LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/6848 23.09.2014 Datum des Originals: 23.09.2014/Ausgegeben: 26.09.2014 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 2633 vom 1. September 2014 des Abgeordneten Marc Lürbke FDP Drucksache 16/6661 Bringt die geplante Verringerung der Polizeipräsenz bei Fußballspielen auch Entspannung für die überlasteten Hundertschaften der Bereitschaftspolizei NRW? Der Minister für Inneres und Kommunales hat die Kleine Anfrage 2633 mit Schreiben vom 23. September 2014 namens der Landesregierung beantwortet. Vorbemerkung der Kleinen Anfrage NRW- Innenminister Jäger verkündete Ende Juli eine deutliche Reduzierung der Polizeipräsenz bei Fußballspielen der drei obersten Ligen in NRW. Einsätze zur Absicherung von Fußballspielen werden zum allergrößten Teil durch die Hundertschaften der Bereitschaftspolizei wahrgenommen. Die Bereitschaftspolizeihundertschaften aus Nordrhein- Westfalen können zudem auf der Grundlage entsprechender Verwaltungsabkommen bei besonderen Einsatzlagen auch in anderen Ländern eingesetzt werden. Nicht zuletzt wegen ihres hervorragenden Rufes wird von dieser Möglichkeit offenbar gerne Gebrauch gemacht. Ausweislich des letzten, dem Innenausschuss des Landtages zur Verfügung gestellten Berichts des Innenministeriums waren ca. 35 Prozent der Unterstützungsanlässe außerhalb Nordrhein-Westfalens Fußballspiele (Vorlage des Landtags 16/163). Die Situation der Hundertschaften ist problematisch, da wegen der enormen Anzahl an Einsätzen für die einzelnen Beamten und Beamtinnen vorausplanbare Freizeit kaum noch möglich ist. Mittlerweile gehört nach Polizeikreisen sogar die Streichung des sogenannten „erlassfreien “, das heißt an sich garantiert dienstfreien Wochenendes zum Alltag. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/6848 2 Es sollte anzunehmen sein, dass der Innenminister im Zuge des Rückzugs der Polizei bei Fußballspielen auch konkrete Entlastungsmöglichkeiten der Hundertschaften plant, zumal die Spielpläne der Fußballligen bis Mitte nächsten Jahres feststehen. Gerade vor dem Hintergrund der extrem angespannten generellen Personalsituation der Polizei in NRW ist überdies zu prüfen, ob die nordrhein- westfälischen Hundertschaften im bisherigen Umfang beibehalten oder ob Kräfte für die Bekämpfung weiterer ansteigender Kriminalitätsschwerpunkte wie z.B. der Einbruchskriminalität gewonnen werden können. Vorbemerkung der Landesregierung Die Landesregierung setzt mit der Reduzierung der polizeilichen Präsenz vor Ort und der Reduzierung der eingesetzten Kräfte bei bestimmten Fußballspielen ein Signal zur Stärkung der Eigenverantwortung fußballbegeisterter Fans und der Vereine. Das Konzept bietet die Chance, die verantwortungsbewusste Selbstregulierung innerhalb der Fanszene zu fördern und im Gegenzug die Einsatzbelastung der Polizei mittelfristig zu verringern. Dabei nimmt die Polizei NRW selbstverständlich weiterhin uneingeschränkt ihren gesetzlichen Auftrag zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung wahr. Ziel des Pilotversuchs ist die Weiterentwicklung der intensiven Netzwerkarbeit mit Vereinen und Verbänden, Fanprojekten und Fanvertretern. In der Folge ggf. freiwerdende Kräfte stehen auch für andere Einsatzanlässe zur Verfügung. Eine umfassende Darstellung des Pilotversuches ist dem „Bericht des Ministeriums für Inneres und Kommunales NRW zum Pilotversuch ‚Lageangepasste Reduzierung der polizeilichen Präsenz bei Fußballspielen‘ für die Sitzung des Innenausschusses am 28. August 2014“ (Vorlage des Landtags 16/2103) zu entnehmen. 