Gewinnervermittlung an das Bankhaus Merck Finck & Co. durch WestLotto. Am 14.04.2014 hat das Unternehmen über grundsätzliche Änderungen im Bereich der Gewinnerbetreuung informiert und mitgeteilt, dass seit Oktober 2013 im Rahmen der Gewinnerbetreuung auf eine explizite Nennung einzelner Kreditinstitute verzichtet werde. Daneben seien Anpassungen der Compliance-Regelungen erfolgt. Am 15.04.2014 hat das Unternehmen dem Finanzministerium gegenüber die Historie der Gewinnerbetreuung skizziert. Am 24.04.2014 informierte das Unternehmen darüber, dass das Bankhaus Merck Finck & Co. durch das Landgericht Münster zu einer Schadenersatzzahlung an ehemalige Gewinner in Höhe von 500.000,-- Euro verurteilt wurde. Am 12.05.2014 teilte WestLotto mit, eine Anwaltskanzlei mit einer internen Untersuchung zur Gewinnerbetreuung beauftragt und die Staatsanwaltschaft eingeschaltet zu haben. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/6495 4 Am 23.05.2014 informierte das Unternehmen über die erfolgte Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit dem Gewinnerbetreuer des Unternehmens und über eine in die Wege geleitete komplette Überarbeitung der Compliance Regelungen. Am 13.06.2014 wies das Unternehmen das Finanzministerium auf eine mögliche erneute Berichterstattung in den Medien hin, bei der auch ein Bezug zur seinerzeitigen Westdeutschen Landesbank Girozentrale nicht ausgeschlossen werden könne. 2. Was haben die Einladungen von Banken an Beschäftigte des Unternehmens WestLotto jeweils im Einzelnen beinhaltet? Die Geschäftsführung von WestLotto hat am 12.05.2014 darüber informiert, zur möglichst umfassenden Aufklärung der Sachverhalte eine in Compliance-Fragen renommierte Anwaltskanzlei mit einer umfassenden Untersuchung der in Rede stehenden Vorwürfe beauftragt zu haben. Die Ergebnisse liegen zum Zeitpunkt der Abfassung der Antwort noch nicht vor, werden aber kurzfristig erwartet. 3. Welche Erkenntnisse hat die Überprüfung der Compliance-Regeln des Unter- nehmens WestLotto durch die beiden aufsichtsführenden Ministerien hervorgebracht ? Wie beschrieben, ist Gegenstand der anwaltlichen Untersuchungen auch die Analyse der Angemessenheit und die sich hieraus gegebenenfalls ergebende Weiterentwicklung der Compliance-Regelungen des Unternehmens auf Marktstandards. Aufgrund der Vorgänge hat das Unternehmen in einem ersten Schritt die Annahme von Einladungen deutlich verschärft und die Annahme von Geschenken für alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Unternehmens bis auf weiteres ausgesetzt. Zu den Ergebnissen der Untersuchung siehe Antwort auf Frage 2. 4. Welche vergleichbaren Sachverhalte von interessen-geleiteten Kooperationen gibt es in anderen Unternehmen mit Beteiligungsanteilen des Landes? Der Landesregierung sind keine vergleichbaren Sachverhalte von interessengeleiteten Kooperationen bekannt. 5. Welche einzelnen Maßnahmen initiiert die Landesregierung, um gegen die Vor- gänge bei WestLotto vorzugehen? Die in Kürze erwarteten Ergebnisse der anwaltlichen Untersuchung sind zunächst abzuwarten .