LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/6542 14.08.2014 Datum des Originals: 12.08.2014/Ausgegeben: 19.08.2014 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 2536 vom 25. Juli 2014 der Abgeordneten Yvonne Gebauer und Ingola Schmitz FDP Drucksache 16/6397 Könnten im Bereich der Alphabetisierung und der Grundbildung auch freie Träger von Weiterbildungsangeboten, die nicht über eine Anerkennung nach § 15 Abs. 2 Weiterbildungsgesetz NRW verfügen, ESF-Fördermittel erhalten, wenn sie entsprechende Kurse anbieten? Die Ministerin für Schule und Weiterbildung hat die Kleine Anfrage 2536 mit Schreiben vom 12. August 2014 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister für Arbeit, Integration und soziales und der Ministerin für Bundesangelegenheiten, Europa und Medien beantwortet. Vorbemerkung der Kleinen Anfrage In der Verordnung (EU) Nr. 1304/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates über den Europäischen Sozialfonds und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1081/2006 des Rates vom 17. Dezember 2013 wird u.a. in Erwägungsgrund Nr. 3 und in Art. 3 Abs. 1 lit. c im Zuge der Beschreibung der Ziele des ESF ausdrücklich der Bereich der Weiterbildung als wichtiges Wirkungsfeld angesprochen. Aus den ESF-Mitteln werden in Nordrhein-Westfalen auch Maßnahmen der Grundbildung und Alphabetisierung gefördert. Hierzu heißt es z.B. auf dem Internetauftritt des Ministeriums für Schule und Weiterbildung unter der Rubrik „Alphabetisierung und Grundbildung“: „Alphabetisierung ist eine wesentliche Voraussetzung für Grundbildung und das Nachholen eines Schulabschlusses. Erst wer lesen und schreiben kann, kann sich lebensbegleitend weiter bilden. Alphabetisierung und Grundbildung sind im Pflichtangebot der Volkshochschulen verankert (§ 11 Absatz 2 Weiterbildungsgesetz). Zusätzlich fördert Nordrhein-Westfalen in 2012 und 2013 mit jeweils rund 5 Mio. € aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds Maßnahmen im Rahmen des Programms „lebens- und erwerbsweltbezogene Weiterbildung“. Hier gibt es einen eigenen Schwerpunkt „Grundbildung“. Die Angebote reichen vom Alphabetisierungskurs bis hin zum Nachholen eines Schulab- LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/6542 2 schlusses. Die ESF-finanzierten Kurse werden von Volkshochschulen und anderen nach dem Weiterbildungsgesetz anerkannten Einrichtungen angeboten.“ Selbstverständlich stellen dieses Wirken und eine entsprechende Landesförderung damit für die nach dem Weiterbildungsgesetz anerkannten Träger der Weiterbildung eine zentrale Aufgabe dar. Allerdings werden nach Ausführungen des Ministeriums für Schule und Weiterbildung freie Träger, die nicht über eine Anerkennung nach § 15 Abs. 2 Weiterbildungsgesetz NRW verfügen, offenbar auch dann nicht aus den Europäischen Mitteln gefördert, wenn sie entsprechende Angebote anbieten würden. Hierzu heißt es wiederum auf dem Internetauftritt der Landesregierung für den Bereich der Grundbildung unter der Rubrik „Europäischer Sozialfond(s)“: „Das Land Nordrhein-Westfalen stellt für die Weiterbildung jährlich 5 Millionen Euro aus dem Europäischen Sozialfond (ESF) für Maßnahmen der lebens- und erwerbsweltorientierten Weiterbildung zur Verfügung. Gefördert werden zusätzliche Bildungsangebote, die die individuelle Beschäftigungsfähigkeit sowie die persönlichen und beruflichen Handlungskompetenzen verbessern. Folgende Maßnahmen werden gefördert: 1. Grundbildung mit Erwerbswelterfahrung Gefördert werden von der Bezirksregierung genehmigte Lehrgänge zum Nachholen von Schulabschlüssen und alle Bildungsangebote bis zu diesem Niveau, einschließlich Sprachkurse bis zur Niveaustufe B1 des Europäischen Referenzrahmens.“ Unlängst haben alle Fraktionen des nordrhein-westfälischen Landtags gemeinsam den Antrag „Breites Bündnis gegen Analphabetismus in Nordrhein-Westfalen“ verabschiedet, der die hohe Relevanz des Kampfes gegen den funktionalen Analphabetismus betont und verstärkte Anstrengungen eingefordert hat. Der Antrag hat auch die für die Bekämpfung des Analphabetismus wichtige breite gesellschaftliche Sensibilisierung und die Zusammenarbeit und Mitwirkung gesellschaftlicher Akteure betont. Sinnvollerweise ist die Koordinierungsstelle für diese wichtige Aufgabe im Bereich der Volkshochschulen angesiedelt worden, die die größte Zahl dieser Kurse durchführen. Gleichzeitig wurde im Rahmen der letzten Weiterbildungskonferenz z.B. von Volkshochschulvertretern neben dem großen Engagement und vielfältigen – bereits langjährigen und zusätzlichen – Aktivitäten auch angesprochen, dass Kurse „rappelvoll“ seien, gleichzeitig wurden Aspekte wie Vernetzung, Ansprache und vielfältiges gesellschaftliches Einbindung genannt. Nun stellt sich die Frage, ob es