LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/6720 05.09.2014 Datum des Originals: 04.09.2014/Ausgegeben: 10.09.2014 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 2571 vom 4. August 2014 der Abgeordneten Frank Herrmann und Daniel Düngel PIRATEN Drucksache 16/6498 War die Gefahrenprognose für Spiele des Wuppertaler SV zutreffend? Welche Ergebnisse brachte die Evaluierung der Sicherheitsauflagen der Spiele des Wuppertaler SV in der vergangenen Saison der Oberliga Niederrhein? Der Minister für Inneres und Kommunales hat die Kleine Anfrage 2571 mit Schreiben vom 4. September 2014 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit der Ministerin für Familie, Kinder, Jugend, Kultur und Sport beantwortet. Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Im Herbst 2013 erlangte die Fußball-Oberliga Niederrhein überregionale Aufmerksamkeit, als mehrere Auswärtsspiele des Liganeulings Wuppertaler Sportverein aus Sicherheitsgründen abgesagt wurden. Dies geschah aufgrund der Einschätzung der Wuppertaler Polizei und der Zentralen Informationsstelle Sporteinsätze (ZIS), dass den in diese Liga abgestiegenen Verein jeweils über 300 "gewaltbereite/gewaltsuchende" Fans zu den Spielen begleiten würden. Die Spiele des Wuppertaler SV in der vergangenen Oberligasaison verliefen jedoch, ebenso wie die Pokalspiele, weitgehend ruhig und friedlich. Hieraus entstand bei vielen Anhängern des Vereins die Hoffnung, dass das Sicherheitskonzept der Polizei angepasst und die bis zuletzt starke Polizeipräsenz, selbst bei Heimspielen ohne anwesende Gästefans, reduziert werden würde. Stattdessen wurden jedoch zum Beginn der neuen Saison 2014/2015 weitere, neue Auflagen erlassen, die den Fans des Wuppertaler SV effektiv die Nutzung jeglicher, für Fußballfans in Deutschland alltäglicher, Materialien (unter anderem Doppelhalter, Zaun-, Block- & Schwenkfahnen, Konfetti & Luftschlangen) bei Heimspielen unmöglich machen. Dem Vernehmen nach geschah dies auf Druck der Wuppertaler Polizei, die dem Verein zudem eine "zu lasche" Vergabepraxis bei Stadionverboten vorwarf. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/6720 2 Diese Maßnahmen sind nicht nur, in Anbetracht des ruhigen Verlaufs der letzten Saison, überraschend und wirken willkürlich. Sie widersprechen auch den Empfehlungen zur Freigabe von Fanutensilien, die der DFB an höherklassige Vereine ausgibt und wurden, deren Stellungnahmen zufolge, gegen die Empfehlungen des Vereins, sowie des Fanprojekts des Wuppertaler SV durchgesetzt. Vorbemerkungen der Landesregierung Die Kleine Anfrage bezieht sich im Wesentlichen auf die Besonderheiten anlässlich von Ligaspielen des Wuppertaler SV in der Saison 2013/14. Der Wuppertaler SV hat in dieser Spielzeit am Spielbetrieb der Oberliga Niederrhein teilgenommen, für die 38 Spieltage angesetzt waren. Aufgrund einer Spielabsage absolvierte der Wuppertaler SV nur 37 Saisonspiele, von denen 20 Spiele im Wuppertaler Stadion „Zoo“ und 17 Spiele auswärts ausgetragen wurden. 1. Wie groß war in der in der Oberligasaison 2013/2014 jeweils die Abweichung zwischen den, jeweils im Vorfeld von den Polizeibehörden erwarteten, und der Zahl der tatsächlich anwesenden WSV-Fans bei den Heim- und Auswärtsspielen des Wuppertaler SV? (Antwort bitte nach dem jeweiligen Spiel, sowie der Fan-Kategorie gemäß ZIS-Einstufung aufschlüsseln) Die Anzahl der am Spielort anwesenden Anhänger einer Mannschaft ist von verschiedenen Faktoren, wie z.B. dem aktuellen sportlichen Erfolg der Mannschaft, der sportlichen Attraktivität des Spiels, der Entfernung