1. Wie viele Personalstunden sind bei den Hundertschaften der Bereitschaftspolizei NRW durch Einsätze bei Fußballspielen der obersten drei Ligen in NRW in den letzten drei Fußballsaisons entstanden (bitte einzeln auflisten nach Saisons)? Die geleisteten Personalstunden der Bereitschaftspolizei NRW werden in den jeweiligen Standorten erfasst und können landeszentral ausgewertet werden. Eine Auswertung der erfassten Daten nach einzelnen Fußballligen bzw. nach Fußballsaisons ist automatisiert nicht möglich, da diese Differenzierungskriterien nicht erfasst werden. Eine derartige Erhebung wäre nur händisch und mit hohem Verwaltungsaufwand zu erstellen. In der zur Bearbeitung der Kleinen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit war eine solche Datenauswertung nicht möglich. Des Weiteren ist darauf hinzuweisen, dass die im Rahmen der Erstellung des Jahresberichtes der Zentralen Informationsstelle Sporteinsätze (ZIS) beim Landesamt für Zentrale Polizeiliche Dienste NRW zur jeweiligen Saison erhobenen Personalstunden alle eingesetzten Polizeikräfte umfassen. Eine gesonderte Auswertung nach den einzelnen Bereitschaftspolizeihundertschaften ist nicht möglich. Zur Bewältigung von Einsätzen aus Anlass von Spielen aller Fußballligen bzw. sonstigen Einsätzen mit Fußballbezug wurden durch die Bereitschaftspolizeihundertschaften seit 2011 folgende Personalstunden aufgebracht: LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/6848 3 Jahr Personalstunden zur Bewältigung von Einsätzen aus besonderem An- lass insgesamt davon Personal- stunden „Fußball“ Prozentualer Anteil an den Personalstunden zur Bewältigung von Einsätzen aus beson- derem Anlass 2011 1.955.559 487.791 24,94% 2012 1.730.771 557.477 32,21% 2013 1.601.444 509.286 31,80% 20141 810.706 245.567 30,29% Zu berücksichtigen ist dabei, dass neben den Bereitschaftspolizeihundertschaften anlassbezogen auch weitere Einheiten der Bereitschaftspolizei NRW (Abteilungsführungen, Technische Einsatzeinheiten) bzw. die Alarmeinheiten NRW eingesetzt wurden. 2. Mit wie viel Personalstunden rechnet die Landesregierung für die Hundertschaf- ten der Bereitschaftspolizei NRW durch Einsätze bei Fußballspielen der obersten drei Ligen in NRW in der Saison 2014/2015? Grundsätzlich ist festzustellen, dass die Präsenz von Polizeikräften in Abhängigkeit der jeweiligen Lagebewertung im Einzelfall erfolgt. Es ist in jedem Fall zu prüfen, ob aktuelle Lageerkenntnisse (beispielsweise Mobilisierungsverhalten, Zuschaueraufkommen etc.) sowie gewonnene Einsatzerfahrungen der vergangenen Jahre, Kräftereduzierungen zulassen. Eine pauschale Kräftedisposition im weiten Vorfeld von Fußballspielen ist nicht möglich. Vor diesem Hintergrund lässt sich die weitere Entwicklung nicht prognostizieren. Der Pilotversuch „Lageangepasste Reduzierung der polizeilichen Präsenz bei Fußballspielen “ endet am 27.09.2014. Im Anschluss erfolgt eine Evaluierung durch das Ministerium für Inneres und Kommunales. 