LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/6543 14.08.2014 Datum des Originals: 13.08.2014/Ausgegeben: 19.08.2014 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 2489 vom 15. Juli 2014 des Abgeordneten Ralf Witzel FDP Drucksache 16/6313 Einsatzreaktionszeiten der Polizei im Polizeipräsidium Essen – Wie schnell ist Hilfeleistung im Notfall am Tatort oder Unfallort? Der Minister für Inneres und Kommunales hat die Kleine Anfrage 2489 mit Schreiben vom 13. August 2014 namens der Landesregierung beantwortet. Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Mit Einsatzreaktionszeit (ERZ) ist die Zeit gemeint, die Einsatzkräfte der Polizei benötigen, um nach der Alarmierung einen Tatort bzw. Unfallort zu erreichen. Die ERZ bildet den Durchschnitt aller außenveranlassten polizeilichen Einsätze. Die ERZ wird dabei von vielen Faktoren beeinflusst. Neben der Priorisierung der Einsätze nach Dringlichkeit wird sie unter anderem durch das aktuelle Einsatzaufkommen, die Anzahl der in den jeweiligen Kategorien anfallenden Einsätze, die Anzahl der jeweils zur Einsatzwahrnehmung verfügbaren Kräfte, die Gestaltung der Streifenbezirke und die jeweils aktuelle Verteilung der Einsatzkräfte im Zuständigkeitsgebiet bestimmt. Die Einsätze werden dabei regelmäßig vorrangig von den disloziert im Einsatzraum befindlichen Streifenwagenbesatzungen wahrgenommen. Da in der ERZ auch Einsätze enthalten sind, für deren Wahrnehmung keine höchste Eile geboten ist, wie beispielsweise Verkehrsbehinderungen, und ohne Sonder- und Wegerechte nach der StVO erfolgen, ist es angezeigt, für Soforteinsätze (zum Beispiel Verkehrsunfall mit Verletzten, Täter am Ort) die Einsatzreaktionszeiten gesondert abzufragen. Die Erkenntnis, wie lange die Polizei vor Ort braucht, um einem in Not geratenen Bürger zu helfen, ist ein wichtiger Faktor für die Wirksamkeit und Qualität der Hilfeleistung. Ihrer Entwicklung messen nicht nur die Polizeibehörden eine hohe Priorität zu. Dies macht auch ein Vergleich deutlich: Für die Einsätze von Feuerwehr und des Rettungsdienstes ist die sogenannte Hilfsfrist – also die Zeitdifferenz zwischen dem Beginn eines Not- LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/6543 2 rufeingangs und dem Eintreffen der ersten Einsatzkräfte am Einsatzort, um einem in Not geratenen Bürger zu helfen – bereits das wichtigste Planungs- und Qualitätsmerkmal. Für kommunale Rettungsdienst- und Brandschutzbedarfspläne sind Schutzziele (Hilfsfrist und Erreichungsgrad) zu definieren. So ist auch nach Empfehlungen der Arbeitsgemeinschaft Berufsfeuerwehr (AGBF) von bis zu 8 Minuten in städtischen Gebieten auszugehen. Im Land Nordrhein-Westfalen hat bereits das Oberverwaltungsgericht Münster beginnend mit einem Beschluss vom 22.10.1999 (13 A 5617/89, 22.10.1999) und mehrfach bestätigt (vgl. 13 B 16/04, 15.03.2004) einen „funktionsfähigen Rettungsdienst“ mit einer Eintreffenszeit von 8 Minuten in 90% der Fälle (Zielerreichung für städtische Gebiete) beschrieben. Dieses Ziel gilt regelmäßig für das erst eintreffende Fahrzeug des Rettungsdienstes an der Adresse. Unabhängig von der bei jedem Einsatzanlass von der Leitstelle des Polizeipräsidiums im Rahmen der konkreten