zum Spielort, der Erreichbarkeit des Spielortes oder auch der Spielterminierung abhängig. Der Mobilisierungsgrad von Störerszenen wird meist von weiteren, zum Teil vielschichtigen Gegebenheiten, darunter z.B. auch dem Verhältnis der Anhängergruppen untereinander, beeinflusst. Die Gesamtzahl der Fans und des darunter befindliche Störerpotentials einer Mannschaft kann daher von Spiel zu Spiel teils deutlich variieren. Die Entwicklungen in diesem Bereich sind zudem dynamisch, Erkenntnisse verdichten sich regelmäßig mit näher rückendem Spieltermin. Die Polizei beurteilt das Lagefeld „Besucheraufkommen“ daher bis zum jeweiligen Einsatzende fortlaufend. Das Besucheraufkommen bildet bei der polizeilichen Beurteilung der Gesamtlage sowie insbesondere der Kräftedisposition eine Grundlage. Ein automatisierter Abgleich der tatsächlich festgestellten Besucherzahlen zu den, in verschiedenen Stadien der Vorbereitung, prognostizierten Besucherzahlen kann auf Grund der laufenden Aktualisierungen und Fortschreibungen in diesem Bereich daher nicht erfolgen. 2. Wie viele Polizeikräfte wurden in der Oberligasaison 13/14 bei den Heim- und Auswärtsspielen des Wuppertaler SV jeweils eingesetzt? (Bitte auflisten nach Polizeibehörden auf Kreis-, Land- und Bundesebene und Kosten des Einsatzes) Im Rahmen von Fußballspielen werden verschiedene polizeiliche Aufgaben von unterschiedlichen Behörden bewältigt. Der Landesregierung liegen in diesem Zusammenhang keine Informationen zu Einsatzzahlen der für die bahnpolizeilichen Aufgaben zuständigen Bundespolizei vor. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/6720 3 Im Zusammenhang mit dem Einsatz der Polizei NRW zur Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung sowie die Verfolgung von Straftaten und Ordnungswidrigkeiten berichte ich wie folgt: Die Kreispolizeibehörden setzten nach Beurteilung der Lage zur Gewährleistung der Sicherheit bei allen Spielen des Wuppertaler SV in der Saison 2013 / 2014 Kräfte ein. Durchschnittlich wurden 26 Polizeibeamte bei Heimspielen und 115 bei Auswärtsspielen des Wuppertaler SV eingesetzt. Die Spanne der eingesetzten Kräfte lag dabei anlässlich von Heimspielen zwischen 21 und 63 sowie bei Auswärtsspielen zwischen 42 und 195 Kräften. Bei der Kräftedisposition waren in diesem Zusammenhang neben der zu erwartenden Lage weitere Einflüsse, wie z.B. die Infrastruktur des jeweiligen Spielortes, zu berücksichtigen. Einsatzkosten der Polizei NRW werden nicht erfasst. 3. Welche sicherheitsrelevanten Vorfälle gab es in der Oberligasaison 2013/2014 jeweils bei den Heim- und Auswärtsspielen des Wuppertaler SV? (Sofern bekannt bitte jeweils die Art des Vorfalls, sowie die entstandenen Sach- und Personenschäden benennen) Eine Fokussierung allein auf die Anzahl der strafprozessualen oder polizeirechtlichen Maßnahmen bildet nicht die tatsächliche Sicherheitslage und Realität bei der Einsatzbewältigung aus Anlass von Fußballspielen ab. Im Rahmen ihrer Einsatzwahrnehmung wird die Polizei neben der Strafverfolgung insbesondere zur Abwehr von Gefahren tätig. Hier liegt die Einschreitschwelle weit vor dem Eintritt einer Straftat, die es ja gerade zu verhindern gilt. Zielgerichtete präventive Zusammenarbeit aller beteiligten Netzwerkpartner vor und während des Spiels sowie das taktische Vorgehen von Einsatzkräften verhindern in vielen Fällen größere Ausschreitungen oder Sachbeschädigungen und führen regelmäßig zu einem friedlichen Einsatzverlauf. Im Vergleich zur Spielklasse ist die Sicherheitslage bei Spielen des Wuppertaler SV dennoch als