LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/6640 27.08.2014 Datum des Originals: 26.08.2014/Ausgegeben: 01.09.2014 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 2532 vom 25. Juli 2014 des Abgeordneten Marcel Hafke FDP Drucksache 16/6393 KiTas in NRW sind unterfinanziert – Wie bewertet die Landesregierung die Kritik aus der Regierungsfraktion an der 2. KiBiz-Revisionsstufe? Die Ministerin für Familie, Kinder, Jugend, Kultur und Sport hat die Kleine Anfrage 2532 mit Schreiben vom 26. August 2014 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Finanzminister und dem Minister für Inneres und Kommunales beantwortet. Vorbemerkung der Kleinen Anfrage In einer bemerkenswerten Positionierung gegenüber der Presse hat die stellvertretende Vorsitzende der SPD-Landtagsfraktion, Britta Altenkamp, am 22. Juli 2014 die Unterfinanzierung der KiTas in Nordrhein-Westfalen beklagt. Kurz nach Verabschiedung der 2. Revision des Kinderbildungsgesetzes, das sowohl die Landesregierung als auch die sie tragenden Regierungsfraktionen als ein zentrales Reformvorhaben und als deutliche Verbesserung der finanziellen Situation für die Einrichtungen, sogar als „Paradigmenwechsel“ in der frühkindlichen Bildung beworben haben, muss diese öffentlich vorgetragene Sorge seitens eines Mitglieds des Fraktionsvorstands als Kritik am eigens beschlossenen Gesetz aufgefasst werden. Die Höhe der Pauschalen war einer der zentralen Diskussionspunkte im Beratungsverfahren der 2. Revisionsstufe des KiBiz. Von vielen Sachverständigen und deutlich vernehmbar auch aus der Praxis ist eine Anpassung gefordert worden, gleichzeitig sind die zusätzlichen flächendeckend einzusetzenden Mittel als unzureichend kritisiert worden. Wiederholt ist festgestellt worden, dass die Erhöhung im Rahmen der 2. Revision des KiBiz nicht einmal ausreicht , um die gestiegenen Sach- und Personalkosten auszugleichen. Vor diesem Hintergrund erstaunt es sehr, dass ein Mitglied der SPD-Fraktionsführung nun den Eindruck erweckt , gerade erst von den drängenden finanziellen Nöten der Einrichtungen und der Freien Träger erfahren zu haben. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/6640 2 Der familienpolitische Sprecher der SPD-Landtagsfraktion, Wolfgang Jörg, hatte in seiner Plenarrede zur 2. KiBiz-Revision am 27. März 2014 insbesondere das dialogorientierte Verhalten von Rot-Grün herausgestellt: „Wir hingegen gehen höchst kommunikativ vor. Allein Rot-Grün macht über 150 Veranstaltungen im Land. Wir versuchen, dialogisch mit den Betroffenen zu diskutieren und zu reflektieren. [...] die Menschen, mit denen wir uns da treffen – die Erzieherinnen, die Eltern, die Träger –, können uns sagen – auch zu Recht –, wo noch etwas fehlt und was wir besser machen sollten“ (vgl. Plenarprotokoll 16/60). Auch die Familienministerin Ute Schäfer hatte in ihrer Plenarrede an diesem Tag den Dialog und Fortschritt in der frühkindlichen Bildung betont: „Wir können mit Fug und Recht sagen: Dabei sind wir einen Riesenschritt vorangekommen. Im Gegensatz zu Ihnen haben wir auch mit den Menschen, die betroffen sind, gesprochen; denn bevor wir diese Schritte unternommen haben, haben wir in allen Teilen des Landes Regionalkonferenzen durchgeführt. Wir haben es sehr ernst genommen, was uns die Menschen, die in den Kitas arbeiten, mit auf den Weg gegeben haben, und wir haben es Zug um Zug umgesetzt. Vor allem eines ist wichtig: Es gibt wieder Vertrauen in die Verlässlichkeit der Kitapolitik des Landes NordrheinWestfalen “ (vgl. Plenarprotokoll 16/60). Die nun artikulierte Eigenkritik an der nicht auskömmlich gestalteten Finanzierung ist auch insofern überraschend, als dass SPD und Grüne eine Evaluation des Finanzierungssystems, wie es das KiBiz selbst vorgeschrieben hatte, verweigert haben. Dabei hätte eine Evaluation bereits vor der erfolgten Verabschiedung der 2. Revisionsstufe den konkreten Handlungsbedarf aufzeigen können. Die wiederholt aus den Reihen der Regierungsfraktionen und der Landesregierung geäußerte Einschätzung, eine Evaluation sei überflüssig, da alle Erkenntnisse bereits vorlägen, scheint offenkundig falsch gewesen zu sein. Lösungen zu der nun offenbar anerkannten Unterfinanzierung soll, so forderte Frau Altenkamp laut Presseberichterstattung, ein „KiTa-Gipfel“ bringen. Das erinnert stark an die „Krippengipfel “ der Landesregierung, die in der Vergangenheit