LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/6922 30.09.2014 Datum des Originals: 30.09.2014/Ausgegeben: 06.10.2014 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 2630 vom 28. August 2014 der Abgeordneten Serap Güler CDU Drucksache 16/6657 Wissenschaftler sehen Anhaltspunkte für Diskriminierung im ersten juristischen Staatsexamen: Welche Fragen lassen die Landesregierung an der vorbehaltlichen These zweifeln? Der Justizminister hat die Kleine Anfrage 2630 mit Schreiben vom 30. September 2014 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister für Arbeit, Integration und Soziales, der Ministerin für Gesundheit, Emanzipation, Pflege und Alter und der Ministerin für Innovation, Wissenschaft und Forschung beantwortet. Vorbemerkung der Kleinen Anfrage In meiner Kleinen Anfrage 2314 (Drucksache 16/5888) vom 9. Mai 2014 ist die Landesregierung gefragt worden, wie sie den durch die wissenschaftliche Studie „Zur Benotung in der Examensvorbereitung und im ersten Examen“, veröffentlicht in der Zeitschrift für Didaktik der Rechtswissenschaft (ZDRW 1/2013, S. 8-27), dargelegten Hinweisen auf Diskriminierung im ersten juristischen Staatsexamen nachzugehen gedenkt. Die Antwort der Landesregierung vom 16. Juni 2014 (Drucksache 16/6073) wirft weitere Fragen auf, um deren Beantwortung gebeten wird. Vorbemerkung der Landesregierung Die Autoren haben in der zitierten Studie Folgendes ausgeführt: "Sowohl bei dem Geschlechts- als auch beim Herkunftseffekt können wir eine Diskriminierung weder mit der notwendigen Gewissheit ausschließen noch sie nachweisen. […] Einiges spricht dafür, dass es sich nicht notwendigerweise um eine bewusste Diskriminierung handelt, dass vielmehr die subjektive Wahrnehmung von Stereotypen die tatsächliche Leistungsfähigkeit von Stereotypen betroffener Kandidaten reduziert; für Frauen wurde dieser Effekt, wie oben erörtert, bereits andernorts gezeigt, und auch für Ausländer scheint er nicht unplausibel." LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/6922 2 Vor diesem Hintergrund ist noch einmal zu betonen, dass die zitierte Studie zwar Anlass gibt, sich mit möglichen Geschlechts- und Herkunftseffekten im Rahmen juristischer Staatsprüfungen zu beschäftigen, dass aber die Studie weder eine bewusste noch eine unbewusste Diskriminierung von bestimmten Bevölkerungsgruppen belegt. 1. Welche Fragen an die genannte Forschungsarbeit lassen bei der Landesregierung Zweifel an der These einer möglichen Diskriminierung bei der Vergabe von Examensnoten bei juristischen Staatsprüfungen aufkommen (bitte konkret auflisten)? Wie in der Vorbemerkung ausgeführt, gehen die Autoren selbst nicht davon aus, dass die Studie eine Diskriminierung bestimmter Bevölkerungsgruppen belegt. Soweit die Forscher in bestimmten Zusammenhängen die Formulierung gewählt haben, eine Diskriminierung "liege nahe", stellen sich bei der Analyse der Arbeit zahlreiche Fragen. Hierbei ist allerdings zu berücksichtigen, dass sich das Justizministerium derzeit im Dialog mit den Forschern befindet, um - nach Aufhebung der haushaltswirtschaftlichen Sperre - über eine mögliche Anschlussforschung auf diesem Gebiet zu befinden. Es ist gut möglich, dass sich im Rahmen der Gespräche mit den Forschern noch weitere Aspekte ergeben. Die bislang zu Tage getretenen Fragen lassen sich wie folgt zusammenfassen: - Ist die Abiturnote als "Referenzgröße" für den zu erwartenden Examenserfolg aussagekräftig genug? - Reichen bei der Analyse möglicher Herkunftseffekte Daten von Studierenden der Universität Münster aus? - Lässt sich ein vermuteter Migrationshintergrund der Kandidatinnen und Kandidaten lediglich anhand des Namens bestimmen? - Wie erklärt sich ein möglicher Einfluss des Geschlechts oder der Herkunft auf die Ergebnisse des völlig anonymisierten schriftlichen Prüfungsteils? - Reicht ein Datenbestand von 30 - 40 Personen einer bestimmten Herkunftsregion, den die Forscher in einem Gespräch mit Vertretern des Justizministeriums genannt haben, zu wissenschaftlich soliden Schlussfolgerungen aus? - Inwieweit ist die Wahrnehmung von Stereotypen bei der Gesamtbetrachtung berücksichtigt worden? - Von welcher Bedeutung sind die in der Studie unbeobachteten Dimensionen wie beispielsweise soziale Herkunft, wirtschaftliche und familiäre Situation sowie Motivation und Lebensplanung für die Studierendenbiographien und für den Examenserfolg? 2. Liegen den Justizprüfungsämtern bei den Oberlandesgerichten im Land Nordrhein-Westfalen Beschwerden über Benachteiligungen im Prüfungsverfahren vor? Die Justizprüfungsämter bei den Oberlandesgerichten in Nordrhein-Westfalen führen im Jahr knapp 3.000 Verfahren in der staatlichen Pflichtfachprüfung durch. Nach Auskunft der Prüfungsämter liegt lediglich eine Beschwerde einer Kandidatin vor. Diese machte im LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/6922 3 Rahmen der Begründung des Widerspruchs gegen die Bewertung der mündlichen Prüfung geltend, die Prüferin im Fach Zivilrecht habe sie in diskriminierender Weise destabilisieren wollen. Sie leitete diese Annahme aus einem nach der mündlichen Prüfung mit der Prüferin geführten Gespräch ab, in welchem diese der Kandidatin den Rat erteilt habe, an ihrer Nervosität zu arbeiten, weil es Frauen vergleichsweise schwerer haben könnten, wenn sie nervös seien. 3. Liegen den juristischen Fakultäten an den Hochschulen im Land Beschwerden über Benachteiligungen im Prüfungsverfahren vor? Das Ministerium für Innovation, Wissenschaft und Forschung hat keinen Anlass zur Annahme einer Diskriminierung Studierender in der Zwischenprüfung oder der Schwerpunktbereichsprüfung an den juristischen Fakultäten wegen ihres Geschlechts oder ihrer Herkunft. Dem Ministerium liegen keine entsprechenden Erkenntnisse vor. Die juristischen Fakultäten erfassen nicht, ob und ggf. in welchem Umfang und mit welchem Ergebnis Beschwerden über Benachteiligungen im Prüfungsverfahren erhoben worden sind. 4. Sind der Landesregierung über die genannte Untersuchung hinaus weitere wissenschaftliche Studien bekannt, die den Verdacht aufkommen lassen, dass es bei Prüfungsverfahren zu Benachteiligungen aufgrund der Herkunft kommen könnte? Nein.