LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/6966 06.10.2014 Datum des Originals: 02.10.2014/Ausgegeben: 09.10.2014 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 2639 vom 2. September 2014 des Abgeordneten Ernst-Ulrich Alda FDP Drucksache 16/6702 Stromtrasse durch Henkhausen und Elsey – Was unternimmt die Landesregierung, um Anwohner zu schützen? Der Minister für Wirtschaft, Energie, Industrie, Mittelstand und Handwerk hat die Kleine Anfrage 2639 mit Schreiben vom 2. Oktober 2014 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit der Ministerpräsidentin, dem Minister für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz und dem Minister für Bauen, Wohnen, Stadtentwicklung und Verkehr beantwortet. Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Die Amprion GmbH plant, die 220 kV-Höchstspannungsleitung von Dortmund-Kruckel (NRW) nach Dauersberg (RLP) durch zwei 110-/380-kV-Höchstspannungsfreileitungen zu ersetzen. Diese Stromtrasse soll nach Planung von Amprion durch das Stadtgebiet von Hagen führen. Betroffen wären vor allem die Stadtteile Henkhausen und Elsey. Die Masten mit einer Höhe von 30 bis 40 Metern sollen durch doppelt so hohe Masten ersetzt werden. Durch die neue Trasse werden Anwohner erheblichen gesundheitlichen Risiken durch Elektrosmog ausgesetzt. Durch das Vorhaben droht eine Verschandelung des Stadtbildes, Grundstücksentwertung und damit auch ein Verlust von Lebensqualität. Henkhausen und Elsey werden an Attraktivität für Einwohner und diejenigen dorthin ziehen wollen, verlieren. Dass die Planung der Amprion vor Ort auf erheblichen Widerstand stößt, ist nur zu verständlich . Denn im Jahr 2011 abgeschlossenen Raumordnungsverfahren, in dem verschiedene Trassenvarianten geprüft wurden, hat sich die Bezirksregierung Arnsberg klar gegen die von Amprion favorisierte Vorzugstrasse durch die Stadtteile Henkhausen und Elsey ausgesprochen . Stattdessen wurde der Variante Hagen-Reh Nord ein klarer Vorzug erteilt. Diese Trasse würde über die Reher Heide verlaufen und die Siedlungsbereiche nicht antasten. Durch technisch-bauliche Lösungen in Abstimmung mit anderen Netzbetreibern (z. B. eine teilweise Nordverlagerung der Leitung Enervie/DB) könnten eventuell sogar Verbesserungen im Vergleich zur aktuellen Wohnsituation erreicht werden. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/6966 2 Gleichwohl will Amprion noch immer und lediglich aus Gründen der Rechtssicherheit an der Bestandstrasse festhalten. Das entsprechende Planfeststellungsverfahren soll im ersten Quartal 2015 begonnen werden. Vorbemerkung der Landesregierung Die Amprion GmbH betreibt die Errichtung einer 380 kV-Höchst-spannungsverbindung zwischen Kruckel (Stadtteil von Dortmund) und Dauersberg im Westerwald (Rheinland-Pfalz, Landkreis Altenkirchen). Das Vorhaben ist als Projekt Nr. 19 in der Anlage zum Energieleitungsausbaugesetz (EnLAG) enthalten, womit der vordringliche energiewirtschaftliche Bedarf durch gesetzgeberische Entscheidung festgestellt ist. Das Vorhaben dient dem Weitertransport von Windstrom in Richtung Süden, berücksichtigt aber auch die prognostizierten Veränderungen im konventionellen Kraftwerkspark in der Region östliches Ruhrgebiet / Westfalen. Ohne dieses Vorhaben könnten Netzengpässe beziehungsweise Netzüberlastungen auf den heute bestehenden Leitungen insbesondere im östlichen Ruhrgebiet auftreten. Im ersten Teilabschnitt (Kruckel – Punkt Ochsenkopf) durchquert das Vorhaben den Hagener Stadtteil Hohenlimburg. Eine dort bereits bestehende Trasse, in der 220-kV-Leitungen