LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/6732 08.09.2014 Datum des Originals: 04.09.2014/Ausgegeben: 11.09.2014 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 2570 vom 5. August 2014 des Abgeordneten Ralf Witzel FDP Drucksache 16/6497 Personalwirtschaftlicher Umgang mit Handy, Smartphone, Laptop, Token & Co. – In welchem Umfang vergütet der nordrhein-westfälische Finanzminister permanente Erreichbarkeiten von Landesbediensteten auch über die übliche Arbeitszeit hinaus? Der Minister für Arbeit, Integration und Soziales hat die Kleine Anfrage 2570 mit Schreiben vom 4. September 2014 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit der Ministerpräsidentin und allen übrigen Mitgliedern der Landesregierung beantwortet. Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Bereits vor anderthalb Jahren im Januar 2013 ist die rot/grüne Landesregierung mit einer Bundesratsinitiative, der sogenannten Anti-Stress-Verordnung, an die Öffentlichkeit getreten. Gemeinsam mit den Ländern Brandenburg, Bremen und Hamburg arbeite NordrheinWestfalen an einer bundesrechtlichen Verordnung, die die Beschäftigten vor den Gefahren psychischer Belastungen schützen soll, war seinerzeit in den Medien zu lesen. Vor allem die verschwimmende Grenze zwischen Arbeit und Freizeit, also die permanente Erreichbarkeit via Smartphone, Handy, Laptop und Heim-PC, die Arbeitskräften zunehmend ihre legitimen Erholungsphasen rauben, haben diese genannten Landesregierungen dabei in den Fokus genommen. Offensichtlich ist seitdem jedoch nichts geschehen, wird die Verabschiedung einer AntiStress -Verordnung doch tagesaktuell wieder innerhalb der SPD in Land und Bund diskutiert, wie unterschiedlichen Medien in diesen Tagen wiederholt zu entnehmen ist. Bereits jetzt ist im Arbeitsschutzgesetz eine Regelung verankert, wonach der Arbeitgeber seine Belegschaft vor psychischen Gesundheitsgefahren schützen muss. In der betrieblichen Wirklichkeit stehen beide Seiten aber vor dem Problem, dass die Auslegung dieser Norm interpretationsfähig ist. Führende SPD-Politiker sehen daher die Notwendigkeiten von klaren LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/6732 2 bundesgesetzlichen Regelungen. Es brauche "ein Gesetz, wonach zu bestimmten Zeiten der Arbeitgeber seine Angestellten nicht mehr kontaktieren darf", ist aus der Landesregierung zu vernehmen. Trotz der allgemein bekannten Zunahme an psychischen Erkrankungen von Beschäftigten, die oftmals mit langen Fehlzeiten verbunden sind, und dem Wissen, dass Stressreaktionen teilweise schwerwiegende Langzeitfolgen mit sich bringen können, stoßen entsprechende politische Vorstöße nicht auf ungeteilte Zustimmung. Eine gesetzliche Problemlösung hat bislang bei den unterschiedlichen Krankenkassen und Verbänden, wie beispielsweise dem Verband Deutscher Betriebs- und Werksärzte, der Barmer Ersatzkasse oder ebenso der Bundesvereinigung der Arbeitgeberverbände, in der Praxis große Skepsis hervorgerufen. Ein grundsätzlich stressfreies Arbeitsleben kann staatlich schlecht verordnet werden. Etliche Experten plädieren dagegen eher für eine Unternehmenskultur, die auf Wertschätzung und Gesundheit abzielt. Freiwillige praxistaugliche Anti-Stress-Verordnungen in den einzelnen Betrieben vor Ort sind oft der geeignetere Schlüssel zur Problemlösung. So könnten sich beispielsweise Unternehmensführung und Belegschaften auf außerdienstliche Ruhezeiten verständigen, die nicht durch Anrufe oder Emails gestört werden dürfen. Flächendeckende verpflichtende Verordnungen pauschal für alle Berufsgruppen dagegen würden fallweisen dienstlichen Notwendigkeiten im Wege stehen, den betroffenen Unternehmen schaden und dort zusätzliche Bürokratie hervorrufen. Fraglich ist auch, wie entsprechende gesetzliche Verordnungen überhaupt flächendeckend kontrolliert werden sollen und können. Lösungswegen über freiwillige Vereinbarungen hat die Landesregierung bislang stets eine klare Absage erteilt. Die Entscheidung darüber, in welchem Umfang jeweils „die Zeit, die eine Assistentin abends über ihr Smartphone erreichbar sein muss, als Arbeitszeit angerechnet " wird, ist nach rot/grüner Auffassung offenbar eine politische. Ebenso die Frage, wann für ein Unternehmen „Schluss ist mit der Erreichbarkeit der Mitarbeiter" sein soll. Da die nordrhein-westfälische Landesregierung sicherlich den Ansprüchen, die sie an die Personalführung sämtlicher Unternehmen und Betriebe im Land anlegt, selber auch bereits gerecht wird und Vorbildfunktion für Hundertausende Arbeitgeber in unserem