LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/6704 03.09.2014 Datum des Originals: 03.09.2014/Ausgegeben: 08.09.2014 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 2557 vom 30. Juli 2014 des Abgeordneten Ralf Witzel FDP Drucksache 16/6456 Auswirkungen der Einführung einer Finanztransaktionsteuer auf die NRW.BANK – Welche Konsequenzen haben die gesetzlichen Änderungen für den Portfoliobestand und das Betriebsergebnis der Förderbank des Landes Nordrhein-Westfalen? Der Finanzminister hat die Kleine Anfrage 2557 mit Schreiben vom 3. September 2014 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit der Ministerin für Bundesangelegenheiten, Europa und Medien und dem Minister für Wirtschaft, Energie, Industrie, Mittelstand und Handwerk beantwortet. Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Am 6. Mai 2014 haben sich nun insgesamt zehn Mitgliedstaaten der Europäischen Union im Wege einer verstärkten Zusammenarbeit auf die Einführung einer Finanztransaktionsteuer verständigt und dabei inhaltlich sowie prozedural eine Harmonisierung der Besteuerung von Finanztransaktionen vereinbart. Die Details zur Ausgestaltung sollen bis Jahresende 2014 vorliegen. Die Verabredung sieht vor, zunächst mindestens eine Besteuerung von Aktien und ausgewählter Derivate ab dem 1. Januar 2016 vorzunehmen. Den Teilnehmern ist es dabei ausdrücklich freigestellt, gemäß nationaler Entscheidung auch noch weitere Finanzprodukte in die Besteuerung mit einzubeziehen. Dieser Umstand ist wichtig, da sich die Bundesregierung eigentlich eine Verabredung mit einem sogar noch weitreichenderen Anwendungstatbestand gewünscht hat. Eine schrittweise Ausdehnung der Regelungen ist daher wahrscheinlich, da die getroffene Vereinbarung als Minimalverständigung in zunächst abgespeckter Form gilt. Die Finanztransaktionsteuer knüpft an der grundsätzlich nachvollziehbaren Überlegung an, den Finanzsektor an den beachtlichen öffentlichen Kosten der Finanzmarktkrise zu beteiligen und als unerwünscht und schädlich für die Finanzmarktstabilität angesehene Spekulationen einzudämmen. Mit der beabsichtigten Einführung ergeben sich aber viele ungelöste Folgefragen und nicht unerhebliche Folgekosten. Allein die Bundesrepublik Deutschland LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/6704 2 erhoffte bei einer vollständigen Umsetzung der ursprünglichen Pläne (Steuer auf Aktien, Anleihen und sämtliche Derivatetransaktionen) jährliche Steuermehreinnahmen von rund 12 Mrd. Euro aus der neuen Finanztransaktionsteuer. In gleicher Höhe wird eine Finanztransaktionsteuer spiegelbildlich den deutschen Finanzmarkt belasten. Die Bundesregierung tritt weiterhin dafür ein, die Finanztransaktionsteuer auf möglichst alle Finanzprodukte zu erheben. Die erste Stufe soll nun für Aktien und einige Derivate zum 1. Januar 2016 in Kraft treten. Details der genauen Ausgestaltung sind gegenwärtig noch offen. In ihrem ursprünglichen Vorschlag hat die EU-Kommission einen Finanztransaktionsteuersatz auf Wertpapiergeschäfte in Höhe von 0,1% und bei Derivaten von 0,01% auf den Nominalwert vorgesehen. Die Steuer soll sowohl vom Käufer als auch vom Verkäufer zu entrichten sein, das heißt, die Sätze verdoppeln sich bei einer Transaktion, sofern nicht eine Partei von der Entrichtung der Finanztransaktionsteuer befreit ist. Die neue Finanztransaktionsteuer löst daher nicht nur eine positive Einnahmeerwartung für den Bund aus, sie betrifft auch das Finanzmanagement der NRW.BANK. Als Förderbank für Nordrhein-Westfalen nimmt die NRW.BANK die wichtige Aufgabe wahr, das Land bei seinen struktur- und wirtschaftspolitischen