LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/6608 22.08.2014 Datum des Originals: 21.08.2014/Ausgegeben: 27.08.2014 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 2512 vom 21. Juli 2014 der Abgeordneten Yvonne Gebauer und Ingola Schmitz FDP Drucksache 16/6356 Nachdem Rot-Grün die Vereinbarung zur finanziellen Umsetzung der Inklusion mit den kommunalen Spitzenverbänden bisher nicht eingehalten hat: Wann werden die Schulträger in die Lage versetzt, die Inklusion in der Sekundarstufe II beziehungsweise in den Berufskollegs vorzubereiten? Die Ministerin für Schule und Weiterbildung hat die Kleine Anfrage 2512 mit Schreiben vom 21. August 2014 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Finanzminister , dem Minister für Inneres und Kommunales und dem Minister für Arbeit, Integration und Soziales beantwortet. Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Rot-Grün hatte sich lange jeglichem finanziellen Beitrag für die kommunalen Schulträger zur Umsetzung der Inklusion verweigert. Letztlich haben SPD und Grüne sich erst nach der Drohung mit einer Verfassungsklage dazu bereit erklärt, mit den Kommunen eine tragfähige Verständigung zu suchen. Insbesondere die von Schulministerin Löhrmann wiederholt vorgetragenen Argumente gegen eine finanzielle Unterstützung des Landes und das Negieren jeglicher Verantwortung sind – erwartungsgemäß – schrittweise in sich zusammengebrochen . Allerdings hat Rot-Grün auch diese, sehr spät getroffene Vereinbarung mit den kommunalen Spitzenverbänden nicht vollständig und verabredungsgemäß umgesetzt – offensichtlich , weil man weiß, wie sehr die Schulträger die Mittel benötigen und daher den Prozess trotz des Verhaltens von Rot-Grün nicht abbrechen konnten. In der Vereinbarung zur finanziellen Unterstützung der Kommunen bei der Finanzierung der schulischen Inklusion hatten sich SPD und Grüne u.a. mit den kommunalen Spitzenverbänden auf die Formulierung „allgemeine Schulen“ verständigt. Somit waren von der finanziellen Unterstützung alle Schulstufen betroffen, auch die Sekundarstufe II sowie die beruflichen Schulen. Entgegen der Vereinbarung mit den kommunalen Spitzenverbänden wurde im Pa- LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/6608 2 ragraphen 1 des „Gesetzes zur Förderung kommunaler Aufwendungen für die schulische Inklusion“ und damit für den Bereich, für den Rot-Grün die Konnexität anerkannt hat, die Formulierung jedoch geändert, so dass die Verteilung der Mittel auf Basis der Schülerzahl „der allgemeinen Schulen der Primarstufe und der Sekundarstufe I“ erfolgt. Damit sind die Sekundarstufen II sowie die Berufskollegs bei der finanziellen Unterstützung gestrichen worden , obwohl in Artikel 2 des „Ersten Gesetzes zur Umsetzung der VNBehindertenrechtskonvention in den Schulen (9. Schulrechtsänderungsgesetz)“ z.B. festgelegt wurde, dass entsprechende Regelungen bereits zum Schuljahr 2016/2017 in den Eingangsklassen eines Berufskollegs Anwendung finden. Gerade die bisherigen Diskussionen verdeutlichen, dass für die Schulträger für eine qualitative Vorbereitung umfassende zeitliche Vorbereitungszeiträume wichtig sind. Und bereits in der Anhörung wurde von Seiten der kommunalen Spitzenverbände deutlich gemacht, dass die Vereinbarung damit nicht eins zu eins umgesetzt werde und für ein solches Vorgehen kein nachvollziehbarer Grund bestehe. So erklärte beispielsweise auch die Vertreterin des Kreises Mettmann vom Amt für Schulen und Kultur in der Anhörung am 25. Juni 2014 hierzu: „Insofern empfinden wir es jetzt als doppelte Ohrfeige, dass es mit der Sekundarstufe I enden soll. Dafür ist für mich kein Grund erkennbar. Wir haben im Kreis Mettmann vier große Berufskollegs mit über 9.000 Schülern, die alle nicht mehr in diese Berechnung einfließen, die sich gleichwohl