LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/6623 26.08.2014 Datum des Originals: 26.08.2014/Ausgegeben: 29.08.2014 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Neudruck Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 2550 vom 28. Juli 2014 des Abgeordneten Ralf Witzel FDP Drucksache 16/6431 Auswirkungen der Einführung einer Finanztransaktionsteuer für die EAA – Welche Konsequenzen haben die gesetzlichen Änderungen für den Portfoliobestand und das Betriebsergebnis der WestLB-Bad Bank Erste Abwicklungsanstalt? Der Finanzminister hat die Kleine Anfrage 2550 mit Schreiben vom 26. August 2014 namens der Landesregierung beantwortet. Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Am 6. Mai 2014 haben sich nun insgesamt zehn Mitgliedstaaten der Europäischen Union im Wege einer verstärkten Zusammenarbeit auf die Einführung einer Finanztransaktionsteuer verständigt und dabei inhaltlich sowie prozedural eine Harmonisierung der Besteuerung von Finanztransaktionen vereinbart. Die Details zur Ausgestaltung sollen bis Jahresende 2014 vorliegen. Die Verabredung sieht vor, zunächst mindestens eine Besteuerung von Aktien und ausgewählter Derivate ab dem 1. Januar 2016 vorzunehmen. Den Teilnehmern ist es dabei ausdrücklich freigestellt, gemäß nationaler Entscheidung auch noch weitere Finanzprodukte in die Besteuerung mit einzubeziehen. Dieser Umstand ist wichtig, da sich die Bundesregierung eigentlich eine Verabredung mit einem sogar noch weitreichenderen Anwendungstatbestand gewünscht hat. Eine schrittweise Ausdehnung der Regelungen ist daher wahrscheinlich, da die getroffene Vereinbarung als Minimalverständigung in zunächst abgespeckter Form gilt. Die Finanztransaktionsteuer knüpft an der grundsätzlich nachvollziehbaren Überlegung an, den Finanzsektor an den beachtlichen öffentlichen Kosten der Finanzmarktkrise zu beteiligen und als unerwünscht und schädlich für die Finanzmarktstabilität angesehene Spekulationen einzudämmen. Mit der beabsichtigten Einführung ergeben sich aber viele ungelöste Folgefragen und nicht unerhebliche Folgekosten. Allein die Bundesrepublik Deutschland erhoffte LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/6623 2 bei einer vollständigen Umsetzung der ursprünglichen Pläne (Steuer auf Aktien, Anleihen und sämtliche Derivatetransaktionen) jährliche Steuermehreinnahmen von rund 12 Mrd. Euro aus der neuen Finanztransaktionsteuer. In gleicher Höhe wird eine Finanztransaktionssteuer spiegelbildlich den deutschen Finanzmarkt belasten. Die Bundesregierung tritt weiterhin dafür ein, die Finanztransaktionsteuer auf möglichst alle Finanzprodukte zu erheben. Die erste Stufe soll nun für Aktien und einige Derivate zum 1. Januar 2016 in Kraft treten. Details der genauen Ausgestaltung sind gegenwärtig noch offen. In ihrem ursprünglichen Vorschlag hat die EU-Kommission einen Finanztransaktionsteuersatz auf Wertpapiergeschäfte in Höhe von 0,1% und bei Derivaten von 0,01% auf den Nominalwert vorgesehen. Die Steuer soll sowohl vom Käufer als auch vom Verkäufer zu entrichten sein, das heißt, die Sätze verdoppeln sich bei einer Transaktion, sofern nicht eine Partei von der Entrichtung der Finanztransaktionsteuer befreit ist. Die neue Finanztransaktionsteuer löst daher nicht nur eine positive Einnahmeerwartung für den Bund aus, sie betrifft auch nachhaltig das Finanzmanagement der WestLB-Bad Bank Erste Abwicklungsanstalt (EAA) und dürfte im Ergebnis dazu führen, dass der Prozess der WestLB-Abwicklung für den Steuerzahler noch erheblich teurer wird als bislang ohnehin schon geplant. Die EAA hat seit der Errichtung Wertpapiere von fast 60 Mrd. Euro platziert. Die ursprünglich übernommenen