LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/7121 27.10.2014 Datum des Originals: 22.10.2014/Ausgegeben: 30.10.2014 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 2707 vom 23. September 2014 des Abgeordneten Robert Stein FRAKTIONSLOS Drucksache 16/6845 Welche Antworten liefert die regionale Digitale Wirtschaftspolitik Nordrheinwestfalens auf die globalen Einflüsse einer ebenso global vernetzten Welt? Der Minister für Wirtschaft, Energie, Industrie, Mittelstand und Handwerk hat die Kleine Anfrage 2707 mit Schreiben vom 22. Oktober 2014 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit der Ministerin für Bundesangelegenheiten, Europa und Medien beantwortet. Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Die Digitalisierung der Gesellschaft und der Wirtschaft ist weit vorangeschritten und aus dem Leben der Menschen mittlerweile nicht mehr wegzudenken. Wirtschaftsminister Garrelt Duin hat auch deshalb mit Herrn Prof. Dr. Tobias Kollmann einen Beauftragten für die Digitale Wirtschaft NRW ernannt. Auf der Internetseite des Ministeriums für Wirtschaft, Energie, Industrie , Mittelstand und Handwerk des Landes Nordrheinwestfalen (vgl. http://www.mweimh.nrw.de/wirtschaft/digitale_wirtschaft/index.php) führt Prof. Dr. Kollmann vornehmlich 3 Ziele seiner Digitalen Wirtschaftspolitik an: 1. Die digitale Wettbewerbsfähigkeit für die klassische Industrie und den Mittelstand in der Zukunft zu thematisieren. 2. Die digitale Innovationskraft über die Förderung von Startups für und in NRW zu unterstützen . 3. Die digitalen Synergien zwischen den Geschäftsmodellen der klassischen Industrie und den innovativen Startups aufzuzeigen. Zwar sind diese Ziele zweifelsfrei erstrebenswert, allerdings ist es fraglich, ob NRW in einer global vernetzten und digitalisierten Welt über ausreichende Ressourcen verfügt, diese Ziel- LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/7121 2 vorgaben in nachhaltiger Art und Weise zu erreichen bzw. ob NRW über die Werkzeuge zum Erreichen dieser Ziele eine hinreichende Kontrolle verfügt. Nicht unberücksichtigt darf somit bleiben, dass maßgebliche Prozesse auf nicht innerdeutschen Servern stattfinden (z.B. Priorisierungen von Suchergebnissen bei Suchmaschinen), die unsere Entscheidungen im Zeitalter einer global vernetzten Welt auch unwissentlich beeinflussen. Gerade durch die großen digitalen Marktführer (wie Google, Amazon, Facebook) entsteht darüber hinaus der Eindruck von gravierenden Monopolisierungstendenzen, die durch die Kartellbehörden nicht gehandhabt werden (können). Dies ist insbesondere auf die stark gesunkenen Transaktionskosten in der digital vernetzten Welt zurückzuführen, wodurch (Markt-)Prozesse stark beschleunigt ablaufen. Google selbst hat beispielsweise das Potential zu einem Meta-Monopolisten für alles, will zukünftig gar Flughäfen oder ganze Städte bauen (vgl. http://www.rp-online.de/digitales/internet/google-will-einen-flughafen-bauen-aid- 1.4539218 oder http://www.mobilegeeks.de/google-2-0-larry-page-traeumt-von-eigenenstaedten -und-flughaefen/). Von solchen Dimensionen ist die heimische Wirtschaft gleichwohl entfernt, aber von der von den großen digitalen Marktführern geschaffenen Infrastruktur abhängig. Richtig mag es erscheinen , dass der Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH) fordert, dass ein Konzept „Wirtschaft 4.0“ über „Industrie 4.0“ hinaus das mittelständische Handwerk einschließt (vgl. http://www.qz-online.de/news/uebersicht/nachrichten/statt-industrie-4-0-handwerkfordert -wirtschaft-4-0-919984.html). Aus einer Studie des ZDH geht hervor, dass gut die Hälfte der Handwerksbetriebe noch nicht im digitalen Zeitalter angekommen sind (vgl. http://www.handelsblatt.com/technologie/vernetzt/digitalisierte-geschaeftsprozesse-dielotsen -gehen-an-bord/10680628.html), obwohl die Kunden heute längst Dienstleistungen und Produkte über das Internet beauftragen bzw. beziehen. Hinterfragt werden muss, ob nicht auch für diese Digitalisierung Infrastrukturen der großen digitalen Marktführer genutzt werden müssen, die eine Abhängigkeit bedingen, die sich innerhalb des deutschen Rechtsraum per Gesetzgebung nicht beherrschen lässt. Generell zählte NRW (Stand April 2014) immerhin insgesamt 412 digitale Start-ups. 2013 gab es in Berlin 600 Neugründungen in der Digitalen Wirtschaft. Im Vergleich hierzu waren es in NRW im selben Zeitraum nur 30 Neugründungen (vgl. http://www.welt.de/regionales/nrw/article132418989/Nordrhein-Westfalen-kann-auchdigital .html). Der Trend zeigt positive Züge, relativiert sich gemessen an der Einwohnerzahl jedoch immer noch deutlich (Berlin circa 3,5 Mio. Einwohner versus NRW circa 18 Mio. Einwohner ). Es bleibt fraglich, ob im digitalen Zeitalter harte Standortfaktoren einen (dauerhaften ) Vorteil für Neugründungen Digitaler Start-ups versprechen und ob überhaupt Standortvorteile für solche Unternehmen in NRW, die insbesondere Produktinnovationen digitaler Art schaffen, gegeben sind, wenn gleich die Potentiale nicht ungenutzt gelassen werden dürfen, so sie denn richtig identifiziert worden sind. Darüber hinaus bedarf es einer Analyse, wie viele der in NRW neugegründeten Start-ups der digitalen Szene überhaupt nachhaltig sind, da etliche Neugründungen darauf abzielen, möglichst schnell Marktanteile (bei gleichzeitiger temporärer Inkaufnahme teils hoher Verluste, gedeckt durch ausreichende Liquidität) zu erzielen, um dann an marktführende Unternehmen zu hohen Preisen verkauft zu werden. Diese Unternehmen leisten keinen dauerhaften Beitrag zu Arbeit, Innovation und Wirtschaftskraft in NRW. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/7121 3 1. Wie bewertet die Landesregierung die Monopolisierungstendenzen innerhalb der digitalen Wirtschaft? Die Landesregierung setzt sich für den Erhalt der Freiheit des Netzes ein und spricht sich, falls notwendig, auch für gesetzliche Regelungen aus. Zunächst ist jedoch sorgfältig zu prüfen , inwieweit die Monopolisierungstendenzen in der digitalen Wirtschaft manifest sind. Insofern beobachtet die Landesregierung entsprechende laufende Verfahren zum Beispiel auf EU-Ebene intensiv und wird diese nach deren Abschluss auf ihre Konsequenzen hin bewerten . 2. Welche Kontrolle besitzt die Landesregierung über die digitale Wirtschaftspolitik in Zeiten, in denen Programme nicht-nordrhein-westfälischer bzw. nichtdeutscher bzw. nicht-europäischer Unternehmen auf Servern im Ausland die Wirtschaftsentscheidungen der einzelnen Akteure maßgeblich beeinflussen? Die Landesregierung verfolgt den strategischen Ansatz, die digitale Wirtschaft in NordrheinWestfalen zu stärken und die Rahmenbedingungen für diese wichtige Wachstumsbranche in Nordrhein-Westfalen zu verbessern. Es ist das wirtschaftspolitische Ziel, eine Strategie für die Digitale Wirtschaft in unserem Land zu entwickeln. Im engen Dialog mit Branchenakteuren , etwa im Beirat Digitale Wirtschaft NRW, sollen konkrete Maßnahmen zur Stärkung des Wirtschaftsstandortes Nordrhein-Westfalen mit Blick auf die Chancen von Digitalisierung und digitaler Transformation hier vor Ort definiert werden. 3. Wie viele digitale Start-ups aus NRW verfolgen den nachhaltigen Zweck einer dauerhaften Gewinnerzielung, ohne darauf abzuzielen, den Unternehmensgegenstand möglichst schnell an marktführende Konkurrenten zu verkaufen? Hierzu liegt der Landesregierung kein belastbares Datenmaterial vor. 4. Welche Strategien verfolgt die nordrhein-westfälische digitale Wirtschaftspolitik, um das Handwerk („Wirtschaft 4.0“) in diesen Prozess zu integrieren? Im Rahmen des in der Antwort auf Frage 2 angesprochenen Strategieprozesses spielt das Thema digitale Wettbewerbsfähigkeit von kleinen und mittleren Unternehmen und deren Sensibilisierung für die Herausforderung des digitalen Wandels eine wichtige Rolle. Konkrete Maßnahmen zur Unterstützung sollen aus dem laufenden Strategieprozess resultieren. Hier gilt es zunächst den Verlauf der Beratungen und die Finalisierung der geplanten Strategie abzuwarten. 5. Was unternimmt die Landesregierung, um den Digitalen Wirtschaftsstandort NRW gegenüber dem Rest der Welt zu stärken? Mit der Initiative Digitale Wirtschaft NRW (DWNRW) und dem Beauftragten für die Digitale Wirtschaft hat die Landesregierung einen Prozess in Gang gesetzt, der nicht nur Chancen und Herausforderungen digitaler Technologien aufgreift, sondern Nordrhein Westfalen als Digitalstandort sichtbar macht. Dies findet inzwischen auch in anderen Ländern Nachahmung . LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/7121 4 Eine wichtige Rolle bei der Unterstützung der digitalen Wirtschaft spielen die Leitmärkte IKT bzw. Medien und Kreativwirtschaft und die entsprechenden Cluster IKT.NRW, Medien.NRW und CREATIVE.NRW. Die kommenden Leitmarktwettbewerbe CreateMedia.NRW und IKT.NRW bieten nordrheinwestfälischen Unternehmen auch im Bereich der digitalen Wirtschaft die Möglichkeit, sich um finanzielle Förderung ihrer Entwicklungsvorhaben zu bewerben.