Land einnimmt, ist es für das Landesparlament von hohem Interesse, Einzelheiten über die bereits freiwillig vereinbarten Anti-Stress-Regelungen für Landesbedienstete zu erfahren. Dem Vernehmen nach gibt es gerade in der Ministerialverwaltung sowie auch in zahlreichen Leitungsfunktionen des Landesdienstes die regelmäßig geübte Praxis, zur Aufrechterhaltung einer Verfügbarkeit bei wichtigen öffentlichen Funktionen auch außerhalb der regulären Kernarbeitszeiten auf wichtige Beschäftigte zugreifen zu können. Gerade in den Ministerien dieser Landesregierung verfügen zahlreiche Bedienstete über mobile Telekommunikationsgeräte , die auch faktisch außerhalb üblicher Arbeitszeiten genutzt werden. Fraglich ist, wie diese dienstliche Verfügbarkeit bislang seitens des Finanzministers vergütet wird. Wenn im Folgenden nach „Beschäftigten“ gefragt wird, sind stets sowohl Landesbeamte als auch die Gruppe der Tarifangestellten gemeint. Bei Fragen nach mobilen Telekommunikationsgeräten sind immer sämtliche Empfangsgeräte umfasst, mit denen jedwede dienstliche Nachricht empfangen werden kann – egal ob diese rein fernmündlich oder schriftlich via Handy, Smartphone, Funk, Heim-PC oder Laptop etc. empfangen wird. Die Landesregierung sollte daher bei ihrer Beantwortung dieser Anfrage auch transparent darlegen, welche konkreten Regelungen sie als Dienstherr bzw. Arbeitgeber bereits selbst proaktiv für das Landespersonal für jeweils welche Dienststätten, Regelungsbereiche und Tätigkeiten auf den Weg gebracht hat und wie sich die bisherigen Erfahrungen diesbezüglich im Detail darstellen. Hinsichtlich bestehender Vergütungsansprüche ist von Interesse, ob LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/6732 3 diese pauschal abgegolten werden oder eine Einzelerstattung im Falle der Inanspruchnahme erfolgt. Vorbemerkung der Landesregierung Psychische und soziale Belastungen haben sich - neben den körperlichen Belastungen und Beanspruchungen bei der Arbeit, die nach wie vor weiter bestehen - durch den Wandel der Arbeitswelt in den letzten Jahren zu bedeutenden Problemschwerpunkten im Arbeitsalltag entwickelt. Erhebungen, wie etwa die Untersuchung „Gesunde Arbeit NRW 2009“ belegen eindrucksvoll, dass psychische Belastungen am Arbeitsplatz kontinuierlich zugenommen haben. So fühlen sich von den Beschäftigten in Nordrhein-Westfalen  41 % durch hohen Zeitdruck,  36 % durch hohe Verantwortung am Arbeitsplatz und  28 % durch die zu leistende Arbeitsmenge ziemlich oder stark belastet.1 Der aktuelle „Stressreport Deutschland“ der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin 2 und Erhebungen des DGB und der IG Metall zeigen, dass sich dieser Trend in der Zwischenzeit eher verstärkt hat. Ein wesentlicher Aspekt für die Zunahme psychischer Belastungen bei der Arbeit ist die ständige Erreichbarkeit durch die moderne Informationstechnik . Übermäßige psychische Belastungen führen zu hohen volkswirtschaftlichen Kosten. Die Entwicklung der Arbeitsunfähigkeitstage und Frühverrentung aufgrund psychischer Erkrankungen machen dies überdeutlich. Schätzungen zufolge summieren sich die direkten Kosten für die Behandlung arbeitsbedingter psychischer Erkrankungen und die indirekten Kosten durch verlorene Erwerbsjahre durch Arbeitsunfähigkeit, Invalidität und vorzeitigem Tod auf gut 6 Mrd. Euro jährlich. Das Verständnis für psychische Belastungen sowie die Anforderungen an die Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber zur Minimierung psychischer Belastungen sind unklar und es herrscht Unsicherheit über die anzuwendenden Instrumente und erforderlichen Maßnahmen des Arbeitsschutzes . Die von der Bundesregierung in der letzten Legislaturperiode durchgeführte Klarstellung im Arbeitsschutzgesetz reicht nicht aus, um den Betrieben und Beschäftigten konkrete Vorgaben und Hilfestellung für die Durchführung der Arbeitsschutzmaßnahmen zu geben. Eine weitere Konkretisierung und Untersetzung mindestens durch eine Verordnung und darauf gestützte Regeln ist erforderlich. Diese Forderung wird von der großen Mehrheit der Länder, die für den Vollzug des Arbeitsschutzrechts verantwortlich sind, ebenso erhoben, wie von der Gewerkschaften, insbesondere der IG Metall, und den Oppositionsfraktionen des Bundestages in der letzten Legislaturperiode . 