LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/6649 28.08.2014 Datum des Originals: 28.08.2014/Ausgegeben: 02.09.2014 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 2579 vom 6. August 2014 des Abgeordneten André Kuper CDU Drucksache 16/6514 Wurde Hagens Wettbürosteuer trotz rechtlicher Unsicherheiten genehmigt? Der Minister für Inneres und Kommunales hat die Kleine Anfrage 2579 mit Schreiben vom 28. August 2014 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Finanzminister beantwortet. Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Am 4. August 2014 gab das Innenministerium Nordrhein-Westfalen bekannt, dass mit der Stadt Hagen nun die erste Kommune eine sog. Wettbürosteuer einführt. Damit werden künftig Wettbüros besteuert, in denen Sport- und Pferdewetten mitverfolgt werden können. Wettbüros , in denen lediglich Wettscheine angenommen werden, sind nicht betroffen. Auf diese Weise soll, neben der Steigerung der kommunalen Einnahmen, das Glücksspiel und die Spielsucht eingedämmt werden. Das Innenministerium und Finanzministerium Nordrhein-Westfalen haben die Genehmigung für die geplante Steuer erteilt. Die Prüfung der Ministerien habe unter anderem ergeben, dass in der Steuersatzung klar definiert werden müsse, wer Steuerschuldner ist. Die Genehmigung ist daher mit entsprechenden Maßgaben versehen worden. Bevor eine neue Kommunalsteuer eingeführt werden darf, haben das Innen- und das Finanzministerium nach dem Kommunalabgabengesetz zu prüfen, ob die rechtlichen Voraussetzungen für eine solche neue Steuer vorliegen. Städte und Gemeinden in NordrheinWestfalen können in Ausübung ihres kommunalen Selbstverwaltungsrechts örtliche Verbrauchs - und Aufwandssteuern erheben und entscheiden ob und gegebenenfalls welche Steuern erhoben werden sollen, soweit Bundes- oder Landesgesetzes nicht etwas anderes bestimmen. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/6649 2 Die Gemeinden und Kreise sollen Steuern aber nur erheben, soweit die Deckung der Ausgaben durch andere Einnahmen, insbesondere durch Gebühren und Beiträge, nicht in Betracht kommt. Die Gemeinden haben somit grundsätzlich eigenverantwortlich unter Beachtung ihrer finanziellen Situation und unter Berücksichtigung auch wirtschaftlicher Gesichtspunkte über die Erhebung bestimmter Steuern oder auch deren Verzicht zu befinden. Gemäß § 2 Absatz des Kommunalabgabengesetz NRW bedarf eine Satzung, mit der eine im Lande nicht erhobene Steuer erstmalig oder erneut eingeführt werden soll, zu ihrer Wirksamkeit der Genehmigung des Innenministeriums und des Finanzministeriums. Dabei ist auch über die Wirtschaftlichkeit der Steuer zu befinden. Nordrhein-Westfalen übt mit der Genehmigungspflicht für neue Steuern eine Rechtskontrolle aus. Es können aber auch finanzund ordnungspolitische Ziele verfolgt werden. Bereits kurz nach der Bekanntgabe der Genehmigung der Wettbürosteuer haben sich weitere Kommunen dazu eingelassen, zukünftig eine solche Steuer erheben zu wollen, darunter auch die Städte Bochum, Dortmund und Essen. Der Verband der Wettbüros dagegen kündigte bereits an, dass gegen die Satzungen rechtliche Schritte eingeleitet werden, da die Wettbürosteuersatzung rechtlich und in der Sache nicht ausgereift sei. Dem Verband liege, nach Medienberichten ein Gutachten zur Verfassungswidrigkeit einer solchen Steuersatzung vor. Sowohl das Innen- als auch das Finanzministerium von Nordrhein-Westfalen hätten bereits bei der Genehmigung der Wettbürosteuer gewarnt, dass "nicht