3. Wie viele Personalstunden sind bei den Hundertschaften der Bereitschaftspolizei NRW durch Einsätze bei Fußballspielen der obersten drei Ligen durch Unterstützungseinsätze in anderen Bundesländern in den letzten drei Fußballsaisons entstanden (bitte einzeln auflisten nach Saisons und Bundesländern)? Die Unterstützung der Länder untereinander bei der Bewältigung großer und herausragender Einsatzlagen ist gelebte Solidarität im Rahmen des Föderalismus und entspricht langjährig geübter Praxis. Zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Land NordrheinWestfalen wurde - wie auch mit den anderen Ländern - ein Verwaltungsabkommen über die Bereitschaftspolizei abgeschlossen. Darin ist als vorrangige Aufgabe der Bereitschaftspolizei neben der Bewältigung von Lagen aus besonderem Anlass einschließlich der Gefahrenlagen nach dem Grundgesetz auch die Unterstützung anderer Länder bei der Bewältigung solcher Lagen vertraglich vereinbart. 1 nur 1. Halbjahr LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/6848 4 Die Länder und der Bund haben sich darüber hinaus darauf vereinbart, die zur Bewältigung regelmäßig wiederkehrender eigener Einsatzlagen notwendigen Kräfte grundsätzlich selbst in ausreichender Stärke vorzuhalten. Somit sind länderübergreifende Kräfteanforderungen auf besondere Einsatzlagen und den hierfür notwendigen Umfang beschränkt. Vor diesem Hintergrund erfolgte im Zeitraum 2011 bis zum 1. Halbjahr 2014 keine Unterstützung anderer Länder aus Anlass von Ersuchen im Zusammenhang mit Fußballspielen der diversen Fußballligen durch Kräfte der Bereitschaftspolizei NRW. Ob das Land Nordrhein-Westfalen zukünftig andere Länder aus Anlass von Einsätzen im Zusammenhang mit Fußballspielen unterstützen wird, lässt sich nur einzelfallbezogen beurteilen und ist daher nicht zu prognostizieren. 4. Mit wie viel Personalstunden rechnet die Landesregierung für die Hundertschaf- ten der Bereitschaftspolizei NRW durch Einsätze bei Fußballspielen der obersten drei Ligen durch Unterstützungseinsätze in anderen Bundesländern in der Saison 2014/2015? Siehe Antwort zu Frage 3. 5. Inwieweit können infolge der geplanten Verringerung der Polizeipräsenz bei Fußballspielen durch Reduzierung der Bereitschaftspolizei NRW Kräfte für die Bekämpfung anderer Kriminalitätsschwerpunkte gewonnen werden? Vorrangige Aufgaben der Bereitschaftspolizei sind neben  der Bewältigung von Einsätzen aus besonderem Anlass (einschließlich der Gefahrenlagen nach den Artikeln 35 Abs. 3, 91 Abs. 2 und 115 f GG) und  der Unterstützung anderer Länder bei der Bewältigung von Lagen aus besonderem Anlass (einschließlich der Gefahrenlagen nach den Artikeln 35 Abs. 3 und 91 Abs. 2 GG) die Unterstützung der Polizeibehörden, insbesondere bei der Gefahrenabwehr, der Kriminalitäts - und Verkehrsunfallbekämpfung im Rahmen von Schwerpunkteinsätzen. Im Zeitraum 2011 bis zum 1. Halbjahr 2014 wurden in einem Anteil zwischen 14% und 21% der Gesamtarbeitszeit der Bereitschaftspolizei NRW Personalstunden für letztgenannte Einsätze zur Unterstützung der Polizeibehörden erbracht. Die Bereitschaftspolizei wurde dabei auch regelmäßig bei landesweiten Schwerpunkteinsätzen - unter anderem zur Bekämpfung der Einbruchskriminalität - eingesetzt. Sofern eine nachhaltige Reduzierung des Kräftebedarfs bei Fußballspielen realisiert werden kann, wäre einzelfallbezogen zu entscheiden, für welche Einsätze bzw. Einsatzanlässe die Bereitschaftspolizei NRW zur Verfügung stehen könnte.