LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/6811 17.09.2014 Datum des Originals: 17.09.2014/Ausgegeben: 22.09.2014 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 2623 vom 25. August 2014 des Abgeordneten Ralf Witzel FDP Drucksache 16/6628 Kosten für verbindliche Auskünfte durch nordrhein-westfälische Finanzbehörden – In wie vielen Fällen nutzen steuerpflichtige Bürger wie Unternehmen die bestehenden Möglichkeiten zur Klärung von Steuer- und Buchführungsfragen? Der Finanzminister hat die Kleine Anfrage 2623 mit Schreiben vom 17. September 2014 namens der Landesregierung beantwortet. Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Die sogenannte „verbindliche Auskunft“ ist eine Regelung in § 89 Abgabenordnung (AO) über Auskünfte im Steuerrecht, insbesondere der Steuerbehörde gegenüber dem Steuerpflichtigen . Die regional zuständigen Finanzämter sind dabei eine wichtige Anlaufstelle für Bürger, Handwerksbetriebe, Unternehmen und andere Steuerpflichtige. Die Finanzbeamten sind grundsätzlich zur Auskunft und Beratung verpflichtet. Sie müssen die Steuerpflichtigen dabei natürlich nicht auf jede sich bietende Möglichkeit hinweisen, wie sie Steuern sparen können. Bei offenkundigen Fehlern oder Versäumnissen hat das Finanzamt aber geradezu eine Fürsorgepflicht gegenüber den Betroffenen. Dies geht aus § 89 AO Abs. 1 und 2 klar hervor: „(1) Die Finanzbehörde soll die Abgabe von Erklärungen, die Stellung von Anträgen oder die Berichtigung von Erklärungen oder Anträgen anregen, wenn diese offensichtlich nur versehentlich oder aus Unkenntnis unterblieben oder unrichtig abgegeben oder gestellt worden sind. Sie erteilt, soweit erforderlich, Auskunft über die den Beteiligten im Verwaltungsverfahren zustehenden Rechte und die ihnen obliegenden Pflichten. (2) Die Finanzämter und das Bundeszentralamt für Steuern können auf Antrag verbindliche Auskünfte über die steuerliche Beurteilung von genau bestimmten, noch nicht verwirklichten LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/6811 2 Sachverhalten erteilen, wenn daran im Hinblick auf die erheblichen steuerlichen Auswirkungen ein besonderes Interesse besteht.“ Diese schnelle Möglichkeit der Einholung von zumeist telefonischen Auskünften ermöglichen dem Steuerpflichtigen oft die unbürokratische und in der Regel zugleich fachkompetente Einschätzung eines steuerlichen Sachverhalts durch die Finanzbehörde, den er ansonsten von einem Steuerberater hätte prüfen lassen oder auf dem Weg eigener Recherchen hätte ergründen müssen. Letzteres kann in der komplizierten Steuergesetzgebung schnell zu fragwürdigen Ergebnissen führen, die in sich anschließenden streitigen Verfahren keinen Bestand haben. Bei Zweifelsfragen mit erheblichen steuerlichen Auswirkungen empfiehlt es sich jedoch, die Beweiskraft und den Vertrauensschutz durch Einholen einer schriftlich erteilten sogenannten „verbindlichen Auskunft" zu sichern. Laut § 89 Abs. 3 bis 7 der Abgabenordnung sind solche bindenden Stellungnahmen seit einigen Jahren allerdings gebührenpflichtig: „Für die Bearbeitung eines Antrags auf Erteilung einer verbindlichen Auskunft nach Absatz 2 wird eine Gebühr erhoben.