Einsatzbearbeitung vorzunehmenden individuellen Lagebeurteilung und Priorisierung nach Dringlichkeit besteht insgesamt die Notwendigkeit einer zeitgerechten Einsatzwahrnehmung durch die Polizei auch im Zuständigkeitsgebiet des Polizeipräsidiums Essen, das seit der Fusion gemeinsam für die Ruhrgebietsgroßstädte Essen und Mülheim zuständig ist. Im Zuge der nordrhein-westfälischen Polizeireform fusionierten im Jahr 2007 die beiden bis dahin eigenständigen Polizeipräsidien Essen und Mülheim zu dem heutigen gemeinsamen Polizeipräsidium Essen, das insgesamt die Sicherheit von über 740.000 Menschen verantwortet . Die Zusammenlegung ist seinerzeit auch mit Bedenken seitens der Mülheimer Bürger verbunden gewesen, die auch längere Wartezeiten auf Polizeieinsatzkräfte befürchtet haben. Es wäre erfreulich, heute für die letzten Jahre rückblickend feststellen zu können, dass sich derlei Sorgen als unbegründet herausgestellt haben. Vor diesem Hintergrund ist es sechs Jahre nach der Fusion für den Landtag von Interesse, einen detaillierten Überblick über die aktuellen Einsatzreaktionszeiten sowie die Entwicklung in den vergangenen Jahren im Einsatzgebiet des Polizeipräsidiums Essen zu erhalten, um in Kenntnis dieser Befunde auf Entwicklungen möglichst umgehend und qualifiziert reagieren zu können. Falls nicht mehr alle Daten der nachfolgenden Fragen vorhanden sind, wird um die Beantwortung für den längstmöglich zurückliegenden Zeitraum gebeten. Vorbemerkung der Landesregierung Die Polizei in Nordrhein-Westfalen bewältigt jährlich ca. vier Millionen Einsätze. Darüber hinaus unterliegt das Einsatzaufkommen bestimmten örtlichen und zeitlichen Schwankungen. Ein Ziel dabei ist es, dass insbesondere bei Notrufen eine schnelle Reaktion der Polizei erfolgt . Darüber hinaus sind Einsatzaufkommen bestimmten örtlichen und zeitlichen Schwankungen unterlegen. Die Einsatzreaktionszeit bildet den Durchschnitt aller außenveranlasster Einsätze. Darin enthalten sind auch Einsätze, für deren Wahrnehmung nicht immer höchste Eile geboten ist (z.B. Verkehrsbehinderungen). Außerdem ist darauf hinzuweisen, dass bei einer gleichzeitigen Häufung von Einsatzanlässen und einer damit verbundenen Auslastung von Funkstreifenwagenbesatzungen eine Priorisierung der Einsatzwahrnehmung erfolgen muss. Die polizeiliche Präsenz in Problembereichen (Brennpunkte und Angsträume) durch erkennbar ansprechbare Polizeibeamtinnen und -beamte muss zielgerichtet und unabhängig von der Wahrnehmung von Notrufeinsätzen organisiert werden. Eine Reduzierung alleine auf die Einsatzreaktionszeiten würde eine unzulässige Verengung der Ziele und Erfolge polizeilicher Arbeit darstellen. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/6543 3 Bei der Bewertung der einzelnen Jahreszahlen ist zu berücksichtigen, dass die der Auswertung zugrunde liegenden Einsatzanlässe im Jahr 2008 geändert wurden. Einsatzanlässe, die in den Jahren 2006 und 2007 zu den Einsatzreaktionszeiten (z.B. Amtshilfe, Fundsache) beigetragen haben, sind zum Teil in den Folgejahren weggefallen. Daher sind die Werte der Jahre 2006 und 2007 nur eingeschränkt vergleichbar. 