LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/7008 09.10.2014 Datum des Originals: 09.10.2014/Ausgegeben: 14.10.2014 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 2721 vom 25. September 2014 des Abgeordneten Dr. Dennis Maelzer SPD Drucksache 16/6892 Demokratieprinzip bei Wahlen zur Verbandsversammlung des Landesverbandes Lippe Der Minister für Inneres und Kommunales hat die Kleine Anfrage 2721 mit Schreiben vom 9. Oktober 2014 namens der Landesregierung beantwortet. Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Der Landesverband Lippe (LVL) ist eine lippische Besonderheit und als eine öffentliche Körperschaft eigener Art anzusehen, der aufgrund seiner Entstehungsgeschichte eine verfassungsrechtlich geschützte Stellung mit dem Recht der Selbstverwaltung im Hinblick auf ihre Entstehung zugeschrieben wird. Weder der Kreis Lippe noch die lippischen Gemeinden sind Träger des LVL (vgl. Ansgar Hörster: § 31 Höhere Kommunalverbände. In: Thomas Mann, Günter Püttner (Hrsg.): Handbuch der kommunalen Wissenschaft und Praxis. 3. Auflage. Band 1: Grundlagen und Kommunalverfassung, Springer, Berlin/Heidelberg/New York, S. 918f.). Anders als bei den Räten und Kreistagen ist gesetzlich allerdings keine unmittelbare Wahl der Mitglieder der Verbandsversammlung vorgesehen, stattdessen sieht § 4 des Gesetzes über den Landesverband Lippe eine mittelbare Wahl durch den Kreistag des Kreises Lippe vor, und zwar „nach den Grundsätzen der Verhältniswahl“. Gewählt wird die Verbandsversammlung für die Dauer der Amtszeit des Kreistages, zu Mitgliedern der Verbandsversammlung können alle diejenigen gewählt werden, die „das passive Wahlrecht zum Kreistag Lippe“ haben. Insgesamt wählt der lippische Kreistag die zehn Mitglieder der Verbandsversammlung des Landesverbandes Lippe nach dem Verhältniswahlrecht nach dem Höchstzahlverfahren d’Hondt. § 4 des Gesetzes über den Landesverband Lippe rekurriert dabei explizit auf das Ergebnis der Kreistagswahl. Der Gesetzgeber geht angesichts der Ausgestaltung des § 4 offensichtlich davon aus, dass die Wahlergebnisse der Parteien über die Sitzverteilung entscheiden. Darauf weist nicht zuletzt auch der Umstand hin, dass die Partei mit der höchsten Stimmenzahl bei der Kreistagswahl den Sitz erhält, wenn sich etwa eine Pattsituation bei der Verhältniswahl ergibt. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/7008 2 1. Teilt die Landesregierung die Auffassung, dass es sich bei der Besetzung der Landesverbandsversammlung des LVL nicht um eine Besetzung gemäß § 26 Abs. 5 der KrO handelt? § 26 Abs. 5 Kreisordnung regelt die Fälle, in denen ein Kreis seine Vertretung in Organen juristischer Personen oder Personenvereinigungen gewährleisten muss. Typische Fälle sind die Gesellschafterversammlungen oder Aufsichtsräte kreiseigener Unternehmen oder die Verwaltungsräte kreiseigener Anstalten des öffentlichen Rechts. Zielsetzung dieser Norm ist, sicherzustellen, dass die Belange des entsendenden Kreises in diesen Organen gewahrt werden. Inwieweit sich in diesen Organen die Mehrheitsverhältnisse des jeweiligen Kreistages widerspiegeln, hat der Gesetzgeber nicht geregelt, da sämtliche Vertreter des Kreises an Weisungen des jeweiligen Kreistages gebunden sind und es insoweit auch nicht auf die angemessene Widerspiegelung von Mehrheitsverhältnissen im Kreistag ankommt. Für die Verbandsversammlung des Landesverbandes Lippe gilt dies nicht. Der Landesverband Lippe regelt seine ihm gesetzlich zugewiesenen Angelegenheiten in eigener Verantwortung . Er ist kein Teil der kommunalen Gebietskörperschaft „Kreis Lippe“, sondern eigenständig . Er unterliegt nicht der allgemeinen Aufsicht der Bezirksregierung Detmold - wie dies beim Kreis Lippe der Fall ist -, die Aufsicht über den Verband führt vielmehr nach § 16 Gesetz über den Landesverband Lippe „der Innenminister des Landes Nordrhein-Westfalen, der seine Aufsicht (..) ganz oder teilweise übertragen kann“. Auch die Organe des Landesverbandes Lippe bedürfen, auch wenn ihnen keine hoheitlichen Aufgaben zugewiesen sind, der demokratischen Legitimation durch das Wahlvolk. Diese Legitimation schafft die Wahl der Verbandsversammlung durch den Kreistag, seine Zusammensetzung soll sich in der Verbandsversammlung widerspiegeln und eine eigenständige unmittelbare Wahl obsolet machen. Nach Auffassung der Landesregierung ist in Anbetracht dieser Umstände die Wahl der Mitglieder der Verbandsversammlung des Landesverbands Lippe kein Anwendungsfall des § 26 Abs. 5 Kreisordnung. 