LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/6600 21.08.2014 Datum des Originals: 21.08.2014/Ausgegeben: 26.08.2014 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 2483 vom 11. Juli 2014 der Abgeordneten Kai Abruszat und Henning Höne FDP Drucksache 16/6302 Mindestabstand zwischen Windrädern und Wohngebieten im Münsterland – macht die Landesregierung jetzt von einer neuen rechtlichen Möglichkeit Gebrauch? Der Minister für Bauen, Wohnen, Stadtentwicklung und Verkehr hat die Kleine Anfrage 2483 mit Schreiben vom 21. August 2014 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit der Ministerpräsidentin, dem Minister für Wirtschaft, Energie, Industrie, Mittelstand und Handwerk, dem Minister für Inneres und Kommunales und dem Minister für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz beantwortet. Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Der Bundesrat hat durch Beschluss vom 11.07.2014 (294/14 „Gesetz zur Einführung einer Länderöffnungsklausel zur Vorgabe von Mindestabständen zwischen Windenergieanlagen und zulässigen Nutzungen“) Änderungen beim Baugesetzbuch vorgenommen. Hiernach sollen in Zukunft die Bundesländer selbst Mindestabstände zwischen Windkraftanlagen und Wohngebieten festlegen können. Einige Bundesländer sollen bereits erwogen haben, von dieser Option Gebrauch zu machen. Da es in NRW immer wieder zu Konflikten bei der Abwägung von Interessen im Zusammenhang mit der Planung von Windkraftanlagen kommt, stellt sich die Frage, ob und inwieweit die Landesregierung den im Regierungsbezirk Münster verantwortlichen Akteuren diese Rechtsklarheit verschaffen wird. 1. Wie hat das Land Nordrhein-Westfalen im Rahmen der Sitzung des Bundesrates vom 11.07.2014 im Hinblick auf die Änderung des Baugesetzbuchs abgestimmt? Das Land Nordrhein-Westfalen hat sich bei der Abstimmung über die Empfehlung des Bundesratsausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit zur Anrufung des Vermittlungsausschusses der Stimme enthalten. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/6600 2 2. Wie beurteilt die Landesregierung grundsätzlich die Möglichkeit, dass in Zukunft die Bundesländer selbst Mindestabstände zwischen Windkraftanlagen und Wohngebieten festsetzen können? Aus Sicht der Landesregierung besteht kein Bedürfnis für die neuerdings in § 249 Absatz 3 BauGB verankerte Länderöffnungsklausel, weil - bereits nach geltendem Recht über bauplanungsrechtliche und immissionsschutzrechtli- che Regelungen gewährleistet ist, dass angemessene Abstände zu Wohnbebauung auch bei Errichtung von Windenergieanlagen eingehalten werden müssen; - die Gemeinden im Rahmen ihrer Planungshoheit bei der Ausweisung von Konzentrationszonen für Windenergie in ihren Flächennutzungsplänen über die sich aus dem Immissionsschutzrecht und dem Gebot der Rücksichtnahme ergebenden Abstände hinaus größere Vorsorgeabstände im Sinne des vorbeugenden Immissionsschutzes zwischen Windenergieanlagen und schutzbedürftigen Einrichtungen festlegen können; es besteht also bereits über die kommunale Bauleitplanung eine Art „Öffnungsklausel“. Die Landesregierung sieht sich in dieser Auffassung bestätigt durch die Beschlussfassung des Landtages zur LT-Drs. 16/5290 (Plenarprotokoll 16/55). 3. Könnte aus Sicht der Landesregierung ein jetzt neu festzulegender Mindestab- stand zwischen Wohngebieten und Windkraftanlagen dazu beitragen, die Akzeptanz der Bürgerinnen und Bürger im Regierungsbezirk Münster bei der Umsetzung der Energiewende erhöhen? Nein. Eine pauschale Festlegung von Mindestabständen ist nicht geeignet, die Akzeptanz vor Ort zu erhöhen. Eine aktuelle umweltpsychologische Studie kommt zu dem Ergebnis, dass die empfundene Belästigung der Anwohner durch Windparkgeräusche mitbestimmt wird durch die Beteiligung am Planungsprozess, die Sichtbarkeit der Anlagen, die Hinderniskennzeichnung , die Möglichkeit einer finanziellen Beteiligung und die allgemeine Einstellung zur Windenergie – nicht aber durch den Abstand der Windenergieanlagen zur Wohnbebauung (Hübner/Pohl, Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, gefördert durch die Deutsche Bundesstiftung Umwelt; die Studie wurde öffentlich vorgestellt, liegt jedoch noch nicht im Wortlaut vor, siehe aber: http://www.dbu.de/123artikel35414_335.html). 4. Könnte aus Sicht der Landesregierung ein jetzt neu festzulegender Mindestab- stand zwischen Wohngebieten und Windkraftanlagen dazu beitragen, die Rechtsund Planungssicherheit bei Kommunen, Investoren und Anwohnern im Regierungsbezirk Münster zu erhöhen? Nein. Die abstandrechtlichen Fragen, die hauptsächlich durch das Immissionsschutzrecht und das bauplanungsrechtliche Gebot der Rücksichtnahme bestimmt werden, sind durch gefestigte Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und des Oberverwaltungsgerichtes des Landes Nordrhein-Westfalen geklärt (OVG NRW, Beschluss vom 24.06.2010, 8 A 2764/09; BVerwG, Beschluss vom 23.12.2010 - 4 B 36/10). LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/6600 3 5. Sofern die Landesregierung selbst keine Mindestabstände auf Grundlage des Bundesratsbeschlusses festlegen will: Welche Möglichkeiten wird die Landesregierung den Kommunen im Regierungsbezirk Münster im Interesse der Stärkung der kommunalen Selbstverwaltung eröffnen , um Konfliktpotentiale bei der Planung von Windkraftanlagen zu minimieren ? Mit dem Windenergieerlass vom 11. Juli 2011 steht den Kommunen bereits eine aus Sicht der Landesregierung geeignete Arbeitshilfe zur Verfügung. Unter Federführung des Ministeriums für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz arbeitet die Landesregierung an einer Aktualisierung des Windenergieerlasses, die auch die neuere Rechtsprechung von Bundesverwaltungsgericht und Oberverwaltungsgericht NordrheinWestfalen , welche die Anforderungen an die Abwägung zwischen den verschiedenen öffentlichen Belangen und die Dokumentation der Abwägungsentscheidung bei Windenergieplanungen erhöht hat (BVerwG, Urteil vom 13.12.2012, Az. 4 CN 1.11; BVerwG, Urteil vom 11.04.2013, Az. 4 CN 2.12; OVG NRW, Urteil vom 01.07.2013, Az. 2 D 46/12.NE) berücksichtigen wird. Siehe im Übrigen Antwort zu Frage 2.