“ Die Gebühr berechnet sich nach dem Gegenstandswert, den die verbindliche Auskunft für den Antragsteller hat, oder nach der Dauer der Bearbeitungszeit – sollte der Gegenstandswert nicht bestimmbar sein. Diese Gebühr wird laut Aussage von Betroffenen auch dann berechnet, wenn diese den Antrag auf verbindliche Auskunft zurückziehen und noch kein Bearbeiter im Finanzamt einen Finger gekrümmt hat. Die Verfassungsmäßigkeit der amtlichen Auskunftsgebühr hat der Bundesfinanzhof bereits vor einiger Zeit bestätigt (Az.: R 61/10 v. 30.3.2011), unter anderem mit der Begründung, dass „die Unübersichtlichkeit der steuerlichen Normen ihre Ursache zum Teil auch in der Kreativität der Steuerpflichtigen und deren Berater hat, die stets – in durchaus legitimer Weise – bestrebt sind, etwa vorhandene Gesetzeslücken aufzuspüren und auszunutzen und die dadurch den Gesetzgeber zu weiteren gesetzlichen Ergänzungen provozieren.“ Zur Umgehung der Gebührenzahlung besteht die Möglichkeit, lohnsteuerliche Probleme und Zweifelsfälle mittels Anrufungsauskunft nach § 42e Einkommensteuergesetz einer Klärung zuzuführen. Sofern es um Lohnsteuerangelegenheiten geht, müssen die Finanzbehörden ausführlich Rede und Antwort stehen – inklusive kostenloser und schriftlicher verbindlicher Auskünfte. Damit kein Zweifel aufkommt: Umfassende regelmäßige Fragen zur Erstellung und Abgabe von Steuererklärungen liegen im Kernaufgabenspektrum der steuerberatenden Berufe, die zukünftig selbstverständlich nicht durch Behördenauskünfte ersetzt werden können oder sollen. Von einer bindenden Finanzamtsauskunft geht aber eine Rechtsklarheit und damit auch Rechtssicherheit aus, die in Einzelfragen existentiell entscheidend für Betriebe oder Privatpersonen sein kann. Um die Auswirkungen, Verbreitungsgrad und Akzeptanz der Möglichkeiten zur Einholung verbindlicher Auskünfte bei den nordrhein-westfälischen Finanzbehörden fachlich einordnen zu können, ist eine umfassende Information an das Landesparlament angeraten. 1. Wie viele verbindliche Auskünfte nach § 89 Abgabenordnung sind schriftlich wie mündlich seit dem Jahr 2010 jeweils jährlich durch die jeweiligen Finanzbehörden in Nordrhein-Westfalen erteilt worden? Die Finanzämter in Nordrhein-Westfalen führen keine Statistik über mündliche oder schriftliche Auskünfte nach § 89 Abs. 1 AO. Über verbindliche Auskünfte nach § 89 Abs. 2 AO, die LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/6811 3 ausschließlich schriftlich erteilt werden, führen die Finanzämter Aufzeichnungen, die einer automationsgestützten Abfrage nicht zugänglich sind. Eine entsprechende Abfrage bei den mehr als 100 nordrhein-westfälischen Finanzämtern nebst Aufbereitung der Antworten beansprucht mehr Zeit als für die Antwort auf diese Kleine Anfrage zur Verfügung steht. 2. Wie hoch sind seit dem Jahr 2010 jeweils jährlich die Einnahmen der jeweiligen Finanzbehörden in Nordrhein-Westfalen durch die Erteilung dieser verbindlichen Auskünfte gewesen? Für die Erteilung der verbindlichen Auskünfte nach § 89 Abs. 2 AO sind folgende Gebühreneinnahmen verbucht worden: Jahr 2010 6.143.020,23 € Jahr 2011 5.414.749,32 € Jahr 2012 5.589.783,17 € Jahr 2013 5.970.933,03 € 3. Wie viele verbindliche Auskünfte nach § 42e Einkommensteuergesetz sind schriftlich wie mündlich seit dem Jahr 2010 jeweils jährlich durch die jeweiligen Finanzbehörden in Nordrhein-Westfalen erteilt worden? Die Finanzämter in Nordrhein-Westfalen führen keine Statistik über Anrufungsauskünfte nach § 42 e EStG. 4. Wie begründet die Landesregierung für die seit dem Jahr 2010 bis heute vorlie- genden Fälle einer Antragsrücknahme auf verbindliche Auskunft ohne angefangene Bearbeitung, dass vom Steuerzahler dafür