geführt werden, führt sehr eng durch die bestehende Bebauung der Ortsteile Henkhausen und Elsey. Sie wird von Amprion als sog. „Vorzugstrasse“ bezeichnet. Alternativ hierzu besteht die Möglichkeit, die Leitung etwas weiter nördlich am Ortsteil Reh entlang zu führen. Auch in dieser Trasse, die teilweise durch ein Waldgebiet führt, sind bereits eine 110-kVLeitung sowie eine Bahnstromleitung vorhanden. Die Bezirksregierung Arnsberg hat die Raumverträglichkeit der in Betracht kommenden Trassenvarianten in einem Raumordnungsverfahren geprüft. Dabei wurde die AlternativTrasse in Hagen-Reh als raumverträglicher bewertet als die Bestandstrasse in HagenHenkhausen /Elsey, was aber nicht bedeutet, dass jene Bestandstrasse raumunverträglich wäre. 1. Wie bewertet die Landesregierung den von der Amprion geplanten Trassenverlauf vor dem Hintergrund, dass eine die Anwohner weniger belastende Alternativtrassierung möglich wäre? Nach Abschluss des Raumordnungsverfahrens hatte der Vorhabenträger Amprion GmbH für sich zu bewerten, für welche Trassenführung er die Planfeststellung beantragen will. Das Ergebnis des Raumordnungsverfahrens ist insoweit nicht bindend, sondern im Planfeststellungsverfahren lediglich zu berücksichtigen, zumal es im Ergebnis beide Trassenvarianten als raumverträglich bewertet hat, wenn auch in unterschiedlichem Maße. Die Entscheidung der Amprion GmbH, die Planfeststellung des Vorhabens in der von ihr präferierten Vorzugstrasse zu beantragen, ist daher aus rechtlicher Sicht nicht zu beanstanden. Im Übrigen ist anzumerken, dass die Alternativ-Trasse in Hagen-Reh keineswegs konfliktfrei wäre wie in der Vorbemerkung der Kleinen Anfrage suggeriert. Der Landesregierung liegen Eingaben von Anwohnern aus Hagen-Reh vor, die sich gegen eine dortige Realisierung des Leitungsbauvorhabens wenden. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/6966 3 2. Welche konkreten Einflussmöglichkeiten hat die Landesregierung bei den konkreten Vorhaben des Baus der Stromtrasse? Siehe Antwort zu Frage 1. Die Landesregierung stellt im Rahmen der Planfeststellungsverfahren der Bezirksregierung Arnsberg sicher, dass die für die Errichtung und den Betrieb von Hochspannungsfreileitungen geltenden technischen und rechtlichen Vorgaben, insbesondere die Anforderungen der 26. Verordnung zum Bundes-Immissionsschutzgesetz (26. BImSchV – sog. Elektrosmog-Verordnung) eingehalten werden. Die Landesregierung hält das hier anzuwendende Planfeststellungrecht für geeignet, als Trägerverfahren die Umweltauswirkungen des Vorhabens so herauszuarbeiten, dass sie in die Abwägungsentscheidung der Planfeststellungsbehörde in gebündelter Form eingehen können. Die Umweltverträglichkeitsprüfung bereitet hierbei grundsätzlich die Abwägungsentscheidung vor. Die Umweltauswirkungen gehen in die Abwägungsentscheidung der Planfeststellungsbehörde ein und damit wird auch eine Entscheidung über die Zulässigkeit des Vorhabens im Hinblick auf eine wirksame Umweltvorsorge nach § 12 UVPG getroffen. 3. Welche Erkenntnisse hat die Landesregierung über etwaige gesundheitliche Aus- wirkungen bei Anwohnerinnen und Anwohnern durch die von Amprion geplante Trasse? Die Landesregierung orientiert sich bei der gesundheitlichen Bewertung an den Einschätzungen der Strahlenschutzkommission (SSK). Diese hat im Auftrag des Bundesumweltministeriums sowohl Hochspannungs-Wechselstrom-Übertragungsleitungen als auch Hochspannungs -Gleichstrom-Übertragungsleitungen im Hinblick auf die Auswirkungen auf die Gesundheit des Menschen bewertet 1, 2. Nach dem derzeitigen