LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/7074 21.10.2014 Datum des Originals: 21.10.2014/Ausgegeben: 24.10.2014 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 2693 vom 17. September 2014 der Abgeordneten Angela Freimuth und Ralf Witzel FDP Drucksache 16/6819 Umfangreiche Beteiligung von Portigon AG und EAA in internationalen Prozessen – Wie sieht der Finanzminister angesichts zahlreicher Klageverfahren die Dotierung der Rücklagen und Potentiale zur Erlöserzielung infolge derartiger Gerichtsprozesse? Der Finanzminister hat die Kleine Anfrage 2693 mit Schreiben vom 21. Oktober 2014 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Justizminister beantwortet. Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Bereits am 23. Oktober 2008 hat der nordrhein-westfälische Landtag das „Gesetz zur Errichtung eines Fonds für eine Inanspruchnahme des Landes Nordrhein-Westfalen aus der im Zusammenhang mit der Risikoabschirmung zugunsten der WestLB AG erklärten Garantie (Risikofondsgesetz)“ verabschiedet und damit ein Sondervermögen "Risikoabschirmung WestLB AG" geschaffen. Das Sondervermögen dient der Ansammlung von Mitteln zur Abdeckung möglicher Inanspruchnahmen aus diesen Garantien sowie den Verpflichtungen des Landes aus der beabsichtigten Auslagerung der nicht-strategienotwendigen Geschäftsbereiche und Risikopositionen der WestLB AG auf eine Bad Bank, der sogenannten Ersten Abwicklungsanstalt (EAA). Die Landesregierung hat am 15. Januar 2014 die Kleine Anfrage Nr. 1818 beantwortet. Die jüngste Entwicklung aufgreifend, bitten wir die Landesregierung, den Landtag insbesondere über die seit Anfang 2014 eingetretenen neuen Entwicklungen umfassend zu unterrichten. Nach öffentlich verfügbaren Informationen stellt sich der Sachverhalt wie folgt dar: Seit Jahresbeginn haben sich weitere Banken mit den US-Behörden bzw. den britischen Bankaufsichtsbehörden auf Vergleiche geeignet. Zudem hat die börsennotierte Deutsche LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/7074 2 Bank in ihrem jüngsten Quartalsbericht eine bilanztechnische Risikoeinschätzung ihrer Prozessrisiken vorgenommen. Einige Teilbereiche davon betreffen auch die WestLB bzw. deren Rechtsnachfolger Portigon AG. Die britische Großbank Lloyds zahlte beispielsweise in einem Vergleich 276 Mio. Euro an die US- bzw. britischen Behörden (Quelle: Reuters vom 28.07.2014). Die japanische Tochter der Royal Bank of Scotland wurde von einem US-Gericht nach dessen Mitteilung vom 06.01.2014 zu einer Strafzahlung von 50 Mio. US-Dollar verurteilt (Quelle: Reuters vom 07.01.2014). Morgan Stanley einigte sich am 24.07.2014 mit den US Behörden im Rahmen eines Vergleichs auf die Zahlung einer Strafe in Höhe von 275 Millionen Dollar (204 Mio. Euro Quelle SEC und Reuters). Am 07.08.2014 meldete dpa ferner, dass die Bank of America kurz davor sei, sich mit der US-Justiz auf einen Vergleich in Höhe von beachtlichen 16 bis 17 Mrd. US-Dollar als Ausgleich für Verfehlungen im Hypothekengeschäft zu verständigen. Die Deutsche Bank erhöhte im zweiten Quartal 2014 ihre Rückstellungen für Rechtsrisiken (unter anderem auch Libor) um 470 Mio. Euro auf insgesamt 2,2 Mrd. Euro zum 30.06.2014 (Quelle: Reuters). In ihrem 2. Quartalsbericht in 2014 (Quelle: Deutsche Bank) quantifiziert die Deutsche Bank die Risiken, bei denen die „Möglichkeit eines Eintritts größer als unwahrscheinlich , aber kleiner als wahrscheinlich“ ist, insgesamt auf circa 3,2 Mrd. Euro. Zum 31.12.2013 sind es noch 1,5 Mrd. Euro gewesen. (Quelle: Deutsche Bank, Q2-Bericht, Seite 122). Zu den Klägern vor US-Gerichten gegen die Deutsche Bank gehört auch die von der WestLB initiierte Zweckgesellschaft „Phoenix“ (Quelle: Deutsche Bank Q2 Bericht Seite 125). Einerseits verlor die WestLB via Phoenix einen Prozess vor dem Supreme Court in New York (Quelle: US-Gerichtsdatenbank www.leagle.com, Aktenzeichen 650422/2012 oder 2013 NY Slip Op 50653 U). Andererseits wies US-Bezirksrichter Richard Sullivan (Manhattan New York) den Antrag der Wells Fargo Bank auf die Einstellung des von einer WestLB Zweckgesellschaft („House of Europe Funding I Ltd.“) auf den Cayman Islands initiierten Gerichtsverfahrens zurück (Quelle: Reuters Englischer Dienst vom 01.04.2014). Die WestLB hat zuvor in dem bei der FDIC (Federal Deposit Insurance Corporation – US-Einlagensicherung) hinterlegten Abwicklungsplan (Quelle: FDIC) auf Seite 5 bei den dortigen Aufsichtsbehörden eine Schließung der dortigen Niederlassung im ersten Quartal 2014 beantragt. Die Deutsche Bank hat die zitierten Rückstellungen demnach vor dem Hintergrund der von Experten als ernstzunehmend eingestuften Klage der US-Einlagensicherung FDIC gegen diverse deutsche Banken (unter anderem auch die WestLB-Nachfolger) getätigt. Insgesamt haben sich laut dpa-Meldung vom 28.07.2014 inzwischen sieben (von 16) Banken in irgendeiner Form mit den Behörden geeinigt. Im Gegensatz zu den bislang zurückgewiesenen Klagen, die auf dem Vorwurf kartellrechtlicher Absprachen beruhen, fußt diese Klage der US-Einlagensicherung auf dem Vorwurf, massive Verstöße gegen wichtige Regeln des US-Vertragsrechtes begangen zu haben (Quelle: Rheinische Post vom 14.04.2014 und Klageschrift Nr. 14 CV 1757 vor dem USBezirksgericht Manhattan Süd in New York). Diese Klage ist durch die nach wie vor bestehende Präsenz der Portigon AG in New York möglich. Bislang sind lediglich 16 Mio. Euro als Prozesskostenrückstellungen für die reinen Verfahrenskosten ausgewiesen. Portigon AG und/oder EAA sind wirtschaftlich unmittelbar oder mittelbar vielfältig vom Ausgang zahlreicher internationaler Prozesse betroffen. Dabei gibt es Rechtsrisiken, die diese Institutionen in erheblicher Größenordnung nachteilig betreffen können ebenso wie Chancen, als Geschädigte auch umgekehrt beträchtliche Einnahmen (zumeist auf dem Umweg über LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/7074 3 Klagen von Zweckgesellschaften) erzielen zu können, wenn eigene Ansprüche aus faulen Transaktionen gegenüber Dritten wirksam durchgesetzt werden können. 1. In welchem Umfang drohen Portigon AG und EAA jeweils wirtschaftliche Risiken aus internationalen Klageverfahren? (monetäre Quantifizierung der Prozessrisiken außerhalb der reinen Verfahrenskosten erbeten, beispielsweise in Anlehnung an die Vorgehensweise der Deutschen Bank) Die meisten der anhängigen internationalen Klageverfahren werden vor Gerichten in Ländern geführt, die ein sogenanntes Discovery-Verfahren durchführen. Das bedeutet, dass alle Informationen über Klageverfahren, Erfolgsaussichten, Einschätzungen und Rückstellungen vom jeweiligen Prozessgegner im Rahmen der Discovery eingesehen und gegen die Portigon AG bzw. die Erste Abwicklungsanstalt verwendet werden könnten. Im Ergebnis handelt es sich um sehr sensible Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse, deren Bekanntwerden zu finanziellen Schäden führen könnte. 