LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/6562 18.08.2014 Datum des Originals: 18.08.2014/Ausgegeben: 21.08.2014 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 2561 vom 31. Juli 2014 der Abgeordneten Ralf Witzel, Kai Abruszat und Holger Ellerbrock FDP Drucksache 16/6462 Milliardenschwerer Steag-Deal von armen Ruhrgebietskommunen auf Pump – Wie bewertet die Landesregierung die Absicht der Bezirksregierung Düsseldorf als zuständiger Kommunalaufsicht, die dazu notwendigen Genehmigungen zu erteilen? Der Minister für Inneres und Kommunales hat die Kleine Anfrage 2561 mit Schreiben vom 18. August 2014 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Finanzminister und dem Minister für Wirtschaft, Energie, Industrie, Mittelstand und Handwerk beantwortet. Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Seit sich im Jahr 2010 die sämtlich hochverschuldeten Städte Dortmund, Oberhausen, Bochum , Essen, Dinslaken und Duisburg durch die jeweiligen Stadtwerke auf den riskanten Deal leichtsinnig eingelassen haben, mit zumeist geliehenem Geld den Energieerzeuger Steag zu verstaatlichen, verfolgt die FDP-Landtagsfraktion die weitere Geschäftsentwicklung sowie die Genehmigungspraxis der Kommunalaufsicht mit kritischem Blick, da sie stets vor den ökonomischen Risiken der Übernahme durch das Stadtwerkekonsortium gewarnt hat. Die zuvor genannten Kommunen haben über ein regionales Konsortium ihrer Stadtwerke bereits 51 Prozent der Steag-Anteile übernommen und sind seitdem mit 650 Millionen Euro an der Steag beteiligt, im September 2014 beabsichtigen diese, nun auch die verbliebenden 49 Prozent für weitere rund 600 Millionen Euro weit überwiegend auf Pump zu erwerben. Seit der Übernahme der ersten 51-Prozent-Tranche ist der Gewinn des Steag-Konzerns im Jahr 2012 um ein Drittel weggebrochen, da die Steag offensichtlich durch die wachsende Menge subventionierten Wind- und Solarstroms im Netz immer häufiger zum Abschalten ihrer konventionellen Kraftwerke gezwungen wurde. Ferner musste die Steag offenbar im Jahr 2013 über 100 Millionen Euro Dividende an die beteiligten Städte ausschütten, damit diese überhaupt ihre Kredite bedienen konnten. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/6562 2 Stets wurde daher öffentlich von den Protagonisten betont, dass das Auslandsgeschäft mit Kraftwerken in Südamerika, Südeuropa und Asien einen entsprechenden Gewinn abwerfe. Der FDP-Landtagsfraktion hat sich zwar zu keinem Zeitpunkt erschlossen, welchen Bezug diese Geschäftsfelder zu den originären Aufgaben kommunaler Daseinsvorsorge haben, die aktuelle Nachricht über das kriselnde Auslandsgeschäft des Kraftwerkskonzerns in der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung vom 30. Juli 2014 sorgt daher jedoch für um so größere Bedenken. Dort heißt es unter anderem: „Plötzlich droht auch den bislang als sichere Ertragssäule geltenden Auslandsbeteiligungen Ungemach. Sie machen 60 Prozent des Konzernumsatzes aus. Nach Informationen dieser Zeitung stehen allein beim spanischen Solarkraftwerk Arenales für 2014 einmalige Wertberichtigungen in Höhe von rund 60 Millionen Euro ins Haus. Weil die spanische Regierung Fördergelder zusammenstrich und dem Mitgesellschafter des Solarparks in Andalusien, einem Fonds der Deutschen Bank, vertraglich eine Garantiedividende zusteht, muss Steag langfristig eingeplante Dividenden, Zins- und Tilgungszahlungen in den Wind schreiben. Um ihre 26-Prozent-Beteiligung an dem 50-Megawatt Kraftwerk noch zu retten, bereiten die Essener sogar eine Klage gegen das spanische Königreich vor. Auch ein Biomasse-Kraftwerk in Brasilien droht zum Problem zu werden. Die Wirtschaftlichkeit auf Basis des starken Euro sei nicht gegeben, heißt es, eine Fortführung des Projektes nicht zu verantworten. Erwartete Wertberichtigung: 35 Millionen Euro. Und noch bei einem weiteren Übersee-Projekt steht Ärger ins Haus: Der Ausfall eines Kohlekraftwerkblocks in Mindanao auf den Philippinen dürfte mit einem Minus von knapp 13 Millionen Euro zu Buche schlagen.