dennoch eine Gebühr zu entrichten ist? (bitte unter Angabe der bisherigen Fallzahlen bzw. Verbreitungsgrades dieses Phänomens) Nach § 89 Abs. 7 Satz 1 AO kann auf die Gebühr ganz oder teilweise verzichtet werden, wenn ihre Erhebung nach Lage des einzelnen Falls unbillig wäre. Die Gebühr kann nach § 89 Abs. 7 Satz 2 AO insbesondere ermäßigt werden, wenn ein Antrag auf Erteilung einer verbindlichen Auskunft vor Bekanntgabe der Entscheidung der Finanzbehörde zurückgenommen wird. Die Finanzbehörden haben sich im Anwendungserlass zur AO an folgende Verfahrensweise gebunden (AEAO zu § 89, Nr. 4.5.2): „Wird ein Antrag vor Bekanntgabe der Entscheidung über den Antrag auf verbindliche Auskunft zurückgenommen, kann die Gebühr ermäßigt werden (§ 89 Abs. 7 Satz 2 AO). Hierbei ist wie folgt zu verfahren: • Hat die Finanzbehörde noch nicht mit der Bearbeitung des Antrags begonnen, ist die Gebühr auf Null zu ermäßigen. In diesem Fall kann aus Vereinfachungsgründen bereits von der Erteilung eines Gebührenbescheids abgesehen werden. [...].“ LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/6811 4 5. Für jeweils welche einzelnen Dienstleistungen der nordrhein-westfälischen Finanzbehörden haben Steuerpflichtige regelmäßig einerseits keine bzw. anderseits festgelegte Gebühren zu entrichten? 1. Gebühren für die Anerkennung der Lohnsteuerhilfevereine Nach § 16 StBerG hat der Verein für die Bearbeitung des Antrags auf Anerkennung als Lohnsteuerhilfeverein eine Gebühr von dreihundert Euro an die Aufsichtsbehörde zu zahlen. Die Aufsicht über die Lohnsteuerhilfevereine in Nordrhein-Westfalen führt die Oberfinanzdirektion . 2. Zustellungsgebühren (z.B. Versandkostenpauschale für die Versendung von Akten gem. § 3 Gerichtskostengesetz („Porto-Rück“) 3. Vollstreckungsgebühren Im Vollstreckungsverfahren der Finanzämter werden Kosten (Gebühren und Auslagen) erhoben , die vom Vollstreckungsschuldner geschuldet werden, § 337 Abs. 1 AO. Das Vollstreckungsverfahren ist kostenpflichtig, weil der Vollstreckungsschuldner aufgrund der nicht fristgerechten Zahlung die Vollstreckung veranlasst hat. Folgende Gebühren kommen in Betracht : Pfändungsgebühren nach § 339 AO werden erhoben für die Pfändung von beweglichen Sachen , von Tieren, von Früchten, die vom Boden noch nicht getrennt sind, von Forderungen und von anderen Vermögensrechten. Die Pfändungsgebühr beträgt 20 Euro. Wegnahmegebühren nach § 340 AO werden für die Wegnahme beweglicher Sachen einschließlich Urkunden in den Fällen der §§ 310, 315 Abs. 2 Satz 2, 318, 321, 331 und 336 AO erhoben. Die Wegnahmegebühr beträgt 20 Euro. Die Verwertungsgebühren nach § 341 AO werden für die Versteigerung und andere Verwertung von Gegenständen erhoben. Die Verwertungsgebühr beträgt 40 Euro. 4. Gebühren nach § 11 Informationsfreiheitsgesetz – IFG NRW Nach § 11 Abs. 1 Satz 1 des Informationsfreiheitsgesetzes Nordrhein-Westfalen – IFG NRW – werden für Amtshandlungen auf-grund des Gesetzes Gebühren erhoben, deren Höhe sich nach dem Gebührentarif zur Verwaltungsgebührenordnung zum Informationsfreiheitsgesetz Nordrhein-Westfalen – VerwGebO IFG NRW – vom 19.02.2002 (GV.NRW. S. 88) richtet. Die Ablehnung eines Antrags auf Informationszugang ist gebührenfrei, § 11 Abs. 1 Satz 2 IFG NRW. 5. Gebühren für die Erteilung verbindlicher Auskünfte nach § 89 AO über die steuerliche Beurteilung von Sachverhalten 6. Sonstige Verwaltungsgebühren, z.B. Kopierkostenerstattung von Dritten