LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/6541 14.08.2014 Datum des Originals: 12.08.2014/Ausgegeben: 19.08.2014 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 2518 vom 21. Juli 2014 der Abgeordneten Ina Scharrenbach CDU Drucksache 16/6363 Inklusion und Offener Ganztag an Grundschulen in Nordrhein-Westfalen Die Ministerin für Schule und Weiterbildung hat die Kleine Anfrage 2518 mit Schreiben vom 12. August 2014 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Finanzminister und dem Minister für Inneres und Kommunales beantwortet. Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Zum 1. August 2014 wird das 9. Schulrechtsänderungsgesetz in Nordrhein-Westfalen in Kraft treten. Gem. § 19 Abs. 5 SchulG entscheidet die Schulaufsichtsbehörde auf Antrag der Eltern über den Bedarf an sonderpädagogischer Förderung und die Förderschwerpunkte. In Ausnahmefällen kann eine allgemeine Schule den Antrag stellen, insbesondere wenn ein Schüler nicht zielgleich unterrichtet werden kann oder bei einem vermuteten Bedarf an sonderpädagogischer Förderung im Förderschwerpunkt „emotionale und soziale Entwicklung“, der mit einer Selbst- oder Fremdgefährdung einhergeht. Bei einem vermuteten Bedarf an sonderpädagogischer Unterstützung im Förderschwerpunkt „Lernen“ kann die allgemeine Schule den Antrag in der Regel erst stellen, wenn ein Schüler die Schuleingangsphase der Grundschule im dritten Jahr besucht. Die Landesregierung führt hierzu aus, dass Eltern oftmals fürchten, dass mit der Feststellung eines sonderpädagogischen Unterstützungsbedarfs durch die Schulaufsicht eine Stigmatisierung ihrer Kinder verbunden ist. Daher sollen vom Schuljahr 2014/2015 an, notwendige Lehrerstellen für eine sonderpädagogische Förderung im Bereich der „Lern- und Entwicklungsstörungen “ im Rahmen von regionalen Stellenbudgets zur Verfügung gestellt werden. Dieser Schritt, so die Landesregierung weiter, führt dazu, dass die notwendigen Stellen für sonderpädagogische Förderung im Bereich der „Lern- und Entwicklungsstörungen“ unabhängig LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/6541 2 davon zur Verfügung stehen, ob Eltern einen Antrag auf Feststellung eines sonderpädagogischen Unterstützungsbedarfs stellen oder nicht. Im Entwurf einer Verordnung zur Änderung der Ausbildungsordnung sonderpädagogische Förderung (AO-SF) vom 16. Januar 2014 (Drs.-Nr. 16/1558) wird ausgeführt, dass es mit der Einrichtung von Stellenbudgets im Bereich der „Lern- und Entwicklungsstörungen“ grundsätzlich nicht mehr nötig sein wird, dass der Bedarf eines Kindes an sonderpädagogischer Unterstützung in diesen Bereichen im Rahmen eines Verwaltungsaktes festgestellt wird, damit zusätzliche Lehrerressourcen bereitgestellt werden. Die Regelung (Antragsmöglichkeit der Grundschule) soll sicherstellen, dass die Schuleingangsphase der Grundschule genutzt wird, um alle Möglichkeiten der Förderung auszuschöpfen. Im Runderlass des Ministeriums für Schule, Jugend und Kinder vom 12. Februar 2003 (BASS 11-02 Nr. 19) „Zuwendungen für die Durchführung außerunterrichtlicher Angebote offener Ganztagsschulen im Primarbereich“ wird hingegen noch ausdrücklich an geteilten Zuwendungssätzen für Kinder mit und ohne festgestellten sonderpädagogischen Unterstützungsbedarf festgehalten. Während der Grundfestbetrag 700,00 Euro pro Schüler beträgt, beläuft sich dieser derzeit für Kinder mit einem festgestelltem Unterstützungsbedarf auf 1.400,00 Euro pro Schuljahr. Zusätzlich werden Lehrerstellen nach einem Stellenschlüssel von 0,2 Lehrerstellen pro 25 Schüler oder pro 12 Schüler mit sonderpädagogischem Unterstützungsbedarf zugewiesen . Darüber hinaus regelt der genannte Erlass, dass in Pilotregionen mit Kompetenzzentren für sonderpädagogische Förderung auch Kinder ohne formal festgestellten sonderpädagogischen Unterstützungsbedarf mit erhöhten Fördersätzen berücksichtigt werden können, wenn sie in den Grundschulen umfassend sonderpädagogisch gefördert werden. Die Ksf laufen per 9. Schulrechtsänderungsgesetz zum 31. Juli 2014 aus. Vorbemerkung der Landesregierung Der Kleinen Anfrage 2518 liegt offenbar noch der veraltete Stand der OGS-Förderrichtlinie zu Grunde. Die Richtlinie wurde am 20.12.2013 (ABL. NRW 2/14 Seite 80 i. V. m. BASS 11-02 Nr. 19) geändert, so dass die bisher für die „Kompetenzzentren“ geltende Regelung für alle Regionen