dem Thema „Inklusion “ widmen wollen. Auch wir als Kreis Mettmann würden das gerne weiterführen, was im Bereich Primarstufe und Sekundarstufe I angefangen wurde, müssen dafür aber beispielsweise alle Fachräume zugänglich machen können an so großen Systemen wie Berufskollegs . Ganz klar: Alle Schüler der Sekundarstufe II müssen mit Berücksichtigung finden“ (siehe APr 16/604). Diese Hinweise haben SPD und Grüne offensichtlich nicht interessiert. Begründet wurde dieses Vorgehen damit, dass zunächst nur die Grundschulen und die weiterführenden Schulen der Sekundarstufe I betroffen seien; auch würden weitere Gesetze folgen. Ebenfalls wird z.B. bezüglich der Berufskollegs auf ein abzuwartendes „Inklusionsgutachten “ verwiesen. Auch wenn es in diesem Fall zu offensichtlichen Verzögerungen (mit offenbar tragischem Hintergrund) gekommen ist, stellt sich nach inzwischen mehreren Jahren die Frage, wann die Landesregierung ein solches Gutachten vorlegen wird. Generell drängt sich der Verdacht auf, dass sich die Landesregierung immer nur so weit bewegt , wie es irgendwie notwendig ist – ob dabei Vereinbarungen eingehalten werden, scheint irrelevant. Auch ist Misstrauen gerade bezüglich der Sekundarstufe II angebracht, da die Ministerin für Schule und Weiterbildung offenkundig bereits vorgearbeitet hatte. Während in der vorherigen Schuljahresauftaktpressekonferenz „Inklusionsdaten“, also die Anzahl der Jugendlichen mit sonderpädagogischem Förderbedarf, auch über die Sekundarstufen I hinaus bereitgestellt worden sind, waren diese Daten bei der letzten Schuljahresauftaktpressekonferenz im Bereich der Sekundarstufe II plötzlich nicht vorhanden. Auf Nachfrage der FDP-Fraktion in den Haushaltsberatungen zum Landeshaushalt 2014 erklärte die Ministerin hierzu: „Fragen der Inklusion von Schülerinnen und Schülern mit sonderpädagogischem Förderbedarf werden in der öffentlichen Diskussion vorwiegend im Bereich der Primarstufe und Sekundarstufe I thematisiert. Die üblicherweise für Nordrhein-Westfalen kommunizierte Inklusionsquote bezieht sich demnach auf Schülerinnen und Schüler der Primarstufe und Sekundarstufe I.“ Man habe „davon Abstand genommen, eine zusätzliche Inklusionsquote für die Sekundarstufe II auszuweisen, damit eine Vergleichbarkeit nicht erschwert“ werde. Gleichwohl zeigt die im Zuge der Nachfrage übermittelte Inklusionsquote an der Sekundarstufe II von 38,4 Prozent, wie wichtig dieses Thema ist. Nicht nur wäre für viele Schulen bereits jetzt vielfach zusätzliche Unterstützung hilfreich; offenkundig hat Rot-Grün auch nichts aus der zeitlich unzureichenden Vorbereitungszeit an den Schulen der Primarstufe und der Sekundarstufe I gelernt. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/6608 3 Vorbemerkung der Landesregierung Die Kleine Anfrage bezieht sich auf das Gesetz zur Förderung kommunaler Aufwendungen für die schulische Inklusion vom 9. Juli 2014 (GV. NRW. S. 404). Den Entwurf dieses Gesetzes haben Fraktionen des Landtags eingebracht, nicht die Landesregierung (Landtagsdrucksache 16/5751). Der Ausschuss für Schule und Weiterbildung und der Ausschuss für Kommunalpolitik des Landtags haben dazu am 25. Juni 2014 in öffentlicher Sitzung Sachverständige angehört (Ausschussprotokoll 16/604). Die Beschlussempfehlung und der Bericht des Ausschusses für Schule und Weiterbildung (Landtagsdrucksache 16/6150) gehen im Einzelnen auf das Beratungsverfahren und die Abstimmung ein. Es handelt sich damit um einen innerparlamentarischen Vorgang, den die Landesregierung nicht zu erklären oder zu kommentieren hat. Das Gesetz dient allerdings der Umsetzung einer Vereinbarung der Landesseite mit den Kommunalen Spitzenverbänden, wobei mit der Landesseite die Landesregierung und die sie tragenden Fraktionen des Landtags gemeint waren. Diese