LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/719 23.08.2012 Datum des Originals: 23.08.2012/Ausgegeben: 28.08.2012 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 306 vom 25. Juli 2012 des Abgeordneten André Kuper CDU Drucksache 16/472 Einsatz von Zins-Swaps in nordrhein-westfälischen Kommunen Der Minister für Inneres und Kommunales hat die Kleine Anfrage 306 mit Schreiben vom 23. August 2012 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Finanzminister beantwortet. Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Durch das kommunale Schuldenmanagement mit Zins-Swaps wird in vielen Kommunen mit Verlusten in erheblichem Umfang gerechnet. Insbesondere aufgrund der kommunalen Finanzkrise sahen sich viele nordrhein-westfälische Kommunen dazu gezwungen sogenannte Zinsderivategeschäfte abzuschließen, deren Ziel es unter anderem ist, das Zinsrisiko längerfristig laufender, variabel verzinster Kredite abzusichern . Neben der Absicherung des Zinsrisikos haben Kommunen auch in gewissem Umfang von eigenen Krediten unabhängige Zinswetten in Verträgen mit Banken abgeschlossen. Zins-Swaps sind derivate Finanzprodukte, die im Liquiditäts- und Schuldenmanagement der Absicherung von Zinsänderungsrisiken dienen können. Einige Swap-Geschäfte, zum Beispiel Zinsoptimierungen, haben spekulativen Charakter und stellen ein hohes Risiko für die öffentlichen Haushalte dar. Laut einem Pressebericht vom 16.Juli 2012 klage nun auch die Stadt Steinfurt gegen die WestLB wegen der Verluste aus Zins-Swaps-Geschäften. Aber nicht nur mit der WestLB wurden Zins-Swap-Geschäfte abgeschlossen. Derzeit seien weitere 50 bis 60 Klagen von Kommunen wegen der Zins-Wetten bei deutschen Gerichten anhängig, in NordrheinWestfalen hätten rund 100 Kommunen auf hochspekulative Währungswetten eingelassen mit einer Schadenssumme von 100 Millionen Euro bis zu 1 Milliarde Euro insgesamt. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/719 2 Vorbemerkung der Landesregierung Für die Kommunen ist die Finanzhoheit verfassungsrechtlich garantiert. Die Kommunen gestalten dementsprechend ihr Schuldenmanagement im Rahmen der kommunalen Selbstverwaltung in eigener Verantwortung. Der Einsatz von Zinsderivaten ist grundsätzlich zulässig, sofern die entsprechenden rechtlichen Vorgaben eingehalten werden. Neben dem allgemeinen Spekulationsverbot hat insbesondere der Krediterlass vom 09.10.2006 (SMBl. NRW. 652) hierzu einen Rahmen vorgegeben . Diese Anmerkungen vorangeschickt, beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt: 1. Wie viele nordrhein-westfälischen Kommunen bzw. deren Eigenbetriebe und Be- teiligungen haben seit dem Jahr 2008 Zins-Swap-Geschäfte mit der WestLB oder anderen Banken abgeschlossen und welche dieser Geschäfte laufen noch? Im Rahmen der kommunalen Aufgabenerfüllung bzw. der Haushaltswirtschaft erfolgt keine statistische Erfassung kommunaler Zinsderivatgeschäfte. Es liegen deshalb keine Informationen vor, die einen umfassenden Überblick über die kommunalen Zinsderivatgeschäfte ermöglichen würden. 2. Welches wirtschaftliche Ergebnis erzielten diese Kommunen bzw. welche jährli- che Haushaltsentlastung bzw. -belastung erzielten die betroffenen Kommunen durch Zinsderivatgeschäfte? Siehe Antwort zu Frage 1. 3. Welche Klagen nordrhein-westfälischer Kommunen gegen Vertragspartner von Zins-Swap-Geschäften sind der Landesregierung bekannt? Per 15.08.2012 haben 28 Kommunen gerichtliche Verfahren gegen die WestLB AG, die seit dem 01.07.2012 unter dem Namen Portigon AG firmiert, angestrengt. Im Einzelnen handelt es sich dabei um: Stadt Remscheid, Stadt Ennepetal, Stadt Kamen & Stadtentwässerung Kamen, Stadt Bergkamen & Stadtbetrieb Entwässerung Bergkamen, Stadt Kreuztal, Stadt Hückeswagen, Gemeinde Wilnsdorf, Stadt Übach-Palenberg, Gemeinde Neunkirchen, Stadt Hattingen, Ennepe-Ruhr-Kreis, Gemeinde Finnentrop, Stadt Freudenberg, Stadt KampLintfort , Abwasserverband Hellertal, Stadt Soest, Gemeinde Burbach, Stadt Lünen, Stadt Lippstadt, Stadt Oer-Erkenschwick, Stadt Steinfurt, Stadt Witten, Stadt Radevormwald, Stadt Olpe, Gemeinde Nümbrecht, Kreis Olpe, Stadt Selm und Kreis Unna (vgl. Antwort auf Kleine Anfrage 85, Drs. 16/327). Im Übrigen ist der Landesregierung nicht bekannt, in welchem Umfang Klagen der Kommunen gegen andere Kreditinstitute bei Gericht anhängig sind. 4. In welcher Höhe wurden in den betroffenen Kommunen „Drohverluste“ aus Zinsderivategeschäften zurückgestellt? Siehe Antwort zu Frage 1. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/719 3 5. Sieht die Landesregierung Handlungsbedarf beim Einsatz von Zins-Swaps im Rahmen des kommunalen Schuldenmanagements? Die Landesregierung hat die Kommunen durch Ausführungen im Krediterlass zum sorgfältigen Umgang mit Zinsderivaten wie folgt verpflichtet (vgl. Ziffer 2.2.2): "Zinsderivate werden von den Gemeinden eigenverantwortlich im Rahmen ihrer kommunalen Selbstverwaltung genutzt. Hieraus ergibt sich, dass die Gemeinden im eigenen Interesse die Chancen und Risiken - insbesondere beim Einsatz komplexer Zinsderivate - nach den entsprechenden fachlichen Gesichtspunkten und mit gebotener Sorgfalt beurteilen müssen. Die abgeschlossenen Finanzgeschäfte sollen hinsichtlich ihres Umfangs und ihrer Grundlagen dokumentiert werden. Es ist dabei konkret zu belegen, dass die Wirkungsweise und die Risiken des jeweils gewünschten Zinsderivats der Gemeinde bekannt sind. Sofern auch eine Entscheidung über ein selbst gesetztes eigenverantwortliches Risikolimit zu treffen ist, hat die Gemeinde dieses ebenfalls zu dokumentieren. Im Zweifelsfall sollen sich die Gemeinden bei diesen Finanzgeschäften einer spezialisierten Fachberatung bedienen. Während der Laufzeit der Zinsderivate sind die von der Gemeinde abgeschlossenen Finanzgeschäfte in eine laufende Risikokontrolle und in ein Berichtswesen einzubeziehen. Es ist dabei nicht ausreichend, die Kontrolle über die gemeindlichen Finanzgeschäfte nur einmal jährlich vorzunehmen." Für eine Änderung dieses Runderlasses sieht die Landesregierung derzeit keinen Bedarf. Sollte sich nach Abschluss der laufenden gerichtlichen Verfahren Hinweise für die Notwendigkeit einer weiteren Präzisierung des Krediterlasses ergeben, werde ich diese aufgreifen.