2. Ist der Landrat des Kreises Lippe bei der Besetzung der Verbandsversammlung abstimmungsberechtigt? Dem Gesetz über den Landesverband Lippe ist hierzu unmittelbar keine regelnde Aussage zu entnehmen. Das Gesetz spricht allein davon, dass der Kreistag die Wahl durchführt und dabei die Grundsätze der Verhältniswahl zu beachten hat. Nach § 25 Abs. 1 Kreisordnung gehört der Landrat als „Mitglied kraft Gesetzes“ dem Kreistag an. Dabei beschränkt allerdings § 25 Abs. 2 Kreisordnung die Mitwirkungsrechte des Landrats: So darf er überall dort nicht mitstimmen, wo der Kreistag ihm als Kontrollorgan gegenübersteht (z.B. in den Fällen des Akteneinsichtsrechts - § 26 Abs. 2 Kreisordnung). Ebenfalls nicht mitstimmen darf er dort, wo der Gesetzgeber sichergestellt wissen wollte, dass sich die Zusammensetzung des Kreistages, wie sie sich bei der Wahl der ehrenamtlichen Mitglieder der Vertretung ergeben hat, widerspiegeln soll (z.B. bei der Wahl der Mitglieder der Ausschüsse des Kreistags - § 35 Abs. 3 Kreisordnung). Insoweit stellt das gesetzliche Mitwirkungsverbot eine Präzision des Prinzips der repräsentativen Demokratie dar. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/7008 3 Aus Sicht der Landesregierung spricht vieles dafür, die gleichen Grundsätze auf die Wahl der Mitglieder der Verbandsversammlung anzuwenden und das Stimmrecht auf diejenigen zu beschränken, die in unmittelbarer Wahl als ehrenamtliche Mitglieder in den Kreistag gewählt worden sind. 3. Muss die Sitzverteilung in der Verbandsversammlung dem Demokratieprinzip fol- gend das Ergebnis der Kreistagswahl widerspiegeln? Nach dem Sinn der Regelung des § 4 Gesetz über den Landesverband Lippe ersetzt die Verhältniswahl im Kreistag die Repräsentationstätigkeit der Gesamtheit aller Kreistagsmitglieder . Der Gesetzgeber hätte ohne weiteres eine gesetzliche Regelung schaffen können, die Personenidentität zwischen den Mitgliedern des Kreistages und der Verbandsversammlung des Landesverbandes Lippe vorschreibt. Allerdings hat sich der Gesetzgeber für ein deutlich kleineres Organ entschieden, das seine Legitimation aus dem Wahlakt des Kreistages insgesamt ableitet. Nach Auffassung der Landesregierung ist der Verzicht auf eine eigenständige unmittelbare Wahl der Mitglieder der Verbandsversammlung unbedenklich, so lange sichergestellt ist, dass sich die Mehrheitsverhältnisse des Kreistages in der Verbandsversammlung widerspiegeln. Vor diesem Hintergrund hält es die Landesregierung für geboten , die Wahl zur Verbandsversammlung in Übereinstimmung sowohl mit dem Gesetz über den Landesverband Lippe und als auch mit den Prinzipien, die der insoweit grundsätzlichen Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts zum Erfordernis der Spiegelbildlichkeit („Tönisvorst “-Urteil vom10.12.2003, Az. 8 C 18/03) zugrunde liegen, durchzuführen. 4. Wenn das Demokratieprinzip auch für die Besetzung der LVL- Verbandsversammlung gilt, greift in diesem Fall auch der Runderlass des Innenministeriums vom 12. März 2004, wonach Listenverbindungen zum Nachteil einer Fraktion, die nicht an der Listenverbindung beteiligt ist, als unzulässig einzustufen sind? Der in der Frage zitierte Runderlass vom 12.03.2004 regelt den hier in Rede stehenden Fall nicht unmittelbar, da der Erlass sich allein zur Frage der Wahrung der Spiegelbildlichkeit der Besetzung von Ausschüssen kommunaler Vertretungen verhält. Die Verbandsversammlung des Landesverbandes Lippe aber ist, wie zuvor dargelegt, kein Ausschuss des Kreistages des Kreises Lippe, sondern - neben der Verbandsvorsteherin - das Vertretungsorgan der öffentlichen Körperschaft „Landesverband Lippe“. Nach Auffassung der Landesregierung ist jedoch § 4 Gesetz über den Landesverband Lippe eine Konkretisierung des Prinzips der repräsentativen Demokratie und so auszulegen, dass der Grundsatz der spiegelbildlichen Abbildung der Mehrheitsverhältnisse im Wahlorgan „Kreistag“ gewahrt wird.