LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/6767 11.09.2014 Datum des Originals: 11.09.2014/Ausgegeben: 16.09.2014 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 2560 vom 1. August 2014 des Abgeordneten Thomas Nückel FDP Drucksache 16/6460 Umweltzone Ruhr bremst Gewerbe in Herne aus – Wie verhindert die Landesregierung , dass Gewerbetreibenden ihre Existenzgrundlage durch unverhältnismäßige Fahrverbote entzogen wird? Der Minister für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz hat die Kleine Anfrage 2560 mit Schreiben vom 11. September 2014 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister für Inneres und Kommunales, dem Minister für Wirtschaft, Energie, Industrie, Mittelstand und Handwerk und dem Minister für Bauen, Wohnen , Stadtentwicklung und Verkehr beantwortet. Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Einfahrverbote gerade in großflächige Umweltzonen sind ein schwerwiegender Eingriff in die persönliche Freiheit der Menschen sowie in die Berufs- und Unternehmerfreiheit. Dieser Eingriff muss stets gut begründet sein. Verbote sollten grundsätzlich "ultima ratio" sein. Deshalb erfordern sie aus Sicht der FDP-Landtagsfraktion einen exakten Nachweis ihrer Wirksamkeit und ihrer Verhältnismäßigkeit. Es ist jedoch höchst strittig, ob die Auswirkungen der Umweltzonen im Ruhrgebiet in ihrer immensen Ausprägung und durchgreifenden Fahrverboten tatsächlich zu einer signifikanten Absenkung der Immissionswerte geführt haben, oder ob für sinkende Werte andere Faktoren ausschlaggebend sind. Sperrmaßnahmen sind sicherlich an Konzentrationspunkten sinnvoll, eine nachhaltige Senkung der heutigen Feinstaubbelastung ist aber durch eine Reduzierung der sogenannten Hintergrundbelastung überregionaler Feinstaubquellen viel effizienter möglich , die Industrieproduktion und Privatheizung umfassen und dabei auf quellenbezogene Reduktionsmaßnahmen setzen. Die Belastungen, die durch die Umweltzone Ruhr für Bürger und Mittelstand bereits entstanden sind und offensichtlich auch weiterhin entstehen, sind durch die bisherigen Erkenntnisse jedenfalls unverändert nicht zu rechtfertigen. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/6767 2 Die Stadt Herne hat als Ruhrgebietskommune ohnehin mit einer Vielzahl an strukturellen Problemen zu kämpfen. Die Gestaltungsspielräume werden angesichts der massiven Verschuldung immer kleiner. Gerade deshalb kann der Beitrag der klein- und mittelständischen Betriebe für Arbeit und Ausbildung und für die lokale und regionale Wirtschaft nicht hoch genug geschätzt werden. Besonders negativ betroffen ist der Wanner Hafen als Logistikstandort in Herne. Die Umweltzone macht den Hafen für Unternehmen zunehmend uninteressant, was dazu führt, dass die Auslastung sinkt und damit Arbeitsplätze gefährdet sind. Außerdem stammt die angenommene Feinstaubbelastung auch nicht von den LKW vor Ort, sondern aus anderen Quellen im Umkreis. Über 70 % werden dort durch die Hintergrundbelastung (Industriebetriebe, Autobahnverkehr) verursacht und das Wetter spielt ebenso eine große Rolle. Die Maßnahmen zur Reduzierung – insbes. im Wanner Hafen - stoßen somit schnell an die Grenzen des Machbaren. Damit verbunden ist ein deutlicher Standortnachteil und eine Wettbewerbsverzerrung gegenüber dem Dortmunder Hafen, der nicht in einer Umweltzone liegt. Umweltminister Remmel begründet die Ausnahme in Dortmund mit der wirtschaftlichen Bedeutung des Hafens. Die mit der Einführung der Umweltzonen vor einigen Jahren befürchtete Belastung von Gewerbetreibenden ist in zahlreichen Fällen leider bestätigt worden. Sie müssen viel Geld investieren, um ihren Fuhrpark auf den