Aufgaben zu unterstützen. Sie agiert also im öffentlichen Auftrag, wettbewerbsneutral und setzt dabei das gesamte Spektrum kreditwirtschaftlicher Förderprodukte ein – vom klassischen Kredit bis zur maßgeschneiderten Beratung. Das förderpolitische Instrumentarium der NRW.BANK ist weit gefasst und genießt in der Wirtschaft und bei den in die Programme einbezogenen Banken guten Ruf. Die Bank gilt als effizient und ihre Beschäftigten als kompetent. Für die Wahrnehmung ihrer Aufgaben bei der Förderung der Wirtschaft (und die Finanzierung der Kommunen) ist die Bank dabei auf eine kostengünstige Refinanzierung angewiesen. Sie profitiert von der Refinanzierungsgarantie des Landes. Ein für die Refinanzierung potentiell belastender Faktor wäre die Einführung einer Finanztransaktionsteuer, insbesondere dann, wenn sie in der Form erfolgt, wie sie von der EU-Kommission im Rahmen der erweiterten Zusammenarbeit von zehn Mitgliedstaaten der EU beabsichtigt ist. Die Belastungsrisiken durch Einführung einer Finanztransaktionsteuer für die NRW.BANK lassen sich plausibel abschätzen: Die neue Steuer wäre einerseits direkt durch die Bank als Transaktionspartner zu entrichten und betrifft die Weiterverkäufe durch die in eine Emission einbezogenen Investmentbanken. Es existieren aber auch indirekte Effekte, die die Lage noch verschärfen: Die Finanztransaktionsteuer hat Auswirkungen auf die Rückkaufpolitik der NRW.Bank, die nach ihrer Einschätzung wichtig für die Pflege der langfristigen Beziehungen zu Investoren ist. Zusätzliche Kosten entstehen ferner durch Folgegeschäfte für die übliche Absicherung von Zins- und Währungsrisiken. Das Refinanzierungsvolumen der NRW.BANK wird von dieser selbst für das Jahr 2014 auf 9 bis 11 Mrd. Euro beziffert (vgl. Investor-Relations-Präsentation, „NRW.BANK – Ein Profil“, Chart 15). Dabei ist das Investorenspektrum regional breit differenziert, ein großer Vorteil für die Bank auch hinsichtlich der Liquidität und damit der Kosten für die Anleihen. So sind von der „USD Benchmark # 1-14 – Endfälligkeit Mai 2017“ allein 45 % in Asien, 22 % in Nordamerika und je 4 % in der Schweiz und Großbritannien platziert worden (vgl. Chart 17 dieser Präsentation). Zusammen mit weiteren Staaten wurde somit mehr als drei Viertel des Volumens bei Investoren in Ländern platziert, die ausdrücklich nicht an der europäischen Finanztransaktionsteuer teilnehmen. Aber auch bei Euro-Benchmarkanleihen ist der Anteil dieser Investoren hoch, zum Beispiel bei der „EUR-Benchmark # 1-13 – Endfälligkeit 2018“ LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/6704 3 mit über einem Drittel (vgl. Chart 18 dieser Präsentation). Ähnliches gilt auch für kleinere Emissionen wie den NRW.BANK Green Bond 2013. Investoren dürften kaum bereit sein, ohne eine Verschlechterung der Konditionen für die NRW.BANK die Finanztransaktionsteuer zu bezahlen und ggf. abzuführen. Die Bedeutung der Finanztransaktionsteuer als zusätzlichem Kostenfaktor wird auch an folgendem Beispiel deutlich: Die erwähnte „EUR-Benchmark # 1-13“ hat am 22. Juli 2014 eine Rendite von 0,502 % aufgewiesen. Sie würde folglich die Rendite für die Investoren spürbar senken. Da gerade Benchmarkemissionen wegen der Liquidität in diesen Papieren emittiert werden, ist davon auszugehen, dass es sich vielfach gerade nicht um Buy and hold-Investoren handelt und folglich wohl bei einem nennenswerten Anteil der Investoren Kaskadeneffekte durch Käufe und Verkäufe auftreten. Weiterhin ist dabei zu beachten, dass eine an der Transaktion beteiligte Partei die Finanztransaktionsteuer auch für ihren Geschäftspartner übernehmen müsste, sofern