1. Wie viele Polizeibeamte sind im Polizeipräsidium Essen jeweils jährlich seit dem Jahr 2006 bis heute sowohl in absoluten Zahlen als auch anteilig an der Gesamtzahl aller Polizeibeamten im Land tätig gewesen? (Angabe in Vollzeitstellenäquivalenten ) Maßgeblich für die Personalstärke jeder Behörde sind die zur Verfügung stehenden Planstellen . Der nachfolgenden Tabelle ist die Entwicklung bei den Planstellen für Polizeivollzugsbeamtinnen /-beamte und Verwaltungsbeamtinnen/-beamte beim Polizeipräsidium Essen sowie deren Anteil an den Planstellen aller Kreispolizeibehörden des Landes Nordrhein-Westfalen zum Stichtag 01.10. eines Jahres zu entnehmen: 2. Wie hoch ist jeweils jährlich seit dem Jahr 2006 bis heute die durchschnittliche Einsatzreaktionszeit der Polizei bei außenveranlassten Einsätzen des täglichen Dienstes im Polizeipräsidium Essen und im landesweiten Vergleich dieser Entwicklung gewesen? (falls statistisch verfügbar differenzierte Darstellung für die Städte Essen und Mülheim erbeten) In der nachfolgenden Tabelle ist die durchschnittliche Einsatzreaktionszeit der Polizei bei außenveranlassten Einsätzen des täglichen Dienstes der Jahre 2006 bis 2014 (Stand 30.06.2014) dargestellt, aufgeschlüsselt für das Land NRW und die Städte Essen und Mülheim (Zeitangaben in Minuten:Sekunden): Land NRW Essen Mülheim 2006 13:51 14:25 12:17 2007 13:55 14:32 13:12 2008 13:46 14:00 13:19 2009 14:10 13:58 13:46 2010 14:30 13:53 14:14 2011 14:17 13:52 14:11 2012 14:18 14:17 14:59 2013 14:26 14:51 15:45 2014 14:01 14:52 14:26 2006* 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 1.838 1.815 1.786 1.776 1.752 1.754 1.765 1.774 * Summe aus PP Essen und PP Mülheim 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 4,9% 4,9% 4,8% 4,8% 4,8% 4,8% 4,8% 4,8% Entwicklung Planstellen KPB Essen zum 01.10. eines Jahres Anteil Planstellen KPB Essen zum 01.10. eines Jahres am Gesamt der KPB LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/6543 4 3. Wie hoch ist jeweils jährlich seit dem Jahr 2006 bis heute die durchschnittliche Einsatzreaktionszeit der Polizei bei 110-Notrufen im Polizeipräsidium Essen und im landesweiten Vergleich dieser Entwicklung gewesen? (falls statistisch verfügbar differenzierte Darstellung für die Städte Essen und Mülheim erbeten) In der nachfolgenden Tabelle ist die durchschnittliche Einsatzreaktionszeit der Polizei bei einem Notruf der Jahre 2006 bis 2014 (Stand 30.06.2014) dargestellt, aufgeschlüsselt für das Land NRW und die Städte Essen und Mülheim: Land NRW Essen Mülheim 2006 14:48 14:54 # 2007 14:55 15:04 # 2008 14:47 14:34 13:56 2009 15:16 14:40 14:44 2010 15:39 14:43 15:04 2011 15:25 14:35 15:04 2012 15:26 15:01 14:34 2013 15:35 15:33 16:43 2014 15:10 15:39 15:25 In den Jahren 2006 und 2007 konnten die Kreispolizeibehörden noch selber bestimmen, welche Einsatzanlassarten sie zur Bewertung der Einsatzreaktionszeit zugrunde legen. Die Kennzahl „Einsatzreaktionszeit bei 110- Notruf“ wurde erst im Jahre 2008 landesweit eingeführt . Die Daten aller KPB wurden danach retrograd vom Landesamt für Zentrale Polizeiliche Dienste NRW auch für die Jahre 2006 und 2007 erhoben. Mülheim an der Ruhr war zu diesem Zeitpunkt bereits der KPB Essen angegliedert, weshalb hierfür die retrograde Erhebung unterblieb. In den Folgejahren ab 2008 wurde eine separate Erhebung der Kennzahl auch für Mülheim an der Ruhr von der KPB Essen selbständig veranlasst. 