wissenschaftlichen Kenntnisstand werden bei Einhaltung der Grenzwerte der 26. BImSchV direkte gesundheitsschädigende Wirkungen durch elektrische und magnetische Felder vermieden. Es gibt aber noch offene Fragen zu Wirkungen unterhalb der Grenzwerte. Die SSK sowie die Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfehlen deshalb im Sinne der Vorsorge unnötige Expositionen zu vermeiden bzw. zu minimieren. Deshalb hat sich die Landesregierung 2013 im Bundesratsverfahren für die Novellierung der 26. BImSchV für anspruchsvolle Vorsorgeregelungen eingesetzt. Die Forderungen fanden im Bundesrat leider keine Mehrheit. Das Leitungsbauvorhaben kann nur so planfestgestellt und realisiert werden, dass die Anforderungen der 26. BImSchV eingehalten werden. 1 Schutz vor elektrischen und magnetischen Feldern der elektrischen Energieversorgung und –anwendung (SSK 2008) http://www.ssk.de/SharedDocs/Beratungsergebnisse_PDF/2008/Felder_Energieversorgung.pdf?__blob=publicationFile 2 Biologische Effekte der Emissionen von Hochspannungs- Gleichstromübertragungsleitungen (SSK 2013) http://www.ssk.de/SharedDocs/Beratungsergebnisse_PDF/2013/HGUE.pdf;jsessionid=164E58D584674B190EC37BB19DD8E4 E3.1_cid319?__blob=publicationFile LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/6966 4 4. Was wird die Landesregierung für den Schutz der Wohnbevölkerung gegen gefährlichen Elektro-Smog unternehmen, vor dem Hintergrund, dass sich das Umweltministerium bereits seit längerem diesbezüglich für einen anspruchsvollen Vorsorgeschutz einsetzt? Für den Neubau und die wesentliche Änderung von Wechselstrom- und Gleichstromanlagen enthält die 26. BImSchV Anforderungen zur Vorsorge. Unter anderem sind bei der Errichtung und der wesentlichen Änderung von Wechselstromanlagen die Möglichkeiten auszuschöpfen , die von der Anlage ausgehenden elektrischen, magnetischen und elektromagnetischen Felder nach dem Stand der Technik zu minimieren. Zudem enthält sie für Gebäude oder Gebäudeteile ein Überspannungsverbot für neue Leitungen in neuen Trassen ab 220 kV. Zur Konkretisierung dieser Minimierungspflicht erarbeitet das Bundesumweltministerium derzeit eine Verwaltungsvorschrift. Die Landesregierung wird sich für Minimierungsziele und Minderungsmaßnahmen einsetzen. 5. Wie wirkt sich der neue Landesentwicklungsplan auf die Genehmigungsfähigkeit der Stromtrasse aus? Abhängig vom Beginn und der Dauer des Planfeststellungsverfahrens für die Höchstspannungsleitung ist der dann gültige Landesentwicklungsplan Nordrhein-Westfalen zu beachten. Bis zum Inkrafttreten des neuen Landesentwicklungsplans Nordrhein-Westfalen müssen die Ziele des Landesentwicklungsplans aus dem Jahr 1995 beachtet werden. Die im Planentwurf formulierten Ziele sind von öffentlichen Stellen gemäß Raumordnungsgesetz als „Erfordernisse der Raumordnung“ zu berücksichtigen. Die zuständige Bezirksregierung Arnsberg hat im anstehenden Planfeststellungsverfahren zu prüfen und zu entscheiden, ob die dann rechtsgültigen raumordnerischen Ziele beachtet werden bzw. die in Aufstellung befindlichen raumordnerischen Ziele berücksichtigt werden. Dem kann die Landesregierung nicht vorgreifen . Ergebnis des bereits in 2011 durch die Bezirksregierung Arnsberg abgeschlossenen Raumordnungsverfahrens für die Höchstspannungsleitung war, dass „das Vorhaben der Amprion im Verlauf der Vorzugstrasse sowie die Varianten Hagen-Reh Nord, Wiblingwerde Ost und Fellinghausen mit den Zielen und Grundsätzen der Raumordnung vereinbar und mit anderen raumbedeutsamen Planungen und Maßnahmen abgestimmt ist".