2. In jeweils welcher finanziellen Größenordnung rechnen die Portigon AG bzw. EAA mit für sie jeweils direkt oder indirekt wirksamen positiven Einnahmen aus der Verfolgung von Ansprüchen durch Gerichtsverfahren? Die Erste Abwicklungsanstalt rechnet damit, dass sich durch die von den entsprechenden Verfahrensbeteiligten angestrengten Verfahren ein positiver Mittelzufluss für das PhoenixPortfolio ergeben wird. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 1 Bezug genommen. 3. In jeweils welchen internationalen Prozessen, die noch nicht final abgeschlossen sind, sind jeweils Portigon AG und EAA mittelbar oder unmittelbar entweder als Kläger oder als Beklagte involviert? Rechtsmaßnahmen bei strukturierten Wertpapieren sind von dem jeweiligen Inhaber der Wertpapiere, dem Treuhänder oder der Verbriefungsgesellschaft zu ergreifen und können nur gegen diese gerichtet sein. Wegen weitergehender Einzelheiten wird auf die Antworten der Landesregierung zu der Kleinen Anfrage 308 des Herrn MdL Witzel (LandtagsDrucksache 16/780) und der Kleinen Anfrage 1818 der Frau MdL Freimuth (LandtagsDrucksache 16/4773) Bezug genommen. Die Erste Abwicklungsanstalt ist derzeit in einem noch nicht abgeschlossenen internationalen Verfahren Klägerin. Die Portigon AG ist Beklagte im Zusammenhang mit den LIBOR-Klagen. Zu den LIBORKlagen wird auf die Vorlage an den Haushalts- und Finanzausschuss vom 20. Juni 2014 (Vorlage 16/2006) verwiesen. 4. Wie bewertet die Landesregierung die Stellungnahmen zahlreicher Rechtsexper- ten, die der Klage der US-Einlagensicherung FDIC höhere Erfolgsaussichten zubilligen , da sie nicht wie bei bislang abgewiesenen Klagen auf dem Wettbewerbsrecht , sondern auf der Grundlage von Verstößen gegen allgemeine Regeln des Verhaltens in der US-Wirtschaft basiert? Die Landesregierung nimmt keine Bewertung von Einschätzungen ihr nicht bekannter Dritter zu laufenden Verfahren vor. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/7074 4 5. Reichen nach aktuellen Berechnungen oder Erkenntnissen des Finanzministers die derzeitige Kapitalausstattung sowohl der Portigon AG also auch der EAA aus, um jeweils ohne ungeplante weitere Zuwendungen aus dem Landeshaushalt sämtliche wirtschaftliche Konsequenzen aus den internationalen Klageverfahren (wie Libor-Klage der US-Einlagensicherung etc.) realistisch tragen zu können? Für alle gerichtlichen und außergerichtlichen Streitigkeiten haben die Portigon AG und die Erste Abwicklungsanstalt entsprechende Rückstellungen gebildet. Darüber hinaus hat die Erste Abwicklungsanstalt bilanzielle Vorsorge getroffen und entsprechende Maßnahmen eingeleitet. Ein möglicher Anpassungsbedarf wird regelmäßig geprüft. Die Portigon AG und die Erste Abwicklungsanstalt erstellen ihre Jahresabschlüsse im Einklang mit den geltenden Vorschriften. Die Abschlüsse werden jeweils von Wirtschaftsprüfern geprüft. Die vorliegenden Jahresabschlüsse sind mit einem uneingeschränkten Testat versehen . Auf die veröffentlichten Geschäftsberichte 2013 der Portigon AG (S. 25/26, 108/109 und 123/124) und der Ersten Abwicklungsanstalt (S. 116) wird verwiesen.