“ Die Geschäftsentwicklung des Steag-Konzerns ist also offenbar brisant. Diese Entwicklung dürfte auch allen in diesem Feld handelnden Akteuren bestens bekannt sein. Umso mehr erschreckt die wohl mittlerweile bezogene Haltung der nordrhein-westfälischen Kommunalaufsicht, die ebenfalls in der WAZ vom 30. Juli 2014 dargestellt wird: „Die umstrittene Übernahme des Essener Energiekonzerns Steag durch die Stadtwerke Dortmund, Duisburg, Bochum, Essen, Oberhausen und Dinslaken hat nun auch den Segen der Behörden. Wie die WAZ erfuhr, will die Bezirksregierung Düsseldorf dem Milliardengeschäft der finanzschwachen Ruhrgebietsstädte in Kürze grünes Licht geben. Die Zustimmung bezieht sich zwar zunächst nur auf die 2010 erfolgte Übernahme des ersten 51- Prozent-Anteils. Sie gilt jedoch als wegweisend für die zum großen Teil kreditfinanzierte Komplettübernahme der Evonik-Tochter bis September.“ Die Zustimmung der Kommunalaufsicht zum Steag-Deal ist erforderlich, da laut § 107a GO NW festgelegt ist, dass die überörtliche energiewirtschaftliche Betätigung nur dann zulässig ist, wenn sie nach Art und Umfang in einem angemessenen Verhältnis zu der Leistungsfähigkeit der Gemeinde steht. Darüber hinaus erlaubt § 107a Abs. 3 GO NRW die Aufnahme einer energiewirtschaftlichen Betätigung auch auf ausländischen Märkten. Auch dies jedoch unter der Einschränkung, dass sie nach Art und Umfang in einem angemessenen Verhältnis zu der Leistungsfähigkeit der Gemeinde steht. Für ausländische Tätigkeiten fordert die GO NW ausdrücklich: „Die Aufnahme einer solchen Betätigung bedarf der Genehmigung.“ Vor dem Hintergrund der dramatischen Haushaltssituation der betroffenen Kommunen sowie der offenbar schlechten Geschäftsentwicklung der Steag erfordert die neue unverständliche Absicht der Bezirksregierung Düsseldorf, die notwendigen Genehmigungen für diese hoch riskante Operation zu erteilen, eine vollumfängliche Information des Landesparlamentes über die fachlichen Grundlagen der Entscheidungsfindung. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/6562 3 1. Welche genaue Entscheidung trifft die Kommunalaufsicht jeweils einzeln für die beiden Tranchen der Steag-Verstaatlichung in sachgerechter Auslegung der Bestimmungen der nordrhein-westfälischen Gemeindeordnung? 2. Welche genauen fachlichen Gründe im Detail legt die Kommunalaufsicht jeweils einzeln für die beiden Tranchen bei der im Raum stehenden Genehmigung des Steag-Deals zugrunde? 3. Aus jeweils welchen einzelnen Gründen ist es bislang nicht ansatzweise gelun- gen, einen solventen privaten Investor zumindest für die zweite Tranche der Steag-Anteile zu finden? 4. Wie wirkt sich die bevorstehende Vollverstaatlichung der Steag bei jeweils kurz-, mittel und langfristiger Betrachtung auf die anzunehmende Entwicklung der Kommunalfinanzen der hochverschuldeten Ruhrgebietskommunen aus? 5. Wie begründet die Kommunalaufsicht ihre Entscheidung zur offenbar bevorste- henden Genehmigung des enorm riskanten Steag-Deals gegenüber den zur Entrichtung der Abundanzumlage verpflichteten Kommunen, die im Ergebnis trotz solider eigener Haushaltsführung für die Stärkungspaktkommunen wie Essen, Duisburg und Oberhausen immense Abführungen stemmen müssen, damit die Ruhrgebietsstadtwerke ihrerseits mit dem Geld der Steuerzahler bei internationalen Großprojekten weiter ungestört zocken können? Eine Entscheidung der Bezirksregierung Düsseldorf zu dem in der Kleinen Anfrage angesprochenen Verfahren ist noch nicht getroffen worden. Vor diesem Hintergrund ist eine inhaltliche Beantwortung der Kleinen Anfrage zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht möglich. Die Landesregierung wird zu gegebener Zeit den Ausschuss für Kommunalpolitik über die Entscheidung der Bezirksregierung Düsseldorf informieren.