Vermögensgegenstände von über 200 Mrd. Euro sind in mehr als sechzig Währungen denominiert. Dieses Portfolio steuert die EAA mit einem Planungshorizont bis 2027 (Angaben gemäß Geschäftsbericht 2013, S. 10). Dabei setzt sie zur Risikosteuerung auch gezielt ein Derivateportfolio ein, das laut Erläuterungen zur Bilanz ein beträchtliches Volumen von immensen 670 Mrd. Euro aufweist (vgl. Geschäftsbericht 2013, S. 156). Ein EAA-Vorstandsmitglied erläutert dieses Phänomen auf S. 39 im Geschäftsbericht 2013: „Ich sehe es so: In der Krise waren nicht die Derivate das Hauptproblem. Es sind Finanzinstrumente und keine Wetten. Mit solchen Termingeschäften können Marktschwankungen etwa bei Zinsen und Aktienkursen abgefedert werden. Letztlich werden damit Werte stabilisiert und abgesichert. Chancen und Risiken sind kalkulierbar. Ein Problem entsteht vor allem dann, wenn – wie in der Krise – die dahinterliegenden Geschäfte oder Kontrahenten ausfallen .“ Eine unmittelbare Betroffenheit und Belastung der EAA dürfte demnach vorliegen, wenn eine Finanztransaktionsteuer eingeführt wird. Die EAA hätte als Transaktionspartner diese Steuer einerseits direkt zu entrichten, andererseits existiert oft eine Anzahl von Folgegeschäften bei der Absicherung eines Ursprungsgeschäfts (beispielsweise zins- oder währungsbezogener Produkte), wodurch weitere indirekte Belastungen der Geschäftstätigkeit entstehen (sog. Kaskadeneffekte). Daher dürfte die Einbeziehung von Derivaten in die Finanztransaktionsteuer die EAA vor große Probleme stellen, da dadurch die Kosten ihrer Absicherungsgeschäfte steigen. Diese sind auch vor dem Hintergrund zu beurteilen, dass sich die EAA gern rühmt, nach Jahren des Eigenkapitalverzehrs im letzten Jahr 2013 einen Jahresüberschuss von 59 Mio. Euro erzielt zu haben (vgl. Jahresbericht 2013, S. 3). Die EAA geht ferner für die kommenden Jahre von einem jährlichen Emissionsvolumen zur Refinanzierung von 5 Mrd. Euro aus (vgl. Geschäftsbericht 2013, S. 21). Dabei setzt sie stark auf internationale institutionelle Investoren. So wurden nach ihren Angaben 2013 zwei LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/6623 3 Drittel an Investoren außerhalb Deutschlands abgesetzt. Deshalb dürfte ein beträchtlicher Anteil ihrer Investorgruppen (wie Versicherungen, Banken, Fonds oder Notenbanken) aus Ländern stammen, die nicht an der europäischen Finanztransaktionsteuer teilnehmen. Die Bereitschaft dieser Investoren ist fraglich, dann noch steuerpflichtige Finanzinstrumente der EAA zu erwerben. Diese Problematik hat unmittelbar Auswirkungen auf die Konditionen, da die Investoren die Finanztransaktionsteuer selbst wohl nicht zu tragen bereit sein dürften. Es ist daher für das Parlament von großem Interesse zu erfahren, welche Erkenntnisse der EAA aus den Gesprächen mit den Investoren und den Betreibern von Handelsplattformen an ausländischen Finanzplätzen außerhalb der an der Finanztransaktionsteuer partizipierenden Staaten vorliegen, die Infrastruktur für die Erhebung und Abführung einer neuen Finanztransaktionsteuer zu finanzieren und welche Möglichkeiten EAA und Landesregierung sehen, diesen exterritorialen Anspruch an weltweiten Finanzplätzen wie beispielsweise London, Zürich, New York, Tokio, Hongkong und Singapur durchsetzen zu können. Marktkreise gehen durch Einführung der Finanztransaktionsteuer mindestens von jährlichen Belastungen in einer mittleren zweistelligen Millionengrößenordnung aus. Über den weiteren Abwicklungszeitraum bis 2027 würden daraus Mehraufwendungen in einem beträchtlichen dreistelligen Millionenvolumen für den Abwicklungsprozess erwachsen. Gut denkbar sind ebenfalls zusätzliche Belastungen in einer