aktuellen Stand der Technik zu bringen. Mittels Ausnahmeregelungen, die aber lediglich für Unternehmen mit zwei oder mehr Nutzfahrzeugen und bei evidenten wirtschaftlichen und sozialen Härtefällen sowie für besondere Fahrzwecke wie Schwerbehindertentransporte oder Krankenhausfahrten gelten, konnten seit Ende 2011 einige Härtefälle abgemildert werden. Im gesamten Ruhrgebiet und damit auch in Herne entfaltet die Umweltzone jedoch ab dem 1. Juli 2014 endgültig ihre volle Wirkung. Ab dann dürfen – mit ganz wenigen Ausnahmen – nur noch Kraftfahrzeuge mit einer grünen Plakette durch die Umweltzone Ruhrgebiet fahren. Allein in Herne trifft das Verbot 3340 PKW und 870 Nutzfahrzeuge mit gelber Plakette. Ausgeschlossen von dieser Regelung sind dann nur noch die Autobahnen, die die Metropole Ruhr durchziehen. Bei Nichtbeachtung der Vorschrift, eine gut sichtbare grüne Plakette auf der Windschutzscheibe oder entsprechende Ausnahmegenehmigungen mitzuführen, sind bei einer Kontrolle durch die Ordnungsbehörden 80 Euro Verwarnungsgebühren zu entrichten . Es ist davon auszugehen, dass die Verschärfungen seit dem 1. Juli 2014 insbesondere die Handwerksbetriebe und Gewerbetreibende treffen, die ohnehin mit Existenzschwierigkeiten zu kämpfen haben. Vorbemerkung der Landesregierung Die Luftqualität im Ruhrgebiet verbessert sich dank der großen Anstrengungen zur Reinhaltung der Luft von Jahr zu Jahr. Dennoch ist der Handlungsdruck noch immer hoch angesichts der negativen gesundheitlichen Wirkungen von Feinstaub und Stickstoffdioxid und der bestehenden Überschreitungen von EU-Luftqualitätsgrenzwerten. Die im Rahmen von Luftreinhalteplänen eingeleiteten Minderungsmaßnahmen zielen auf alle Verursacher von Luftschadstoffemissionen , d.h. Industrie, private Heizungen und motorisierter Straßenverkehr. Die Umweltzone ist Bestandteil der mit den Luftreinhalteplänen vom 04.08.2008 und 15.10.2011 (Fortschreibung) in Kraft gesetzten Maßnahmen. Mit der Fortschreibung des Luftreinhalteplans Ruhrgebiet wurde frühzeitig auch die Fortentwicklung des Instruments Umweltzone mit Vertretern der Wirtschaftsverbände diskutiert. Das Landesumweltministerium und der Westdeutsche Handwerkskammertag haben sich am 01.12.2010 auf ein ge- LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/6767 3 meinsames Eckpunktepapier zur Luftreinhaltung verständigt. Vereinbart wurde u.a., dass die Leitlinien des Bundes für Umweltzonen-Ausnahmen als Ausnahmeregelung für NRW akzeptiert werden und zusätzlich eine Fuhrparkregelung gelten soll. Zudem ist die Landesregierung mit Bürgern, Kommunen und der Wirtschaft in einen Dialog getreten und hat am 09. und 16.05.2011 Konsultationsgespräche zum Luftreinhalteplan und zur Umweltzone Ruhrgebiet geführt. In der Stadt Herne traten Umweltzonenregelungen erstmalig am 01.01.2012 in Kraft, indem das gesamte Stadtgebiet Bestandteil der zusammenhängenden großräumigen Umweltzone Ruhrgebiet wurde. Die Umweltzone Ruhrgebiet wirkt sich förderlich auf die Modernisierung der Fahrzeugflotte aus. So wurden beispielsweise im Ruhrgebiet bis Ende des Jahres 2013 40.334 Pkw und 10.617 Nutzfahrzeuge mit Dieselpartikelfiltern nachgerüstet, was zu einer Reduzierung der besonders gesundheitsschädlichen Dieselrußemissionen führte. Die Umweltminister der Länder haben auf Initiative Nordrhein-Westfalens die Wiederaufnahme der Förderung der Dieselpartikelfilternachrüstung durch den Bund eingefordert. Der Bund ist dieser Forderung aber nicht nachgekommen und hat in seinem 2014er Haushalt keine Förderung vorgesehen. 