dieser zahlungsunwillig ist. Im Ergebnis dieser bedenklichen Entwicklung könnte sogar das Land letztlich gefordert sein, zusätzliche Mittel aus dem Landeshaushalt für die Wirtschaftsförderung zu mobilisieren, die im völlig überschuldeten Landeshaushalt nicht verantwortbar aufgebracht werden können. Unverständlicherweise haben die auch in der letzten 15. Wahlperiode regierungstragenden Fraktionen SPD und Grüne am 30. Juni 2011 zusammen mit der Linkspartei als Partner den Antrag „Europäische Finanztransaktionsteuer einführen“ (LT-DS 15/2212) gegen FDP und CDU verabschiedet, der fatale Auswirkungen für den heimischen Finanzplatz haben kann. In diesem Vorhaben der drei Fraktionen wird unter anderem gezielt für eine möglichst große quantitative Einbeziehung in die neue Finanztransaktionsteuer geworben: „Eine solche europäische Finanztransaktionsteuer soll insbesondere eine breite Bemessungsgrundlage haben, die alle börslichen und außerbörslichen Transaktionen von Wertpapieren, Anleihen und Derivaten sowie Devisengeschäfte umfasst.“ 1. Wie hoch ist das Volumen der von der NRW.BANK gehaltenen sowie der von der NRW.BANK emittierten und im Umlauf befindlichen Finanzinstrumente, die bei Umsetzung der Vorschläge der EU-Kommission von der Finanztransaktionsteuer bei entsprechenden Transaktionen erfasst würden? (detaillierte, strukturierte Darstellung erbeten unter separater Angabe der regionalen Verteilung, also Nennung der Länder der Investoren, sowie der Volumina der nicht in Euro emittierten Instrumente) 2. Welche voraussichtlichen Belastungen ergeben sich für die NRW.BANK einerseits direkt als zu entrichtende Steuer als Transaktionspartner selbst und andererseits indirekt durch die Belastungen abgeschlossener Folgegeschäfte (Kaskadeneffekte)? (bitte relevante Szenarien am Beispiel durchgeführter Transaktionen darstellen) 3. In welchem voraussichtlichen Umfang ist die NRW.BANK bei Einführung einer Finanztransaktionsteuer auf Derivate betroffen? (Darstellung gern anhand eines repräsentativen Beispiels für die von der NRW.BANK eingesetzten zinsbezogenen und währungsbezogenen Produkte: Kosten für das reine Absicherungsgeschäft und die darauf entfallende Finanztransaktionsteuer) LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/6704 4 4. Welche einzelnen Erkenntnisse liegen der Landesregierung oder der NRW.BANK vor zur Bereitschaft ausländischer Investoren, ohne eine Verschlechterung der Konditionen steuerpflichtige Finanzinstrumente der NRW.BANK zu erwerben oder die Kosten für die Abführung der Finanztransaktionsteuer zu übernehmen? (vgl. hierzu obiges Beispiel zur Bedeutung der Finanztransaktionsteuer als renditemindernden Faktor) 5. Mit welchen konkreten Maßnahmen beabsichtigt die Landesregierung angesichts der zu erwartenden Einführung der Finanztransaktionsteuer und den daraus für ihre Förderbank resultierenden Belastungen für die Ertragslage und Geschäftstätigkeit, diesen negativen Auswirkungen entgegenzuwirken? Am 6. Mai 2014 haben zehn EU-Mitgliedstaaten im Rahmen einer gemeinsamen Erklärung die Absicht bekundet, die Finanztransaktionsteuer ab dem Jahr 2016 stufenweise einführen zu wollen. In der Erklärung fehlen insbesondere konkrete Einzelheiten zur Ausgestaltung des rechtlichen Rahmens wie Regelungen zu Steuerpflicht, Bemessungsgrundlagen und anzuwendenden Steuersätzen. Ohne derartige konkrete Details können keine seriösen Modellrechnungen vorgenommen werden, derer es bedarf, um die gestellten Fragen beantworten zu können. Die NRW.BANK wird nach Vorliegen von Details zur geplanten Finanztransaktionsteuer eine Analyse und Folgenabschätzung durchführen.