LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/6615 25.08.2014 Datum des Originals: 22.08.2014/Ausgegeben: 28.08.2014 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 2499 vom 14. Juli 2014 des Abgeordneten Hanns-Jörg Rohwedder PIRATEN Drucksache 16/6333 Sichere Entsorgung der hochradioaktiven Brennelementkugeln im Forschungszentrum Jülich Der Minister für Wirtschaft, Energie, Industrie, Mittelstand und Handwerk hat die Kleine Anfrage 2499 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister für Inneres und Kommunales, dem Minister für Arbeit, Integration und Soziales, dem Minister für Klimaschutz , Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz und der Ministerin für Innovation , Wissenschaft und Forschung beantwortet. Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Am 2. Juli 2014 hat das NRW-Wirtschaftsministerium als Atomaufsicht angeordnet, dass das Forschungszentrum Jülich das AVR-Zwischenlager zu räumen habe und die dort lagernden 152 Castor-Behälter mit insgesamt rund 300 000 hochradioaktiven Brennelementkugeln das Zwischenlager zu verlassen hätten. Als Grund wurden ausstehende Untersuchungen zur Erdbebensicherheit genannt. Aus der Erklärung des Wirtschaftsministeriums geht weder hervor, ob und wie sich diese Entscheidung auf den geplanten Bau eines neuen, besser geschützten Zwischenlagers in Jülich auswirkt. Es bleibt ferner unklar, welche alternativen Lagermöglichkeiten für die 152 Castor-Behälter zur Verfügung stehen und vor allem, wie eine langfristige sichere Entsorgung des hochradioaktiven Atommülls möglich ist. Auch eine zeitliche Frist zur „Räumung“ des Zwischenlagers wurde anscheinend nicht gesetzt. Das Thema Erdbebensicherheit überrascht insofern, als die Erdbebensicherheit rund um Jülich weder beim Bau und Betrieb des AVR-Hochtemperatur-Reaktors in Jülich von 1967- 1988 problematisiert wurde noch beim Bau und Betrieb des jetzigen Zwischenlagers, das seit 1993 in Betrieb ist. Auch beim Bau des neuen Zwischenlagers für den hochverstrahlten LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/6615 2 AVR-Druckbehälter vor wenigen Jahren spielte die Erdbebensicherheit keine nennenswerte Rolle. 1. Warum spielt die Erdbebensicherheit in Jülich erst heute, 47 Jahre nach Inbe- triebnahme des AVR-Hochtemperatur-Reaktors in Jülich, eine derart entscheidende Rolle? Die Erdbebensicherheit hat bei der Erteilung von Genehmigungen zur Errichtung und zum Betrieb von kerntechnischen Anlagen in der BRD – insoweit auch in Jülich – immer schon eine angemessene Berücksichtigung gefunden. Mit dem kontinuierlich fortschreitenden Stand von Wissenschaft und Technik haben sich aber Kriterien und vor allem die Anforderungen im Genehmigungsverfahren stetig weiter entwickelt und erhöht. Für das im laufenden Genehmigungsverfahren des Bundesamtes für Strahlenschutz (BfS) für das Jülicher AVR-Behälterlager angenommene sog. Bemessungserdbeben ist nach dem von der Genehmigungsbehörde herangezogenen fortgeschriebenen kerntechnischen Regelwerk ein längerfristiger Beobachtungszeitraum zu betrachten, was nach aktualisierten geologischen Erkenntnissen am Standort statistisch die Berücksichtigung einer größeren Erdbebenstärke erfordert. 2. Welche Auswirkungen hat die jetzige Entscheidung der Landesregierung auf den geplanten Neubau einer Castor-Zwischenlagerhalle in Jülich selbst? Die Forschungszentrum Jülich GmbH wurde vor dem Hintergrund einer vorläufigen geologischen Bewertung mit Anordnung des MWEIMH vom 02.07.2014 aus Gründen der Voraussicht aufgefordert, Konzepte zur Entfernung der Kernbrennstoffe aus dem AVR-Behälterlager vorzulegen. Eine Entscheidung über die Option des Neubaus einer Zwischenlagerhalle in Jülich ist damit allerdings noch nicht getroffen. Die Option des weiteren Verbleibs der Brennelemente in Jülich besteht dann weiter, wenn weiterführende geologische Untersuchungen zu der Erkenntnis führen, dass die Nachweisführung zur Erdbebensicherheit im Genehmigungsverfahren noch gelingen könnte. 3. Welche Auswirkungen hat die jetzige Entscheidung der Landesregierung auf die geplante Überführung des AVR-Druckbehälters in die vor wenigen Jahren eigens dafür neu gebaute Zwischenlagerhalle? Die Anordnung des MWEIMH vom 02.07.2014 bezüglich der Entfernung der Kernbrennstoffe aus dem AVR-Behälterlager hat auf die geplante Überführung des AVR-Reaktorbehälters in das AVR-Reaktorbehälter-Zwischenlager auf dem Gelände der Forschungszentrum Jülich GmbH keine Auswirkungen. Art und Umfang von Schutzmaßnahmen sind in atomrechtlichen Verfahren generell unter Berücksichtigung des Gefährdungspotentials und der Wahrscheinlichkeit des Eintritts eines Störfalls festzulegen. Die Minimierung des Gefährdungspotentials, welches von den im AVRReaktorbehälter vorhandenen radioaktiven Stäuben ausgeht, wurde durch die vollständige Verfüllung des AVR-Reaktorbehälters mit Porenleichtbeton erreicht, d.h. im Reaktorbehälter sind diese Stäube durch Porenleichtbeton dauerhaft fixiert. Der Transport des AVRReaktorbehälters in die dafür vorgesehene Zwischenlagerhalle in Jülich wird einen so kurzen LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/6615 3 Zeitraum in Anspruch nehmen, dass die Wahrscheinlichkeit des Eintritts eines Erdbebens in dieser Zeit nicht zu unterstellen ist. 4. Welche Auslagerungsmöglichkeiten für die 152 Castoren verfolgt die Landesre- gierung derzeit konkret (bitte aufschlüsseln nach jeweiliger Option und Stand der jeweiligen Prüfungen bzw. Verhandlungen dazu)? In der Anordnung vom 02.07.2014 wird das Forschungszentrum Jülich aufgefordert, dem Ministerium für Wirtschaft, Energie, Industrie, Mittelstand und Handwerk aus Gründen der Voraussicht ein Konzept zur Entfernung der Kernbrennstoffe aus dem AVR-Behälterlager in einem Variantenvergleich vorzulegen. Neben der Option eines Verbleibs in Jülich wären mögliche Varianten einer Auslagerung, z.B. die Rückführung der AVR-Brennelemente in die USA oder der Abtransport in das Transportbehälterlager Ahaus. 5. Wie will die Landesregierung angesichts der neuen Sachlage ihr selbstgesteck- tes Ziel erreichen, gefährliche Atomtransporte durch NRW zu vermeiden? Diese Frage hat der Fragesteller inhaltsähnlich u. a. in der Frage 5 in seiner Kleinen Anfrage 1735 vom 29.10.2013 gestellt. Die Landesregierung steht weiterhin zu der im Koalitionsvertrag geäußerten Ablehnung sinnloser Atomtransporte quer durch NRW.