LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/727 27.08.2012 Datum des Originals: 27.08.2012/Ausgegeben: 30.08.2012 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 320 vom 7. August 2012 der Abgeordneten Ralf Witzel, Dietmar Brockes und Ralph Bombis FDP Drucksache 16/500 Rücknahme der Genehmigung für so genannte Bettensteuer durch das Ministerium für Inneres und Kommunales sowie das Finanzministerium Der Minister für Inneres und Kommunales hat die Kleine Anfrage 320 mit Schreiben vom 27. August 2012 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Finanzminister und dem Minister für Wirtschaft, Energie, Industrie, Mittelstand und Handwerk beantwortet. Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Mit Schreiben vom 9. September 2010 haben das Innenministerium sowie das Finanzministerium NRW dem Kassen- und Steueramt der Stadt Köln eine Genehmigung für die in Köln beschlossene Satzung zur Erhebung einer Kulturförderabgabe (so genannte Bettensteuer) erteilt. In diesem Schreiben weisen beide Ministerien ausdrücklich auf rechtliche „Unsicherheiten “ hin und verweisen auf das „Risiko“, dass die besagte Satzung „ein Verstoß gegen die vom Bundesverfassungsgericht vertretenen Grundsätze der Folgerichtigkeit und der Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung“ darstellen kann. Beide Ministerien haben also erhebliche Zweifel daran gehabt, dass die Besteuerung beruflich veranlasster Übernachtungen verfassungskonform ist. Anstatt aufgrund dieser Zweifel die Genehmigung zu versagen, hat die Landesregierung die verfassungsrechtlichen Risiken auf die antragstellende Kommune – und damit auf alle anderen Kommunen, die in NRW eine Bettensteuer erheben möchten – delegiert. Aus Sicht der FDP-Landtagsfraktion wäre die Landesregierung in ihrer Funktion als Rechtsaufsicht verpflichtet gewesen, diese höchst zweifelhafte Genehmigung gar nicht erst zu erteilen , denn unter Zugrundelegung des Art. 78 Abs. 4 Landesverfassung muss mit der Erteilung einer solchen Genehmigung zwingend eine Rechtskontrolle ausgeübt werden, welche als LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/727 2 Unbedenklichkeitsbescheinigung attestiert, dass die beabsichtigte Maßnahme im Einklang mit geltendem Recht steht. Eine Zweckmäßigkeitskontrolle, wie im vorliegenden Bescheid ein etwaiges kommunalfreundliches Verhalten, kann nur zusätzlich zur Rechtskontrolle und der zwingend notwendigen rechtlichen Unbedenklichkeitsbescheinigung durchgeführt werden. In der Sache wurden die rechtlichen Bedenken der beiden Ministerien durch das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) Leipzig vom 11. Juli 2012 bestätigt und erhärtet. Demnach dürfen Kommunen in Deutschland keine pauschale Bettensteuer auf Hotelübernachtungen aller Art erheben. Die Abgabe dürfe nur für private Übernachtungen etwa von Touristen eingefordert werden, nicht aber von Geschäftsreisenden. Die vom BVerwG beanstandeten Satzungen der Städte Trier und Bingen sind demnach „in vollem Umfang unwirksam “ (Auszug aus der Pressemitteilung des BVerwG). Das Urteil des BVerwG Leipzig zeigt zudem auf, dass die in Köln bestehende Satzung in zweifacher Hinsicht der rechtlichen Prüfung nicht stand halten kann: Erstens, weil sie keine Differenzierung zwischen berufsbedingten und privaten Übernachtungen vorsieht. Und zweitens , weil sie eine pauschale Besteuerung des Übernachtungspreises vorsieht und damit gleichartig zur bundesgesetzlich geregelten Umsatzsteuer ist. Eine solche Art der kommunalen Aufwandsteuer ist verfassungsrechtlich nicht zulässig. Selbst, wenn es den Kommunen gelingen würde, in ihren Satzungen präzise Abgrenzungsregeln zwischen privaten und geschäftlichen Übernachtungen zu formulieren, wird es an einer rechtkonformen und praxistauglichen Handhabe fehlen, den Aufenthaltszweck der Gäste zu ermitteln. Eine Selbstauskunft dürfte diesen Zweck nicht erfüllen, da insofern kaum zu erwarten steht, dass Gäste – im Wissen um die Abgabe – den Zweck „privat“ angeben würden. Eine Ausforschung der Gäste erscheint vor dem Hintergrund deren informationellen Selbstbestimmungsrechts kaum vertretbar; ebenso bleibt unklar, wie diese Ausforschung in concreto geschehen sollte, ob also der Gast gezwungen werden darf, Daten über seinen Arbeitgeber oder die dortige Reiseveranlassung anzugeben. Nach Auffassung der FDP-Landtagsfraktion sollte die Landesregierung deshalb die richtigen Konsequenzen aus dem Leipziger Urteil ziehen. Es spricht viel dafür, die rechtswidrige Genehmigung aus dem Jahr 2010 zurückzunehmen. Das Urteil des BVerwG macht immerhin