auffällig zu beschreiben. Spielverläufe oder Schiedsrichterentscheidungen, die von der Wuppertaler Anhängerschaft als negativ empfunden wurden, hatten speziell zum Ende der Saison häufig Sicherheitsstörungen zur Folge. Dies galt selbst für Heimspiele im Stadion Zoo, welches den sicherheitsspezifischen Anforderungen auch höherer Spielklassen umfänglich entspricht. Anlässlich einer Spielbegegnung waren die Sicherheitsbeeinträchtigungen der Wuppertaler Störerszene derart erheblich, dass dieses Spiel abgebrochen wurde. Nur bei sieben der 17 Auswärtsspiele des Wuppertaler SV wurden keine Sicherheitsstörungen festgestellt, darunter auch die ersten drei Spieltage, die unter besonderen Auflagen stattfanden und zu denen dem Wuppertaler SV und seiner Anhängerschaft ein Vertrauensvorschuss gewährt wurde. Zu den Störungen berichte ich im Einzelnen mit nachfolgender Tabelle. Die Auflistung basiert dabei auf den von den Spielortbehörden unmittelbar nach Einsatzende im Rahmen der Verlaufsberichterstattung getätigten Angaben. Nacherhebungen sowie insbesondere Straftaten auf Reisewegen werden hierbei nicht berücksichtigt: LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/6720 4 Datum Gegner Art der Störung / Anzahl Strafanzeigen Heimspiele 15.09.2013 VfB Speldorf Abbrand von Pyrotechnik, eine Strafanzeige wegen Verstoßes gegen das Sprengstoffgesetz 20.10.2013 SW Essen Zwei Strafanzeigen wegen des Aufforderns zur Begehung von Straftaten und Beleidigung 16.02.2014 Sportfreunde Baumberg Zwei Strafanzeigen wegen Beleidigung 21.04.2014 VfB 03 Hilden Versuchter Platzsturm, sieben Strafanzeigen wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr und Sachbeschädigung sowie sieben Strafanzeigen nach Körperverletzung, Landund Hausfriedensbruch, sieben freiheitsbeschränkende Maßnahmen bei Tatverdächtigen 04.05.2014 SV Uedesheim Eine Strafanzeige nach gef. Körperverletzung, Widerstand, Landfriedensbruch und Beleidigung, eine Strafanzeige nach Sachbeschädigung und Beleidigung 18.05.2014 SV Sonsbeck Eine Strafanzeige nach gef. Körperverletzung und Widerstand, drei Strafanzeigen nach Beleidigung, eine Ingewahrsamnahme Auswärtsspiele 28.09.2013 RW Essen II Versuchter Platzsturm, eine Strafanzeige wegen Beleidigung 06.10.2013 SC Kapellen-Erft Versuchtes Betreten des Innenraums wurde von Ordnern unterbunden 27.10.2013 VfB 03 Hilden Eine Strafanzeige wegen Beleidigung und Sachbeschädigung, eine freiheitsbeschränkende Maßnahme eines Tatverdächtigen und zusätzlich drei Ingewahrsamnahmen 10.11.2013 SV Uedesheim Zeigen von Bannern mit diffamierendem Inhalt und Provokationen, ohne strafrechtliche Relevanz 23.02.2014 TuRU Düsseldorf Abbrand von Pyrotechnik, zwei Strafanzeigen wegen Verstößen gegen das Sprengstoffgesetz 05.03.2014 FC Kray Abbrand von Pyrotechnik, eine Anzeige wegen Beleidigung LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/6720 5 22.03.2014 VfB Homberg Versuchter Kassensturm, Abbrand von Pyrotechnik (führt zum Spielabbruch), eine Strafanzeige nach gef. Körperverletzung, eine Strafanzeige nach Körperverletzung, eine Strafanzeige nach Landfriedensbruch und eine Strafanzeige nach Beleidigung 30.03.2014 MSV Duisburg II Diffamierungen und Provokationen durch gezeigte Banner, ohne strafrechtliche Relevanz 12.04.2014 SW Essen Versuchter Platzsturm, drei Strafanzeigen nach Beleidigung und zwei Strafanzeigen nach Hausfriedensbruch 07.05.2014 TuS Bösinghoven Eine Strafanzeige nach Körperverletzung, zwei Ingewahrsamnahmen, Polizeikräfte verhindern eine Eskalation der Lage durch den Einsatz u.a. von Pfefferspray Eine zentrale Erfassung von Personen- oder Sachschäden wird nicht vorgenommen. 