grundsätzlich nicht wichtig wäre, möglichst alle gesellschaftlichen Akteure in diesem Kampf gegen den Analphabetismus und für die Grundbildung einzubinden und die unterschiedlichen Möglichkeiten und Zugänge bestmöglich zu nutzen; ebenso stellt sich die Frage, ob eine Einbindung von freien Trägern in eine Finanzierung aus dem ESF-Bereich nicht sinnvoll sein könnte – selbstverständlich, wenn es sich um entsprechend qualitativ hochwertige Kurse handelt. Die europäische Verordnung über den ESF scheint dem grundsätzlich nicht entgegenzustehen . Dem Internetauftritt der KMK ist unter dem Punkt „Berichterstattung der Länder über die im Rahmen der Nationalen Strategie zur Alphabetisierung und Grundbildung Erwachsener in Deutschland 2012 – 2016 ergriffenen Maßnahmen“ z.B. für Sachsen zu entnehmen: „Ein deutlich umfassender Anteil wird zudem über den ESF unterstützt. Im Förderzeitraum 2007-2013 stehen in Sachsen rund 15,1 Millionen Euro (ESF-Mittel einschl. Landesmittel zur Kofinanzierung) zur Verfügung. Ein Teil dieser Mittel wird zur Finanzierung der Koordinierungsstelle verwendet, mit dem Hauptumfang werden Alphabetisierungskurse gefördert, die freie gemeinnützige und gewerbliche Träger durchführen.“ Für das Land Baden-Württemberg LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/6542 3 wird dort ausgeführt, dass „die Anbieter von Alphabetisierungsmaßnahmen insbesondere die Volkshochschulen sowie einige private Träger“ seien (wobei es dem Text allerdings nicht eindeutig hervorgeht, ob dies auch eine Einbindung bei den ESF-Mitteln zur Folge hat). Es stellt sich daher die Frage, ob eine solche Finanzierung aus ESF-Mitteln bei qualitativer Übereinstimmung ggf. als Entlastung der anderen Träger und zur Eröffnung neuer Zugänge sinnvoll wäre? Vorbemerkung der Landesregierung Die in der Kleinen Anfrage einleitend angesprochene Verordnung (EU) Nr. 1304/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates über den Europäischen Sozialfonds und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1081/2006 des Rates vom 17. Dezember 2013 bezieht sich auf die Förderphase 2014 bis 2020 des Europäischen Sozialfonds (ESF). Die weiteren Ausführungen der Kleinen Anfrage beziehen sich dagegen auf die Förderphase 2007 bis 2013 des ESF (Ausfinanzierungsmöglichkeit bis zum 31.12.2015), in der das von der damaligen schwarz-gelben Landesregierung initiierte Förderprogramm zur lebens- und erwerbsweltorientierten Weiterbildung in Einrichtungen der Weiterbildung seit 2007 umgesetzt wurde bzw. wird. Die ESF-Förderrichtlinie, in der die Förderung dieses Programms gere-gelt ist, endet mit dem Auslaufen der aktuellen Förderphase zum 31.12.2015. Das in 2014 zur Verfügung gestellte Programmbudget i.H.v. 5 Mio. € wurde im Rahmen von Interessenbekundungen gebun -den und wird derzeit bewilligt. Über die Fortführung des Programms in der neuen ESFFörderphase laufen derzeit noch die Beratungen zwischen den Ressorts. 1. Ist es zutreffend, dass Kurse für die angesprochenen Maßnahmen bei freien Trä- gern in NRW nicht aus ESF-Mitteln gefördert werden können? Kurse von freien Trägern werden gefördert, soweit es sich um anerkannte Einrichtungen in anderer Trägerschaft im Sinne des Weiterbildungsgesetzes handelt. 2. Spricht aus europarechtlicher Sicht etwas dagegen, dass gegebenenfalls ESF- Mittel für - qualitativ gleichwertige - Angebote durch weitere Träger/Anbieter beantragt werden können (wenn ja, warum)? Nein. 3. Ist eine solche Möglichkeit aus landesrechtlicher Sicht ausgeschlossen (wenn ja, warum?) Nein. Der in der ESF-Förderrichtlinie festgelegte Kreis der Zuwendungsempfangenden entspricht der Programmintention der damals zuständigen schwarz-gelben Landesregierung. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/6542 4 4. Könnte aus Sicht der Landesregierung eine stärkere Vernetzung auch mit freien Trägern jenseits des § 15 Abs. 2 Weiterbildungsgesetz NRW einen Beitrag im Kampf gegen den funktionalen Analphabetismus bzw. für die Stärkung von Grundbildung leisten? Die Landesregierung begrüßt ein breites Bündnis zur Bekämpfung des funktionalen Analphabetismus . Deshalb greift die Landesregierung die Empfehlungen der Weiterbildungskonferenz 2012 auf und fördert im Rahmen eines innovativen Vorhabens beim Landesverband der Volkshochschulen NRW ein landesweites Netzwerk zur Alphabetisierung und Grundbildung alphanetz-nrw.de. Dieses Netzwerk ist einrichtungs- und trägerübergreifend und wendet sich an alle gesellschaftlichen Akteure aus den Bereichen Bildung/Weiterbildung, Wohlfahrtspflege , Arbeitsagenturen, Arbeitgeber, Gewerkschaften, Vereine, etc. 5. Wenn dies rechtlich möglich wäre, aber politisch nicht gewollt sein sollte: Wa- rum lehnt die Landesregierung eine solche Möglichkeit ab? s. Antwort zur Frage 4.