sämtliche mit einer neuen Steuer verbundenen Unsicherheiten...als vollständig ausgeräumt angesehen werden". Die Essener Industrie- und Handelskammer warnte daraufhin die Stadt vor der Einführung einer Wettbürosteuer. Sie könne mehr Schaden anrichten als nützen. Die Bürokratie würde steigen, außerdem könne auf die Stadt eine Klagewelle zukommen. Der Städte- und Gemeindebund in NRW rät den Kommunen derweil ebenfalls mit einer Wettbürosteuer zu warten. Die Städte sollen die Entwicklung in Hagen zunächst abwarten. Wenn es einen entsprechenden Richterbeschluss gibt, könnte der Verband eine Vorlage für die Wettbürosteuer zur Verfügung stellen. 1. Ist es richtig, dass die Genehmigung der Wettbürosteuer der Stadt Hagen erteilt wurde mit dem Hinweis, dass "nicht sämtliche mit einer neuen Steuer verbundenen Unsicherheiten...als vollständig ausgeräumt angesehen werden"? Ja. 2. Wie beurteilt die Landesregierung die rechtlichen Unsicherheiten der Wettbü- rosteuer? Im Genehmigungsverfahren nach § 2 KAG beinhaltet die Prüfung der Rechtmäßigkeit einer neuen kommunalen Aufwandsteuer letztlich auch eine Prognose eventueller künftiger Rechtsprechung auf der Grundlage der Bewertungen vorhandener Rechtsprechung und Literatur. Die insoweit gewonnenen Erkenntnisse sind in den Genehmigungserlass eingeflossen. Im Genehmigungsverfahren kann aber keineswegs die Beurteilung durch eine künftige Rechtsprechung zu einer neuen kommunalen Aufwandsteuer vorweg genommen, somit auch keine absolute Rechtssicherheit erzielt werden. Absolute Rechtssicherheit liegt erst dann vor, wenn der Rechtsweg erschöpft ist. Im Übrigen hätte auch eine Versagung der Genehmigung kein höheres Maß an Rechtssicherheit gebracht, denn diese hätte von der Stadt Hagen oder einer anderen Kommune, die die Steuer hätte einführen wollen, mit ungewissem Ausgang beklagt werden können. Ergänzend wird auf die Antwort zu Frage 5 der Kleinen Anfrage 125 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/6649 3 - Drs. 16/621 - und die Vorbemerkung der Antwort auf die Kleine Anfrage 320 - Drs. 16/727 - verwiesen. 3. In Baden-Württemberg erheben bereits seit einiger Zeit einige Kommunen eine Wettbürosteuer im Rahmen der Vergnügungssteuersatzungen. In der Satzung heißt es dann: „Der Vergnügungssteuer unterliegen weiter das Vermitteln oder Veranstalten von a) Pferdewetten b) Sportwetten in Einrichtungen (Wettbüros), die neben der Annahme von Wettscheinen auch das Mitverfolgen der Wettereignisse ermöglichen.“ Wie beurteilt die Landesregierung einen solchen Weg der Erhebung einer Wettbürosteuer über die Vergnügungssteuersatzung, ohne dass eine neue Steuer genehmigt werden müsste, im Hinblick auf die Rechtssicherheit? Im Gegensatz zur Rechtslage in Nordrhein-Westfalen enthält das Kommunalabgabengesetz Baden-Württemberg keinen ministeriellen Genehmigungsvorbehalt für Satzungen zu neuen kommunalen Aufwandsteuern. Es ist nicht Aufgabe der Landesregierung, die Gesetzeslage in anderen Ländern zu beurteilen. 4. Wie beurteilt es die Landesregierung, dass die kommunalen Spitzenverbände andere Kommunen zunächst von der Erhebung einer Wettbürosteuer warnen? Derartige Warnungen der kommunalen Spitzenverbände in Nordrhein-Westfalen sind der Landesregierung nicht bekannt. Bekannt ist lediglich eine Empfehlung des Städte- und Gemeindebundes Nordrhein-Westfalen, zunächst den Ausgang der zu erwartenden gerichtlichen Verfahren abzuwarten. 5. Liegen der Landesregierung aktuell neue Steuersatzungen von Kommunen zur Genehmigung vor? Nein.