LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/7005 09.10.2014 Datum des Originals: 09.10.2014/Ausgegeben: 14.10.2014 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 2655 vom 8. September 2014 des Abgeordneten Olaf Wegner PIRATEN Drucksache 16/6736 Mediale Bewirtschaftung in Kliniken und Krankenhäusern Die Ministerin für Gesundheit, Emanzipation, Pflege und Alter hat die Kleine Anfrage 2655 mit Schreiben vom 9. Oktober 2014 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister für Inneres und Kommunales, dem Minister für Arbeit, Integration und Soziales und der Ministerin für Bundesangelegenheiten, Europa und Medien beantwortet. Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Zur Grundversorgung mit Informationen und gesellschaftlicher Teilhabe gehört unumstritten das Fernsehen. TV-Geräte dürfen dementsprechend nicht gepfändet werden und jeder Bürger muss die Rundfunkgebühr bezahlen - sogar unabhängig davon, ob er ein rundfunkfähiges Gerät besitzt oder nicht. Obwohl das Internet immer mehr an Bedeutung gewinnt, ist Fernsehen immer noch das meist genutzte Medium. Das Fernsehen ist eine Informationsquelle , die auch für Menschen mit Handycaps wie Hörbehinderungen oder Analphabetismus nutzbar ist. Aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG hat das BVerfG den Auftrag des Staates abgeleitet, seinen Bürgern eine mediale „Grundversorgung“ zu gewährleisten. Im Rahmen der Erstausstattung einer Wohnung durch Jobcenter oder Sozialamt ist auch ein Budget für die Anschaffung eines Fernsehgerätes vorgesehen. Somit ist in der Regel sichergestellt, dass jedem Menschen - selbst bei Mittellosigkeit - die Nutzung zumindest frei empfangbaren Fernsehprogrammes an seinem Wohnsitz ermöglicht wird. Auch in Krankenhäusern gehören Fernsehgeräte auf den Zimmern inzwischen zum Standard . Die Angebote zusätzlicher Medienausstattung am Krankenbett sind unterschiedlich und gehen teilweise weit über eine Mindestausstattung hinaus. Telefon, Radio, Internetzugang und zusätzliche kommerzielle Fernsehangebote lassen sich in vielen Kliniken nutzen. Ebenso verschieden ist, wie den Patienten solche Leistungen in Rechnung gestellt werden. Von der kostenlosen Benutzung vieler Angebote über nutzungsabhängige Berechnung, bis hin zu pauschalen Tagesflatrates für ganze Medienpakete ist die Bewirtschaftung - abhängig LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/7005 2 vom Betreiber - sehr unterschiedlich, wie der Kölner Stadtanzeiger in seiner Ausgabe vom 30.07.2014 für Kölner Krankenkenhäuser festgestellt hat. Als weiteres Beispiel ist im Universitätsklinikum Essen die kostenlose Bereitstellung von Fernsehgeräten seit einigen Wochen eingestellt worden. Statt dessen bietet ein privates Unternehmen nun die Nutzung von Telefon, Radio und Fernsehn (inkl. dem Privatsender Sky) lediglich als Gesamtpaket für € 3,90 am Tag an. Einzelne Bestandteile des Paketes stehen nicht zur Wahl. Vorbemerkung der Landesregierung Bezogen auf die Gewährleistung einer medialen Grundversorgung wird darauf hingewiesen, dass Artikel 1 in Verbindung mit Artikel 20 Grundgesetz ein Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums garantiert. Das hiernach vom Bundesgesetzgeber festzulegende Existenzminimum orientiert sich am Einkommens- und Verbrauchsverhalten unterer Einkommensschichten, wobei der Großteil des existenzsichernden Bedarfs durch Regelsätze abgegolten wird. Dazu gehört auch die Teilhabe am kulturellen und gesellschaftlichen Leben, für die der existenzsichernde Regelbedarf ebenfalls in Form eines monatlichen Pauschalbetrages gedeckt wird. Über die Verwendung der jeweiligen Regelleistungen sollen die Berechtigten selbst entscheiden und dabei auch unregelmäßig anfallende Bedarfe berücksichtigen. Der Gesetzgeber geht davon aus, dass der Pauschalbetrag einen internen Ausgleich zwischen verschiedenen