1 Gesunde Arbeit NRW. Belastung – Auswirkung – Gestaltung – Bewältigung (LIGA.Praxis 3, 2009) 2 Stressreport Deutschland 2012 Psychische Anforderungen, Ressourcen und Befinden ( BAuA, 2012) LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/6732 4 Um flächendeckend und nach einheitlichen Maßstäben einen wirksamen Schutz der Beschäftigten vor psychischen Arbeitsbelastungen sicherstellen zu können, sind über die Vorgaben des Arbeitsschutzgesetzes hinausgehende rechtliche Regelungen erforderlich. Diese Forderung des Landesarbeitsministers Guntram Schneider wird mittlerweile auch seitens der Bundesarbeitsministerin unterstützt. „Es gibt unbestritten einen Zusammenhang zwischen Dauererreichbarkeit und der Zunahme von psychischen Erkrankungen, das haben mittlerweile auch die Arbeitgeber anerkannt. Wir haben dazu auch wissenschaftliche Erkenntnisse“, sagte Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles am 26. August 2014 der Rheinischen Post. Sie will im nächsten Jahr erste Kriterien für eine Anti-Stress-Verordnung vorlegen. 1. Wie hat sich die Ausstattung von Beschäftigten des Landes Nordrhein-Westfalen durch den Arbeitsgeber Land mit mobilen Telekommunikationsgeräten in den letzten vier Jahren insgesamt jeweils jährlich differenziert nach Ressort, Laufbahn und dienstlicher Funktion entwickelt? (bitte unter Nennung der Anzahl von Geräten und betroffenen Personen, um Doppelnennungen bei Mehrgeräteüberlassungen beurteilen zu können). 2. Wie hat sich die Ausstattung von Beschäftigten des Landes Nordrhein-Westfalen speziell in den Ministerien durch den Arbeitgeber Land mit mobilen Telekommunikationsgeräten in den letzten vier Jahren jeweils jährlich differenziert nach Ressort, Laufbahn und dienstlicher Funktion entwickelt? (bitte unter Nennung der Anzahl der Geräten und betroffenen Personen, um Doppelnennungen bei Mehrgeräteüberlassungen beurteilen zu können) 3. In jeweils wie vielen Fällen der Fallgestaltungen in Frage 1 und 2 sind die über- lassenen mobilen Empfangsgeräte von den Beschäftigten, differenziert nach den jeweiligen Ressortbereichen, auch ausdrücklich für eine Nutzung außerhalb regulären bzw. erfasster Dienstzeiten für dienstliche Zwecke vorgesehen? Die Beantwortung der Fragen 1 bis 3 hätte eine Abfrage bei allen Behörden des Landes und ihren einzelnen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern erforderlich gemacht. Daher können die Fragen in der für die Beantwortung einer Kleinen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht beantwortet werden. 4. Welche konkreten einzelnen Regelungen zu Umfang und Modalitäten der Vergü- tung und gegebenenfalls Verpflichtung zur Teilnahme an diesen Erreichbarkeitszeiten außerhalb der regulären bzw. erfassten Dienstzeiten bestehen für die betroffenen Beschäftigten differenziert nach den einzelnen Ressorts? Generell gibt es in den Ressorts der Landesregierung neben den selbstverständlich zu beachtenden arbeitsschutz-, arbeitszeit-, beamten- und tarifrechtlichen Bestimmungen keine Regelungen zu einer Verpflichtung zur Teilnahme an Erreichbarkeitszeiten außerhalb der regulären Dienstzeiten sowie zum Umfang und zu den Modalitäten der Vergütung. Sofern die Aufgabenstellungen in einzelnen Ressorts es erfordern, sind Rufbereitschaften eingerichtet oder Bedienstete mit einem sog. Notfallhandy ausgestattet, z.B. zur Meldung von Unfällen oder Großschadensereignissen sowie in den Bereichen Rettungsdienst, Infekti- LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/6732 5 onsschutz, Therapieunterbringungsgesetz, schulische Krisenintervention oder zum ITSupport . Bei der Vergütung der Rufbereitschaft bzw. der im Einzelfall außerhalb der regulären Dienstzeit geleisteten Arbeitsstunden sind die geltenden beamtenrechtlichen bzw. tariflichen Regelungen zu beachten. 5. Welche konkreten Befunde zu Erkrankungen und sonstigen Beeinträchtigungen hat die Landesregierung aus ihrer Verantwortung als Dienstherr für die Nutzer zuvor genannter mobiler Telekommunikationsgeräte außerhalb der regulären Dienstzeiten in der Landesverwaltung bislang in den einzelnen Ressorts feststellen und verbessern können? (bitte unter Nennung der repräsentativen Datenbasis , Erhebungsmethoden und praktizierten Instrumente zur Problemhandhabung ) Schon aus Gründen des Datenschutzes dürfen keine konkreten Daten zu Krankheitsbefunden und sonstigen Beeinträchtigungen erhoben werden, die sich aus der Nutzung von mobilen Telekommunikationsgeräten ergeben können. Die Ressorts der Landesregierung sind für die Problemstellung sensibel. Sie greifen mögliche Gesundheitsgefährdungen durch die vermehrte Nutzung von mobilen IT-Geräten im Rahmen ihres betrieblichen Gesundheitsmanagements z.B. durch Mitarbeiterinnen- und Mitarbeiterbefragungen oder in Gesundheitszirkeln bzw. Arbeitsgruppen auf.