4. Wie viele der laut ZIS zu Saisonbeginn vermuteten 300 gewaltbereiten/gewaltsuchenden WSV-Fans, sind in der abgelaufenen Oberligasaison auffällig geworden? (Antwort bitte anonymisiert nach Art und Tatvorwurf auflisten) Bei den sicherheitsrelevanten Vorfällen im Zusammenhang mit Fußballspielen handelt es sich oftmals um Sachverhalte, die durch gruppendynamische Prozesse geprägt sind. Durch das Agieren aus einer Menschenmenge heraus ist eine beweissichere Identifizierung und Strafverfolgung wesentlich erschwert. Insofern bietet der ausschließliche Blick auf die bloße Anzahl getroffener Maßnahmen ein nicht umfassendes Bild über die Sicherheitslage vor Ort. Zudem verhindern eingesetzte Polizeikräfte durch ihr taktisches Vorgehen wie auch durch eine Vielzahl von niederschwelligen polizeilichen Maßnahmen die Begehung von Straftaten. Diese Maßnahmen, zu denen z.B. Personalienfeststellungen oder Platzverweise gehören, sind regelmäßig gegen auffällige Störer gerichtet. Auf Landesebene zentral vorgehaltene Daten liegen dazu nicht vor. Vor diesem Hintergrund beschränkt sich die Antwort auf die Personen, denen im Rahmen des Spielbetriebes der Saison 2013/14 die Begehung einer Straftat vorgeworfen und die bis zum 25. August 2014 identifiziert wurden. Hierbei handelt es sich um 29 Personen, die zum Teil mehrfach auffielen. Von diesen Tatverdächtigen waren 27 Personen bei ihrer Tatausführung der Wuppertaler Störerszene zuzurechnen. Zwei ermittelte Tatverdächtige waren zuvor nicht als Angehörige der Störerszene bekannt. Tatverdächtige im Rahmen von Strafverfahren, die von der Bundespolizei eingeleitet wurden, wurden nicht berücksichtigt. 5. Welche Änderungen im Sicherheitskonzept für Spiele des Wuppertaler SV hat es zur neuen Saison, aufgrund des Verlaufs der Vorsaison, gegeben? Sicherheitskonzepte für Fußballspiele werden durch den Eigentümer des Stadions, die Ordnungsbehörde der Spielortkommune und den Heimverein entwickelt. Der für den LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/6720 6 Spielbetrieb und die Sicherheit in der Oberliga Niederrhein zuständige Fußball Verband Niederrhein hat in diesem Zusammenhang Sicherheitsrichtlinien erstellt, die vereinsübergreifende Wirkung entfalten. Darüber hinaus ist der Landesregierung bekannt, dass der Wuppertaler SV eine Broschüre erstellt hat, in dem er über seine beabsichtigten Maßnahmen zur sicheren Durchführung von Fußballspielen informiert. Die Landesregierung begrüßt die Aktivitäten und Beiträge des Verbandes und der Vereine zu einem sicheren Ablauf von Fußballveranstaltungen. Die Polizei NRW kommuniziert bei vorliegenden Erkenntnissen, die die Sicherheit bei Fußballspielen betreffen, frühzeitig mit allen am Prozess beteiligten Netzwerkpartnern. Auf eine Fortschreibung und Weiterentwicklung des örtlichen Sicherheitskonzepts wirkt die Polizei hin, sobald wiederkehrende Probleme mit der Sicherheitslage erkannt werden. Jedem polizeilichen Einsatz aus besonderem Anlass liegt ein Einsatzkonzept zu Grunde. Dieses ist immer auf die konkrete polizeiliche Lage bezogen und wird vor der jeweiligen Spielpaarung angepasst. Dabei beeinflussen viele Lagefelder das Einsatzkonzept. Aktuelle Erkenntnisse, die Sicherheitslagen an den vorherigen Spieltagen, besondere Rivalitäten, Wetterlage, Saisonverlauf, etc. erfordern von der Polizei zu jedem Spiel eine Einzelfallbeurteilung. Darüber hinaus gehende Änderungen im Sicherheitskonzept für Spiele des Wuppertaler SV sind der Landesregierung nicht bekannt.