LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/6607 22.08.2014 Datum des Originals: 21.08.2014/Ausgegeben: 27.08.2014 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 2524 vom 22. Juli 2014 des Abgeordneten Ralf Witzel FDP Drucksache 16/6371 Konkrete Ausgestaltung und Ausnahmen von der allgemeinen Haushaltssperre – Welche genauen Zielgrößen und Zeitpläne verfolgt der Finanzminister insgesamt und für die jeweiligen Einzelpläne im Landeshaushalt? Der Finanzminister hat die Kleine Anfrage 2524 mit Schreiben vom 21. August 2014 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit der Ministerpräsidentin und allen übrigen Mitgliedern der Landesregierung beantwortet. Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Direkt nach der zu erwartenden Urteilsverkündung des Verfassungsgerichtshofes am 1. Juli 2014, der die konkrete Besoldungsanpassung der rot/grünen Landesregierung als nicht mehr verfassungskonform verworfen hat, hat der nordrhein-westfälische Finanzminister nach § 41 der Landeshaushaltsordnung eine haushaltswirtschaftliche Sperre verhängt. Die finanziellen Auswirkungen einer neuen landesgesetzlichen Regelung in der Besoldungsfrage sind noch nicht absehbar. Eine Einhaltung des vom Parlament vorgegebenen Ausgaberahmens ist vor diesem Hintergrund ebenfalls nicht ohne weiteres sichergestellt. Dieses Instrument der Mangelverwaltung wäre nicht notwendig gewesen, wenn sich SPD und Grüne wie von der Opposition angemahnt rechtzeitig den drängenden Fragen einer strukturellen Haushaltskonsolidierung gestellt hätten. Gezielte Reformen sind allemal besser und gerechter als die jetzt gewählte Rasenmähermethode. Richtig wäre es nun, Rot/Grün nähme nach dem Urteil endlich Abstand von zuviel Umverteilung und Wahlgeschenken auf Pump, um die verfassungsrechtlich vorgeschriebene Schuldenbremse spätestens 2020 zu erreichen. Der heutige Konsolidierungspfad ist dafür nicht ambitioniert genug. Konkret bedeutet die verfügte Haushaltssperre, dass das Finanzministerium es von seiner Einwilligung abhängig macht, ob noch Verpflichtungen eingegangen oder Ausgaben getätigt LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/6607 2 werden. Ausgaben dürfen demnach grundsätzlich nur noch zur Erfüllung von Verpflichtungen geleistet werden, die zum Zeitpunkt der Bekanntgabe rechtlich begründet und dem Grunde sowie der Höhe nach fällig sind. All die Ausgaben, für die diese Rechtspflicht nicht besteht, bedürfen der Einwilligung des Finanzministers, sofern nicht Ausnahmetatbestände vorliegen, die im Einzelfall zur sofortigen Gefahrenabwehr oder der elementaren Aufrechterhaltung des Verwaltungsbetriebs unabweisbar sind. Für alle Landesbetriebe gilt diese Haushaltssperre entsprechend. Bei Auslegungszweifeln ist stets die enge Interpretation dieser Maßnahme zugrunde zu legen, die dazu führt, dass Ausgaben nicht geleistet werden. Das Instrument einer Haushaltssperre ist in den letzten Jahren aufgrund seiner wenig für den Einzelfall differenzierten Vorgehensweise eher unüblich gewesen und zuletzt im Jahr 2005 angewendet worden. Für die einzelnen Ressorts kann diese Sperrverfügung durchaus unangenehm sein, wenn liebgewonnene regelmäßige Ausgaben auf zunächst unbestimmte Zeit nicht mehr getätigt werden können, der Finanzminister auch selber zum Beispiel keine Steuer-CDs von Hehlern mehr erwerben darf, da diese Praktiken sicherlich nicht zur Gefahrenabwehr oder für eine Aufrechterhaltung des Verwaltungsbetriebs unabweisbar sind. Die tatsächliche Auswirkung der allgemeinen Haushaltssperre hängt stark von der konkreten Ausgestaltung ihrer Parameter ab. So macht es beispielsweise einen gravierenden Unterschied für den tatsächlichen Einspareffekt, ob die Haushaltssperre für die ihr unterfallenden Ausgaben bloß eine rein aufschiebende Wirkung hat und die Maßnahmen dann zu einem späteren Termin im Jahr 2014 nachgeholt und kassenwirksam werden, oder ob effektive Minderausgaben mit Ablauf des Haushaltsjahres dauerhaft bestandskräftig werden. Der Finanzminister hat sich bislang dem Parlament und der Öffentlichkeit gegenüber nicht dahingehend geäußert, wie lange die Sperrmaßnahmen gelten sollen – bis zum Jahresende oder nur bis zur Verabschiedung des von ihm angekündigten Nachtragshaushalts. Da die Struktur der Einzelplanhaushalte der jeweiligen Ressorts ferner höchst unterschiedlich ist (personalkostenintensive Ministerien oder Förderressorts), ist bislang ebenfalls weitgehend unbekannt, wie sich die ressortspezifische Betroffenheit von der Haushaltssperre finanziell anteilig und für die Politikschwerpunkte unterschiedlich darstellt. Außerdem macht die Verfügung von Finanzminister Dr. Norbert Walter-Borjans vom 1. Juli 2014 