LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/7103 24.10.2014 Datum des Originals: 22.10.2014/Ausgegeben: 29.10.2014 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 2700 vom 19. September 2014 des Abgeordneten Kai Abruszat FDP Drucksache 16/6835 Hausärztemangel in Ostwestfalen-Lippe – Ist die Landesregierung für neue Lösungsansätze offen? Die Ministerin für Gesundheit, Emanzipation, Pflege und Alter hat die Kleine Anfrage 2700 mit Schreiben vom 22. Oktober 2014 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit der Ministerin für Innovation, Wissenschaft und Forschung und dem Finanzminister beantwortet . Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Nach Informationen der Ärztekammer Westfalen-Lippe (ÄKWL) sollen in den nächsten 15 Jahren bis zu 3.500 Ärztinnen und Ärzte altersbedingt aus ihrem Beruf ausscheiden. Daraus ergibt sich laut ÄKWL für Ostwestfalen-Lippe mittel- und langfristig ein überdurchschnittlich hoher Bedarf an Nachwuchs-Medizinern. Der Landtag von Nordrhein-Westfalen hat bereits über mögliche Lösungswege diskutiert. Im Ergebnis sollen künftig deutlich mehr Mediziner in Krankenhäusern von Ostwestfalen-Lippe ausgebildet werden. Dazu sollen vom Wintersemester 2016/2017 an 60 Medizin-Studenten der Ruhr-Universität Bochum (RUB) in Krankenhäusern in OWL ausgebildet werden. Die Errichtung einer Medizinischen Fakultät fand bekanntlich keine Mehrheit. Im Kampf gegen den drohenden Hausärztemangel gebietet es sich vor dem Hintergrund der Versorgungssicherheit der Bürgerinnen und Bürger im ländlichen Raum aber auch, über weitere Möglichkeiten nachzudenken. Hierbei lohnt sich auch ein Blick in andere Bundesländer, besonders nach Sachsen. Die Kassenärztliche Vereinigung Sachsen und die gesetzlichen Krankenkassen finanzieren 20 Bewerbern pro Jahr ein Medizinstudium in Ungarn. Bedingung ist, dass die Studenten in der Regelstudienzeit von zwölf Semestern abschließen und sich anschließend für mindes- LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/7103 2 tens fünf Jahre als Hausärzte im ländlichen Raum in Sachsen niederlassen. Werden die Bedingungen nicht erfüllt sind die Studiengebühren mit einer Verzinsung von fünf Prozent zurückzuzahlen . 1. Wie bewertet die Landesregierung das in der Vorbemerkung vorgestellte Modell aus Sachsen im Kampf gegen den drohenden Hausärztemangel im ländlichen Raum? Die Landesregierung bewertet das Modell aus Sachsen im Kampf gegen den drohenden Hausärztemangel zurückhaltend. Grundsätzlich könnte das Modell (oder ein ähnlich ausgestaltetes), das aus Mitteln der Beitragszahlenden ein Auslandsstudium ermöglicht und die Geförderten zur Berufsausübung in bestimmten Regionen verpflichtet, geeignet sein, einem Ärztemangel gezielt zu begegnen. Der mit derartigen Modellen angestrebte Versorgungsaspekt ist jedoch nicht vollständig sichergestellt: Die Absolventinnen und Absolventen werden immer die Möglichkeit haben, die verzinste Förderung zu erstatten und sich anderenorts niederzulassen. Darüber hinaus würde die Maßnahme – vorausgesetzt alle 40 Teilnehmerinnen und Teilnehmer absolvieren diese erfolgreich – erst in 12 Jahren oder später greifen. 