Vereinbarung ist im Gesetzentwurf abgedruckt. Soweit die Landesseite im Rahmen eines Kompromisses die Konnexität des 9. Schulrechtsänderungsgesetzes anerkannt hat, haben beide Seiten vereinbart, dass die Mittel des Landes in Höhe von jährlich 25 Mio. Euro (vorbehaltlich des Ergebnisses der Evaluierung) auf der Grundlage der Schülerzahlen an allgemeinen Schulen an die kommunalen Schulträger verteilt werden. Am 3. Juli 2014 haben sich die Landesseite und die Kommunalen Spitzenverbände auf folgende Protokollnotiz verständigt: Gemeinsame Untersuchung der Entwicklung kommunaler Aufwendungen für die schulische Inklusion gem. §§ 1 Abs. 4, 2 Abs. 6 Inklusionsfördergesetz (InFöG) Protokollnotiz: Mit Eintritt in die gem. §§ 1 Abs. 4, 2 Abs. 6 InFöG vorgesehene gemeinsame Untersuchung der Entwicklung der Aufwendungen für schulische Inklusion halten die Beteiligten vorab Folgendes fest: Der Verteilungsschlüssel gem. § 1 Abs. 4 InFöG ist aktuell auf die Schülerzahl allgemeiner Schulen der Primarstufe und der Sekundarstufe I begrenzt. Dies folgt aus dem gem. Art. 2 des 9. SchRÄG zeitlich versetzten Wirksamwerden des elterlichen Antragsrechts gem. § 19 Abs. 5 (n.F.) SchulG. Rechtzeitig vor Ausweitung des elterlichen Antragsrechts auf die Eingangsklasse eines Berufskollegs zum Schuljahr 2016/2017 wird der Verteilungsschlüssel des § 1 Abs. 4 InFöG um die Schüler der Sekundarstufe II aller allgemeinen Schulen ergänzt. Hinsichtlich der dazu erforderlichen gesetzlichen Änderungen besteht zwischen den Beteiligten - unter ausdrücklichem Einschluss der regierungstragenden Fraktionen - Einvernehmen, dass diese Änderungen von der Landesseite zeitgerecht initiiert werden. 1. Wie erklärt die Landesregierung die Abweichungen zwischen dem nunmehr be- schlossenen „Gesetz zur Förderung kommunaler Aufwendungen für die schulische Inklusion“ und der Vereinbarung mit den kommunalen Spitzenverbänden? LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/6608 4 2. Da an den allgemeinen Schulen der Primarstufe sowie der Sekundarstufe I die unzureichende Vorbereitungszeit beklagt wird: Warum ermöglicht die Landesregierung nicht eine zeitnahe Einbindung von Sek II/Berufskollegs in die finanzielle Unterstützung der Schulträger zur Umsetzung der Inklusion, so dass dort vor Eintritt des grundsätzlichen Rechtsanspruches entsprechende Vorbereitungen getroffen werden können? Aus der Sicht der Landesregierung weicht das Gesetz nicht von der Vereinbarung ab, denn darin war lediglich von „allgemeinen Schulen“ und nicht von „den“ allgemeinen Schulen die Rede. Die sachliche Begründung, die Schülerzahlen der Berufskollegs im Jahr 2015 bei der Leistung des Landes im Verteilungsschlüssel noch nicht zu berücksichtigen, folgt Artikel 2 Absatz 1 Nummer 2 des 9. Schulrechtsänderungsgesetzes. 3. Werden mit einem Folgegesetz des „Gesetzes zur Förderung kommunaler Auf- wendungen für die schulische Inklusion“ auch die Sekundarstufen II/Berufskollegs in den „Korb I“ mit den entsprechenden rechtlich-finanziellen Folgen aufgenommen werden (bitte rechtlich-finanzielle Folgen nach Zuteilung Korb I, Anerkennung der Konnexität sowie nachfolgender Evaluationen aufgeschlüsselt beantworten)? Ich verweise auf die Vorbemerkungen. 4. Wenn die Frage 3 bejaht wird: Wann genau soll ein solches Gesetz in den Land- tag eingebracht werden, um für die Sekundarstufen II/Berufskollegs eine entsprechende Vorbereitungszeit zu ermöglichen? Ich verweise auf die Vorbemerkungen. 5. Wann wird das zugesagte „Inklusionsgutachten“ zur Umsetzung und Gestaltung des Inklusionsprozesses im Berufskolleg endlich dem Landtag vorgelegt werden ? Die externe gutachterliche Beratung wird zunächst der Meinungsbildung der Landesregierung dienen. Über die Weitergabe wird die Landesregierung nach Abnahme und Auswertung entscheiden.