deutlich, dass es sowohl pauschal getroffene Ausnahmen gibt als auch die Möglichkeit besteht, im Einzelfall Ausgaben ohne bestehende Rechtspflicht zu leisten, sofern dafür eine Einwilligung des Finanzministeriums vorliegt. Unklar ist hier ebenfalls, wie umfangreich von diesem Instrument zugunsten bestimmter Ressorts faktisch Gebrauch gemacht wird. Das Haushaltsrecht ist eine der Kernkompetenzen des Parlaments, das faktisch durch eine Haushaltssperre eingeschränkt wird, da beschlossene Ausgaben nicht wirksam werden. Der nordrhein-westfälische Finanzminister sollte daher zeitnah größtmögliche Klarheit herstellen, welche konkreten Zielgrößen und Zeitpläne er nun mit seiner Sperrverfügung verfolgt. 1. Betragsmäßig welche Zielgröße hinsichtlich des effektiv und zusätzlich einzu- sparenden Volumens im Landeshaushalt 2014 mittels dieser allgemeinen Haushaltssperre verfolgt der Finanzminister? LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/6607 3 2. Wie wirkt sich das durch die Haushaltssperre erbrachte Einsparvolumen voraussichtlich heruntergebrochen auf die jeweiligen Ressorts in Größenrelationen und hinsichtlich der faktischen Betroffenheit für deren Aufgabenerledigung aus Sicht des Finanzministers aus? Eine exakte Bezifferung der vorhandenen finanziellen Spielräume und des sich daraus ergebenden potenziellen Einsparvolumens ist nicht möglich, Erfahrungswerte lassen jedoch einen niedrigen dreistelligen Millionenbetrag erwarten. Letztendlich hängt das tatsächliche Einsparvolumen davon ab, in welchem Umfang die unter die haushaltswirtschaftliche Sperre fallenden Ausgaben zum Zeitpunkt des Erlasses bereits gebunden waren und in welchem Umfang von den generellen Ausnahmetatbeständen Gebrauch gemacht wurde und zukünftig wird. Hinzu kommen dann noch die Einwilligungen in die Inanspruchnahme von Haushaltsmitteln im Wege von Einzelfallentscheidungen, die auch unter Geltung der haushaltswirtschaftlichen Sperre weiterhin möglich sind. Belastbare Prognosen zu Anzahl und Volumen von Ausnahmefällen jedweder Art sind zum jetzigen Zeitpunkt bezogen auf das verbleibende Haushaltsjahr weder für das Finanzministerium bezüglich des Gesamthaushaltes noch für die einzelnen Ressorts bezüglich Ihres Aufgabenbereiches möglich. Demensprechend kann auch keine Aussage über einzelplanbezogene Einsparvolumina und die faktische Betroffenheit des jeweiligen Ressorts bei der Aufgabenerledigung getroffen werden. Wichtig ist in diesem Zusammenhang aber, dass für die folgenden Bereiche eine generelle Einwilligung in die Inanspruchnahme von Haushaltsmitteln erteilt wurde:  Erfüllung von Rechtsverpflichtungen  Handeln zur Abwehr einer unmittelbar bevorstehenden Gefahr und  unabweisbare Ausgaben zur Aufrechterhaltung der Verwaltung. Im Zusammenspiel mit den im Einzelfall möglichen Einwilligungen ist somit eine funktionierende Landesverwaltung sichergestellt und die Aufgabenerledigung grundsätzlich gewährleistet . 3. Bis zu welchem Zeitpunkt soll die Haushaltssperre bestehen bleiben: bis Jahres- ende oder bis zur Verabschiedung eines Nachtragshaushalts? Eine haushaltswirtschaftliche Sperre wird solange aufrechterhalten, wie es die Entwicklung von Einnahmen und Ausgaben erfordert. In der Regel wird sie daher bis zur Verabschiedung eines Nachtragshaushaltes aufrechterhalten, gegebenenfalls bei Bedarf aber auch darüber hinaus - naturgemäß längstens bis zum Ablauf des Haushaltsjahres. 4. Für jeweils welche genauen Zwecke sind differenziert nach den einzelnen Res- sorts von Seiten des Finanzministers im ersten Monat der Haushaltssperre Einwilligungen zur Vornahme von eigentlich gesperrten Ausgaben erteilt worden? (bitte vollständige Auflistung) LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/6607 4 5. In betragsmäßig jeweils welcher genauen Höhe sind differenziert nach den einzelnen Ressorts diese zuvor genannten Ausgaben durch Einwilligung des Finanzministers im ersten Monat der Haushaltssperre für die einzelnen Zwecksetzungen ermöglicht worden? (bitte vollständige Auflistung) Nach Erlass der haushaltswirtschaftlichen Sperre sind zahlreiche Anfragen aus den einzelnen Ressorts sowohl zur generellen Handhabung als auch in Bezug auf Einzelfälle im Finanzministerium eingegangen. Eine Ermittlung des mit den Einwilligungsvorgängen verbundenen Haushaltsvolumens hat bisher nicht stattgefunden und lässt sich kurzfristig mit vertretbarem Verwaltungsaufwand auch nicht vornehmen. Das Gleiche gilt für die gewünschte Differenzierung nach den genauen Zwecken und nach den Beträgen bei Einwilligungen im Einzelfall. Die Landesregierung wird bei Vorliegen belastbarer Daten über die Wirkung der haushaltswirtschaftlichen Sperre zeitnah berichten.