1. Wie viele Sonderparkausweise für Gewerbetreibende, bitte unter Angabe ihrer Gültigkeitsdauer, sind seit 2010 bis heute in der Stadt Herne an Betriebe ausgegeben worden, die zur Einfahrt in die Umweltzone berechtigen? Für Handwerker gibt es Handwerkerparkausweise, die bis zum 31.12.2011 zusätzlich zur Einfahrt in die Umweltzone berechtigten. Handwerkerparkausweise haben eine Gültigkeitsdauer von einem Jahr. Die Stadt Herne hat 152 Handwerkerparkausweise im Jahr 2010 und 167 Handwerkerparkausweise im Jahr 2011 ausgegeben. 2. Wie viele Ausnahmegenehmigungen sind seit 2010 bislang Gewerbetreibenden in der Stadt Herne, differenziert nach Ausnahmegründen und ihrer Gültigkeitsdauer, gewährt worden, die zur Einfahrt in die Umweltzonen berechtigen bzw. berechtigt haben? Eine Erfassung der Anzahl erteilter Ausnahmegenehmigungen erfolgt bei den jeweiligen kommunalen Behörden, ohne dass hierfür Vorgaben des Landes bestehen. Nach Auskunft der Stadt Herne wurden gemäß Luftreinhalteplan Ruhrgebiet vom 15.10.2011 nach dem NRW-weit gültigen Umweltzonen-Ausnahmekatalog auf Basis der Leitlinien des Bundes Ausnahmen wie folgt erteilt: LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/6767 4 Ausnahme Anzahl der für Gewerbetreibende erteilten Genehmigungen in Herne bis zum 30.4.2014 Nach Ziffern 1.2.1,1.2.2., 1.3.3, 1.3.4., Ausnahmen in Fällen wirtschaftlicher Härte; Dauer nach Bedarf und auf ein angemessenes Maß beschränkt 184 Nach Ziffer 2., Fuhrparkregelung, für die Dauer von einem Jahr 74 Die Ausnahmegenehmigungen werden von der Stadt Herne nicht statistisch erfasst. 3. Wie beurteilt die Landesregierung für die Stadt Herne die bisherigen Erfahrungen des Handwerksausweises sowie der Ausnahmegenehmigungen, die kleine Gewerbetreibenden unterstützen bzw. unterstützt haben, ihre weitere berufliche Existenz zu sichern? Die Landesregierung hat im Zuge der Einführung von Umweltzonen im Ruhrgebiet ab dem 01.10.2008 Übergangs- und Ausnahmeregelungen gewährt, da die Umweltzone seinerzeit ein neuartiges Instrument war. Vor diesem Hintergrund wurde auch die Handwerkerparkausweisregelung getroffen. Das Vorgehen hat sich für die Einführungsphase bewährt . Die Fuhrparkregelung ist bis heute für Gewerbetreibende hilfreich, die ihre Fahrzeugflotten nur schrittweise modernisieren können. 4. Welche genauen alternativen oder weiteren Regelungen plant die Landesregie- rung für die Entlastung des Handwerks und anderer Gewerbetreibender in Herne zukünftig angesichts der drohenden Notwendigkeit zur Fuhrparkerneuerung? Mit dem in der Vorbemerkung zitierten Eckpunktepapier haben Landesumweltministerium und die Handwerksorganisationen Aktivitäten zur vorzeitigen Einführung von Fahrzeugen mit dem Abgasstandard Euro 6 ins Auge gefasst. Als Ergebnis der gemeinsamen Aktivitäten wurde den Handwerkern im Zeitraum bis zum 31.08.2014 über das Effizienzkreditprogramm der NRW.Bank ein Tilgungszuschuss in Höhe von 800 EURO beim Kauf eines Euro 6- Fahrzeugs gewährt. Über diesen Zeitpunkt hinaus steht das Effizienzkreditprogramm als reines Kreditprogramm zu den programmüblichen Konditionen zur Verfügung. Zusätzliche Ausnahmeregelungen für Umweltzonen sind nicht vorgesehen. 5. Wie beurteilt die Landesregierung nach den bislang vorliegenden Erkenntnissen die Wirksamkeit der Umweltzonen im Ruhrgebiet für das Gebiet der Stadt Herne als Beitrag zur signifikanten Feinstaubreduktion? Die Einrichtung von Umweltzonen ist eine wirksame Maßnahme zur Minderung der Feinstaubbelastung. Langfristige Auswertungen der Luftqualitätsdaten des LANUV NRW zeigen, dass insbesondere an verkehrlich geprägten Messstellen die Feinstaub-Belastung innerhalb von Umweltzonen stärker abgenommen hat als an den Messstellen außerhalb von Umweltzonen. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/6767 5