gilt. Bei der Antragstellung ergab sich ein deutlicher Anstieg der Plätze, für die ein höherer Fördersatz beantragt wurde. Bei der Bewilligung wurde entsprechend der Neufassung des Erlasses eine landesweite Quote von 7,35 % für das Verhältnis von Plätzen mit grundständiger und erhöhter Förderung angenommen. Dieses Verhältnis entspricht dem Stand des Schuljahres 2013/2014. Bei der Verteilung können sich vor Ort unterschiedliche Quoten ergeben. Im Ergebnis wurden alle Plätze bewilligt, nicht jedoch alle in der beantragten Höhe. 1. Muss jetzt jede Grundschule in Nordrhein-Westfalen ihre Konzeption auf die fle- xible Schuleingangsphase hin ausrichten, damit alle Möglichkeiten der Förderung ausgeschöpft werden können? Nein. Das am 1. August 2014 in Kraft getretene Erste Gesetz zur Umsetzung der VNBehindertenrechtskonvention in den Schulen (9. Schulrechtsänderungsgesetz) hat keine gesetzlichen Änderungen bezüglich der Schuleingangsphase nach sich gezogen, denen die LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/6541 3 Grundschulen mit einer Neuausrichtung ihrer schuleigenen Konzeption begegnen müssen, um alle Möglichkeiten der Förderung auszuschöpfen. In der Schuleingangsphase in Nordrhein-Westfalen wird den Entwicklungsunterschieden aller Schulanfänger dadurch Rechnung getragen, dass die Schülerinnen und Schüler eine individuelle Förderung erfahren, die an ihrem persönlichen Leistungs- und Entwicklungsstand orientiert ist. So kann die grundsätzlich auf zwei Jahre angelegte Schuleingangsphase in einem Jahr, bei Bedarf auch in drei Jahren durchlaufen werden. Dies gewährleistet, dass alle Schülerinnen und Schüler die individuelle Lernzeit, die sie zum Erwerb der in den Lehrplänen beschriebenen Kompetenzerwartungen für die einzelnen Fächer am Ende der Schuleingangsphase benötigen, erhalten. Die individuelle Förderung in der Schuleingangsphase gilt vor allem für Kinder, die besonderer Unterstützung bedürfen, um erfolgreich im Unterricht mitarbeiten zu können - ob mit oder ohne festgestelltem Bedarf an sonderpädagogischer Unterstützung. Lehrkräfte der allgemeinen Schulen arbeiten an Schulen des Gemeinsamen Lernens mit Lehrkräften für Sonderpädagogik und ggf. sozialpädagogischen Fachkräften in der Schuleingangsphase zusammen. Individuelle Förderung findet in gemeinsamer Verantwortung statt. Jede Grundschule erarbeitet - nicht erst seit der Verabschiedung des 9. Schulrechtsänderungsgesetzes - ein durchgängiges schuleigenes Förderkonzept. Klassen-, Fach-, Jahrgangsstufen - oder Lehrerkonferenzen bieten den Lehrkräften darüber hinaus Möglichkeiten des gemeinsamen Austauschs. 2. Welchen Anpassungsbedarf sieht die Landesregierung beim Runderlass „Zu- wendungen für die Durchführung außerunterrichtlicher Angebote offener Ganztagsschulen im Primarbereich“? Der Erlass „Zuwendungen für die Durchführung außerunterrichtlicher Angebote offener Ganztagsschulen im Primarbereich“ wurde am 20.12.2013 angepasst. Die ursprünglich auf „Pilotregionen mit Kompetenzzentren“ bezogene Formulierung wurde erweitert. Nummer 5.4.2 des Erlasses hat jetzt folgende Fassung: „Auf dem Weg zu einem inklusiven Schulsystem können auch Kinder ohne förmlich festgestellten sonderpädagogischen Förderbedarf mit erhöhten Fördersätzen berücksichtigt werden, wenn sie in den Grundschulen intensiv und umfassend sonderpädagogisch gefördert werden. Bei der Bemessung des Umfangs gilt als Richtschnur das Verhältnis zwischen Kindern in offenen Ganztagsschulen mit beziehungsweise ohne sonderpädagogischen Förderbedarf auf Landesebene aus dem Schuljahr 2013/2014.“ 3. Werden die Grundschulen, die über ein offenes Ganztagsangebot verfügen, im Rahmen der schulischen Inklusion nun finanziell und personell benachteiligt, weil die Feststellung eines sonderpädagogischen Unterstützungsbedarfs „nicht mehr nötig sein“ wird? Die in der Frage angenommene Benachteiligung ist weder erkennbar noch belegbar. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/6541 4 4. Werden die Grundschulen, die im Rahmen des regionalen Stellenbudgets Stellenzuweisungen für den Bereich der „Lern- und Entwicklungsstörungen“ erhalten , gleichzeitig auch höhere Finanz- und Personalmittel zur Gestaltung des offenen Ganztagsangebotes ab dem 1. August 2014 erhalten? Die betroffenen Grundschulen erhalten Finanz- und Personalmittel im Rahmen des in Frage 2 zitierten Erlasses.