Bedarfspositionen ermöglicht, die nicht immer oder nicht bei allen anfallen. So wird auch in ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung grundsätzlich davon ausgegangen, dass die Sicherstellung von Freizeit-, Informations- und Unterhaltungsbedürfnissen, der sowohl das Fernsehen als auch das Radio dienen, aus der Regelleistung erfolgt. Sollte im Einzelfall ein höherer oder ungedeckter Bedarf bestehen und nachgewiesen werden, kann dieser gegebenenfalls im Rahmen einer Einzelfallentscheidung durch den zuständigen Leistungsträger berücksichtigt werden. Allerdings gehört ein Fernsehgerät nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (vgl. BSG-Urteil vom 09.06.2011, Az. B 8 SO 3/10 R; BeckRS 2011, 76386) nicht zur Erstausstattung einer Wohnung. Zur Erstausstattung gehörten nur „wohnraumbezogene Gegenstände, die für eine geordnete Haushaltsführung und ein an den herrschenden Lebensgewohnheiten orientiertes Wohnen erforderlich sind“. Ein Fernseher ist weder ein Einrichtungsgegenstand noch ein Haushaltsgerät. Aus der Tatsache, dass „Fernsehen“ ein elementarer Bestandteil der herrschenden Lebensgewohnheiten ist und etwa 95 % der Bevölkerung mit Möglichkeiten zum Empfang von Fernsehprogrammen ausgestattet sind, hat das BSG nicht gefolgert, dass ein entsprechender Bedarf über Sozialleistungen zu decken ist. Diese Hinweise gelten für die Medienausstattung am Krankenbett entsprechend. Im Übrigen ist die Ausstattung eines Krankenzimmers mit einem Fernseher nicht Teil der Krankenhausbehandlung gemäß § 39 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch. Sie zählt auch nicht zu den allgemeinen Krankenhausleistungen gemäß § 2 Absatz 2 Krankenhausentgeltgesetz bzw. § 2 Absatz 2 Bundespflegesatzverordnung, die von den Krankenkassen oder den Bundesländern im Rahmen des Krankenhausfinanzierungsgesetzes zu vergüten sind. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/7005 3 1. Wie bewertet die Landesregierung das Recht auf mediale Teilhabe von Menschen, die durch einen Krankenhausaufenthalt in ihrer selbstbestimmten Lebensgestaltung eingeschränkt sind? Die Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums beinhaltet keinen Anspruch darauf, dass ausnahmslos in jeder, auch nur vorübergehenden, Lebenslage ein Zugang zu Medien zur Verfügung steht. Auf die Ausführungen in der Vorbemerkung der Landesregierung wird verwiesen. 2. Welchen Handlungsbedarf sieht die Regierung hier, um sozial unausgewogenen kommerziellen Wildwuchs bei der Bewirtschaftung zu unterbinden? Die Landesregierung sieht kein verfassungsrechtliches oder einfachgesetzliches Gebot, anlässlich der in der Vorbemerkung des Fragestellers dargestellten Sachverhalte Maßnahmen zu ergreifen. 3. Gibt es seitens der zuständigen Ministerien oder der nachgeschalteten Aufsichts- behörden bereits gesetzliche Regelungen oder Normen, die gewährleisten, dass auch Menschen mit eingeschränkten finanziellen Mitteln ein Mindestmaß an medialer Teilhabe in der Zwangssituation eines Krankenhausaufenthaltes haben? 4. Wie bewertet die Landesregierung angesichts steigender Altersarmut und der sta- tistisch häufiger von Krankheit betroffenen ärmeren Menschen die Notwendigkeit weitergehende Regelungen zu treffen, um die Benachteiligung ärmerer Bevölkerungsgruppen zu verhindern? Die Fragen 3 und 4 werden gemeinsam beantwortet. Sozialleistungsberechtigte erhalten nach den bundesgesetzlichen Regelungen Leistungen, mit denen pauschal persönliche Bedürfnisse des täglichen Lebens und die Teilhabebedarfe abgegolten sind. Es liegt in der Dispositionsfreiheit jeder einzelnen leistungsberechtigten Person, ob und in welchem Umfang Teile der Regelleistungen für die Nutzung von Medien eingesetzt werden. Eine Notwendigkeit, über diese bundesgesetzlichen Vorgaben und Festlegungen hinaus Regelungen zu treffen, besteht aus Sicht der Landesregierung nicht.