2. Inwiefern ist aus Sicht der Landesregierung ein solches Modell, gegebenenfalls auch mit anderen europäischen Partnern, in Nordrhein-Westfalen wünschenswert beziehungsweise umsetzbar zur Erreichung des wichtigen Ziels, dem drohenden Hausärztemangel entgegenzutreten? Im Gegensatz zu dem Modell in Sachsen hat die Landesregierung ein „Programm zur Sicherstellung der medizinischen Versorgung in Nordrhein-Westfalen“ entwickelt. Das Programm sieht eine Vielzahl von Maßnahmen zur Gewährleistung einer patientennahen Versorgung vor. Das Land unterstützt beispielsweise mit einer finanziellen Förderung die Niederlassung, Anstellung und Weiterbildung in Gemeinden, in denen in Zukunft die hausärztliche Versorgung durch das Ausscheiden von Hausärztinnen und Hausärzten bedroht bzw. gefährdet sein kann. Eine Erweiterung der Fördermaßnahmen wird derzeit geprüft. Darüber hinaus wurde auch eine zeitlich begrenzte Erhöhung der Zahl der Studienplätze in der Medizin vorgenommen. Weitere Maßnahmen - wie die Anwerbung von Ärztinnen und Ärzten aus dem Ausland - wurden bereits erfolgreich mit Österreich und Griechenland umgesetzt. Darüber hinaus hat sich das Land Nordrhein-Westfalen für die Einführung des Faches Allgemeinmedizin als Pflichtfach im Praktischen Jahr und für die zwingende Ableistung eines Teils der Famulatur in einer Einrichtung der hausärztlichen Versorgung eingesetzt. 3. Könnte sich die Landesregierung vorstellen, ein Pilotprojekt nach dem sächsischen Modell für den Regierungsbezirk Detmold einzurichten? Das in der Kleinen Anfrage dargestellte Modell wird von der KV Sachsen im Zusammenwirken mit der Universität Pécs und den gesetzlichen Krankenkassen umgesetzt. Der Landesregierung des Freistaates Sachsen kommt dabei keine aktive Rolle zu. Die Landesregierung NRW hat mit ähnlicher Zielrichtung bereits 2013 das Modellprojekt "Praktische Medizinerausbildung in der Modellregion OWL" auf den Weg gebracht. Darüber hinaus fördert die Landesregierung seit mehr als zwei Jahren mit zusätzlichen Finanzmitteln die Ausbildung in der Allgemeinmedizin an den Medizinischen Fakultäten in Nordrhein-Westfalen. Die Fördermittel werden insbesondere für Konzepte eingesetzt, die LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/7103 3 eine Stärkung der allgemeinmedizinischen Lehre und Forschung sowie die Einrichtung von Kompetenzzentren für Allgemeinmedizin beinhalten. 4. Vor dem Hintergrund, dass nach einem Bericht von Spiegel online vom 11.09.2014 „der Numerus clausus für Medizin für Abiturienten im Vergabeverfahren der Stiftung Hochschulstart zwischen 1,0 und 1,1 liegt“: Welche Möglichkeiten sieht die Landesregierung, Zugangsbeschränkungen für das Medizinstudium zu verändern, um dem drohenden Hausärztemangel in Ostwestfalen-Lippe entgegenzuwirken? Die Landesregierung hält veränderte Zulassungsvoraussetzungen zum Medizinstudium für keine rechtlich zulässige Möglichkeit, mit der sich die Zahl der Hausärztinnen und Hausärzte steigern ließe. Zum einen würde die Einrichtung einer Sonderquote, die Studienplätze für künftige Hausärztinnen und Hausärzte in unterversorgten Gebieten reserviert, zu einer weiteren Verknappung der Studienplätze führen, die im Übrigen nach Qualifikation und Wartezeit vergeben werden. Dies wäre überdies mit der durch Artikel 12 Absatz 1 Satz 1 Grundgesetz geschützten Freiheit der Berufswahl nicht vereinbar. 5. Wie bewertet die Landesregierung die Aussage der Sprecherin der AOK für Sachsen und Thüringen aus dem Bericht von Spiegel online vom 11. September 2014, wonach „die Förderung der deutschen Studenten in Ungarn auf jeden Fall einfacher ist, als die entsprechende Anzahl neuer Studienplätze in Deutschland einzurichten“? Die Landesregierung hat im Rahmen des Hochschulpakts II gezeigt, dass die Erhöhung der Studienplätze auch für den Studiengang der Humanmedizin in Zusammenarbeit mit den Medizinischen Fakultäten in NRW flexibel und zu vertretbaren Kosten möglich ist. Bis 2015 werden mit Mitteln in Höhe von 50 Mio. Euro insgesamt knapp 1000 zusätzliche Studienplätze in der Medizin geschaffen. Die Landesregierung vermag der zitierten Wertung nach quantitativen sowie nach qualitativen Erwägungen nicht ohne weiteres zuzustimmen.