Milliardengrößenordnung. Aufschlussreich ist in diesem Zusammenhang auch ein Blick in die Fristengliederung der derivativen Geschäfte (vgl. Geschäftsbericht 2013, S. 158). Daraus geht hervor, dass sowohl bei zinsbezogenen, währungsbezogenen, aktien- und sonstigen preisbezogenen Produkten als auch bei Kreditderivaten nur ein kleiner Teil langfristige Geschäfte mit einer Restlaufzeit von über fünf Jahren sind. Die Fälligkeit ist zumeist deutlich kürzer, oftmals liegt diese sogar innerhalb der Frist eines Jahres. Da es bekanntlich die Aufgabe der EAA ist, Assets nicht nur automatisch bis zur Fälligkeit zu halten (Buy and Hold-Strategie) und dann zu veräußern, sondern die Steuerung des Abbauprozesses regelmäßig an die Marktsituation anzupassen, optimale Verkaufszeitpunkte auszuwählen und dafür auch Restrukturierungen vorzunehmen, dürfte für zahlreiche derivative Geschäfte der EAA die Problematik Finanztransaktionsteuer objektiv von großer Relevanz sein. Diese Zielsetzungen schließen logischerweise ebenfalls Laufzeitenverlängerungen oder Neuabschlüsse für die die Grundgeschäfte begleitenden Absicherungsgeschäfte mit ein. 1. Wie hoch ist das Volumen der von der EAA gehaltenen bzw. der von der EAA emittierten und im Umlauf befindlichen Finanzinstrumente, die bei Umsetzung der Vorschläge der EU-Kommission von der Finanztransaktionsteuer bei entsprechenden Transaktionen belastet würden? (detaillierte, strukturierte Darstellung erbeten) 2. Welche voraussichtlichen Belastungen ergeben sich für die EAA einerseits di- rekt als zu entrichtende Steuer als Transaktionspartner selbst und andererseits indirekt durch die Belastungen abgeschlossener Folgegeschäfte? (bitte relevante Szenarien am Beispiel durchgeführter Transaktionen darstellen) LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/6623 4 3. In welchem voraussichtlichen Umfang ist die EAA bei Einführung einer Finanztransaktionssteuer auf Derivate betroffen? (Derivateportfolio insgesamt, Darstellung der Auswirkungen auf ein Einzelgeschäft gern anhand eines repräsentatives Beispiels für die von der EAA eingesetzten zinsbezogenen oder währungsbezogenen Produkte: Kosten für das reine Absicherungsgeschäft und separat auf die darauf entfallende Finanztransaktionsteuer ) 4. Wie hoch ist der Anteil von Investoren an von der EAA genutzten Finanzproduk- ten, bitte aufgeschlüsselt nach Staaten und Investorengruppen, insbesondere differenziert nach Ländern (namentlich), die nicht an der Finanztransaktionsteuer teilnehmen und solchen, die dies beabsichtigen? (bei der Antwort bitte zwischen dem Absatz am Primärmarkt und den von Investoren gehaltenen Beständen differenzieren) 5. Welche Möglichkeiten sehen EAA und Landesregierung, diesen exterritorialen Anspruch ohne Verschlechterung der Konditionen an zuvor genannten weltweiten Finanzplätzen durchsetzen und die Probleme der EAA bei Einführung einer Finanztransaktionsteuer marktkonform, also ohne jede gesetzliche Bevorzugung gegenüber anderen Institutionen beherrschen zu können? Am 6. Mai 2014 haben zehn EU-Mitgliedstaaten im Rahmen einer gemeinsamen Erklärung die Absicht bekundet, die Finanztransaktionsteuer ab dem Jahr 2016 stufenweise einführen zu wollen. In der Erklärung fehlen insbesondere konkrete Einzelheiten zur Ausgestaltung des rechtlichen Rahmens wie Regelungen zu Steuerpflicht, Bemessungsgrundlagen und anzuwendenden Steuersätzen. Ohne derartige konkrete Details können keine seriösen Modellrechnungen vorgenommen werden, derer es bedarf, um die gestellten Fragen beantworten zu können. Die Erste Abwicklungsanstalt wird nach Vorliegen von Details zur geplanten Finanztransaktionsteuer eine Analyse und Folgenabschätzung durchführen.