4. Wie hoch ist jeweils jährlich seit dem Jahr 2006 bis heute die durchschnittliche Einsatzreaktionszeit der Polizei bei Einsatzanlässen ‚Täter am Ort‘ im Polizeipräsidium Essen und im landesweiten Vergleich dieser Entwicklung gewesen? (falls statistisch verfügbar differenzierte Darstellung für die Städte Essen und Mülheim erbeten) In der nachfolgenden Tabelle ist die durchschnittliche Einsatzreaktionszeit der Polizei bei Einsätzen „Täter am Ort“ der Jahre 2006 bis 2014 (Stand 30.06.2014) dargestellt, aufgeschlüsselt für das Land NRW und die Städte Essen und Mülheim: LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/6543 5 Land NRW Essen Mülheim 2006 05:51 05:34 06:52 2007 05:41 05:51 06:01 2008 05:46 06:04 06:14 2009 05:59 06:20 06:47 2010 05:56 06:02 06:07 2011 05:45 05:57 05:49 2012 05:38 05:01 04:29 2013 05:41 05:00 05:21 2014 05:25 04:51 04:43 5. Wie hoch ist jeweils jährlich seit dem Jahr 2006 bis heute die durchschnittliche Einsatzreaktionszeit der Polizei bei Verkehrsunfällen mit gemeldetem Personenschaden im Polizeipräsidium Essen und im landesweiten Vergleich dieser Entwicklung gewesen? (falls statistisch verfügbar differenzierte Darstellung für die Städte Essen und Mülheim erbeten) In der nachfolgenden Tabelle sind die durchschnittlichen Einsatzreaktionszeit der Polizei bei Einsätzen nach Verkehrsunfällen mit Personenschaden der Jahre 2006 bis 2014 (Stand 30.06.2014) dargestellt, aufgeschlüsselt für das Land NRW und die Städte Essen: Land NRW Essen Mülheim 2006 10:49 09:40 # 2007 10:44 10:13 # 2008 10:30 09:28 # 2009 10:51 / 09:37 09:58 / 08:24 # / 09:48 2010 09:52 08:32 09:03 2011 09:29 08:14 08:22 2012 09:32 08:22 08:22 2013 09:41 08:23 08:25 2014 09:24 08:02 07:18 In den Jahren 2006 bis 2008 wurden für den Bereich der Stadt Mülheim keine Auswertungen der Einsatzreaktionszeiten zu „Verkehrsunfällen mit Personenschaden“ durchgeführt. Dem Landescontrolling liegen hierzu ebenfalls keine Daten vor. Erst mit Erstellung des Sicherheitsprogramms 2008 verfügt das Polizeipräsidium Essen für Mülheim über valide vergleichbare Daten zu Einsatzreaktionszeiten „Verkehrsunfällen mit Personenschaden“. Die Daten der Jahre 2006 und 2007 des PP Essen ohne Mülheim ergeben sich aus dem Landescontrolling. Der Erfassungsmaßstab für „Verkehrsunfälle mit Personenschaden“ wurde im Laufe des Jahres 2009 geändert. Daher sind zu diesem Jahr teilweise zwei Zahlenwerte verzeichnet. Bis 2009 wurden die Einsätze ausgewertet, die als „Verkehrsunfall mit Personenschaden“ abgeschlossen worden sind. Damit wurde jedoch auch eine Vielzahl von Einsätzen erfasst, LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/6543 6 die als „Verkehrsunfall mit Sachschaden“ eröffnet worden sind und sich erst im Verlauf der Unfallaufnahme als „Verkehrsunfall mit Personenschaden“ herausstellten. Dadurch waren die Einsatzreaktionszeiten nicht valide. Seit dem Jahr 2009 wurden nur noch die Einsatzreaktionszeiten der Einsätze als „Verkehrsunfälle mit Personenschaden“ ausgewertet, die auch unter diesem Einsatzanlass eröffnet worden sind.