tagten. Vorbemerkung der Landesregierung Vor und seit Inkrafttreten des von der damaligen Regierung verabschiedeten KiBiz ist die Kritik an diesem Gesetz nicht verstummt. Die jetzige Landesregierung hat deshalb seit 2010 die Verbesserung der Rahmenbedingungen der frühkindlichen Bildung zu einem ihrer Arbeitsschwerpunkte gemacht. Seitdem gehen der quantitative und der qualitative Ausbau der Betreuungsangebote in NRW Hand in Hand und die Zahlen spiegeln den Erfolg dieser Arbeit wider. Die Revision des Kinderbildungsgesetzes erfolgt dabei Schritt für Schritt auf der Basis der im engen Dialog mit den Beteiligten gewonnenen Erkenntnisse und zielgerichteten Schwerpunktsetzungen . In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass alle Verbesserungen seit 2010 ausschließlich mit Landesmitteln finanziert werden. Im Rahmen dieses Prozesses ist die Landesregierung – entgegen der Behauptung des Fragestellers - auch stets ihren gesetzlichen Verpflichtungen nachgekommen. Zuletzt wurde dem Landtag mit Datum vom 8. Juli 2013 der schriftliche Bericht zu den Auswirkungen des KiBiz-Änderungsgesetzes gemäß § 28 Abs. 2 KiBiz a.F. vorgelegt. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/6640 3 1. Teilt die Landesregierung die von Frau Altenkamp geäußerte Einschätzung, dass die KiTas in Nordrhein-Westfalen, auch nach Verabschiedung der 2. Revision des KiBiz, unterfinanziert sind und dass ohne Gegensteuern „Versorgungsstrukturen ins Rutschen kommen“? Die Landesregierung teilt die Einschätzung, dass die Rahmenbedingungen der frühkindlichen Bildung verbessert werden müssen. Sie teilt ebenfalls die Einschätzung und hat dies auch immer wieder zum Ausdruck gebracht, dass eine umfassende Neugestaltung des Finanzierungssystems - auch aufgrund der Haushaltssituation des Landes - allein durch das Land finanziert, nicht zu realisieren ist. Das gilt auch für die jährlichen Anpassungen der Kindpauschalen . Dies kann nur im Zusammenwirken aller Beteiligten geklärt werden. Gleichzeitig setzt die Landesregierung darauf, dass die Kommunen als örtliche Träger der Jugendhilfe ihren gesetzlichen Verpflichtungen nach § 24 SGB VIII entsprechen und auch die freien Träger ihrer Verantwortung nachkommen, wie sie es auch in der öffentlichen Anhörung zum KiBiz-Änderungsgesetz am 30. April 2014 im Ausschuss für Familie, Kinder und Jugend zum Ausdruck gebracht haben. 2. Hatte die Landesregierung durch ihr dialogorientiertes Verfahren im Vorfeld der Einbringung des Gesetzentwurfs zur 2. KiBiz-Revision Kenntnis von der Einschätzung der Freien Träger zur Finanzsituation der KiTas in NRW? In der öffentlichen Anhörung zum KiBiz-Änderungsgesetz am 30. April 2014 im Ausschuss für Familie, Kinder und Jugend wurden im Rahmen einer umfassenden Erörterung auch Fragen der Finanzierung behandelt und die Sachverständigen aus den Reihen der Träger um ihre Einschätzung gebeten. Die geäußerten Einschätzungen entsprachen dem, was die Träger auch in vorherigen Gesprächen – zum Teil auch in öffentlichen Verlautbarungen - zum Ausdruck gebracht haben. 3. Wie bewertet die Landesregierung die Forderung nach einem „KiTa-Gipfel“, ins- besondere vor dem Hintergrund, dass sie im Vorfeld der KiBiz-Revision nach eigener Auskunft ohnehin stets im Dialog mit Kommunen und Trägern stand? Die Landesregierung wird ihren kontinuierlichen Dialog mit Kommunen und Trägern fortsetzen und dabei jeweils die sich aus dem Sachzusammenhang anbietenden Dialogformate nutzen. In diesem Zusammenhang sei darauf hingewiesen, dass das MFKJKS im Zusammenhang mit dem U3-Ausbau gute Erfahrungen damit gemacht hat, alle Beteiligten für ein gemeinsames Gespräch an einen Tisch zu holen. 4. Wie bewertet die Landesregierung Überlegungen, dass eine Erhöhung der Kind- pauschalen allein von den Kommunen finanziert werden sollte? Der Landesregierung sind solche Überlegungen nicht bekannt. Daher bedarf es auch keiner Bewertung. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/6640 4 5. Warum hat die Landesregierung auf eine Evaluation des Finanzierungssystems verzichtet, obwohl eine umfassende Evaluation im ursprünglichen Gesetz vorgeschrieben war und vor der Verabschiedung der 2. Revisionsstufe offenbar doch Erkenntnislücken bei einer Regierungsfraktion bestanden? Die Landesregierung nimmt aufgrund der Gewaltentrennung zur Willensbildung in Fraktionen des Landtags keine Stellung. .