deutlich, dass eine für Hoteliers wie für Kommunen praktikable und unbürokratische Bettensteuer undenkbar ist. Vorbemerkung der Landesregierung Zum Zeitpunkt des Zugangs der Kleinen Anfrage lag das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 11. Juli 2012 im Wortlaut noch nicht vor. Bisher liegt lediglich eine Information des Bundesverwaltungsgerichts vom 11. Juli 2012 vor, die auch über die Datenbank Juris abrufbar ist. Nach dieser Information dürfen beruflich zwingend erforderliche Übernachtungen nicht besteuert werden. Ferner ist der Information zu entnehmen, dass die Steuer für privat veranlasste Übernachtungen nicht als gleichartig mit der Umsatzsteuer anzusehen ist. Für die von den Fragestellern daraus abgeleitete rechtliche Bewertung, dass die einschlägige Satzung der Stadt Köln mit Blick auf eine Gleichartigkeit zur Umsatzsteuer der rechtlichen Prüfung nicht Stand halten kann, sieht die Landesregierung daher keinen Anhaltspunkt. Auch teilt die Landesregierung nicht die in der Vorbemerkung der Kleinen Anfrage vertretene Auffassung, wonach sie verpflichtet gewesen wäre, die Satzung über die Erhebung der Kulturförderabgabe erst gar nicht zu genehmigen. Im Genehmigungsverfahren nach § 2 KAG LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/727 3 beinhaltet die Prüfung der Rechtmäßigkeit einer neuen kommunalen Aufwandsteuer letztlich auch eine Prognose eventueller künftiger Rechtsprechung auf der Grundlage der Bewertungen vorhandener Rechtsprechung und Literatur. Keineswegs kann eine künftige Rechtsprechung zu einer neuen kommunalen Aufwandsteuer vorher gesehen, somit auch keine absolute Rechtssicherheit erzielt werden. Gerade die bislang ergangene, divergierende Rechtsprechung zur Kulturförderabgabe oder "Bettensteuer" zeigt, dass absolute Rechtssicherheit im Zuge der Einführung einer neuen kommunalen Aufwandsteuer nicht erzielt werden kann. So lag im Vorfeld des Urteils des Bundesverwaltungsgerichts eine ablehnende Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 22. März 2012 vor. Dagegen haben die Rechtmäßigkeit der Steuer bejaht das Oberverwaltungsgericht für das Land Rheinland-Pfalz mit Urteil vom 17. Mai 2011, das Thüringer Oberverwaltungsgericht mit Beschlüssen vom 17. und 23. August 2011 sowie die Verwaltungsgerichte Köln und Düsseldorf mit Urteilen vom 06. Juli und 02. Dezember 2011. Ebenso hat die Steuer in der Fachliteratur unterschiedliche rechtliche Bewertungen erfahren. Auch hätte eine Versagung der Genehmigung kein höheres Maß an Rechtssicherheit gebracht, denn diese hätte von der Stadt Köln oder einer anderen Kommune, die die Steuer hätte einführen wollen, mit seinerzeit ungewissem Ausgang beklagt werden können. 1. Welche einzelnen Konsequenzen zieht die Landesregierung, differenziert nach ihren jeweiligen Ressorts, aus dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) Leipzig vom 11. Juli 2012? Keine. 2. Zu welchem Datum genau plant die Landesregierung, den Genehmigungserlass zur Erhebung einer Kulturförderabgabe als örtliche Aufwandsteuer vom 9. September 2010 zurückzuziehen? Zu keinem. 3. In welchen Kommunen in Nordrhein-Westfalen wurden ähnliche Satzungen zur Erhebung einer Kulturförderabgabe beschlossen? (bitte vollständige Übersicht) Hierzu liegen keine Erhebungen vor. Bekannt ist, dass die Städte Dortmund, Duisburg, Köln und Aachen Satzungen zur Erhebung einer Kulturförder-/Übernachtungsabgabe beschlossen haben. Es wird angestrebt, die Einnahmen aus dieser Steuer zum nächstmöglichen Zeitpunkt gesondert von den NRW-Kommunen im Rahmen des von IT NRW bereit gestellten Informationssystems Finanzstatistik erfassen zu lassen. Aus diesen Angaben ist dann ableitbar , welche Kommunen in Nordrhein-Westfalen die Abgabe erheben. 4. Wie unterscheiden sich diese Satzungen der betroffenen Kommunen in ihren jeweiligen Regelungsnormen und bzgl. der rechtlichen Zulässigkeit angesichts der aktuellen Verwaltungsgerichtsentscheidung? Die Stadt Dortmund erhebt die Abgabe ausschließlich bei privat veranlassten Übernachtungen . Soweit hier bekannt, orientieren sich die Satzungen der weiteren in der Antwort zu Frage 3 genannten Städte an der Satzung der Stadt Köln. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/727 4 5. Welchen Bürokratieaufwand erwartet die Landesregierung einerseits auf Seiten der Hotelbetreiber und andererseits bei den örtlichen Kassenämtern, wenn die so genannte Bettensteuer im Falle ihres Bestehenbleibens zukünftig zwingend differenziert zwischen privater und geschäftlicher Übernachtung erhoben werden soll? Die Frage stellt sich für die Landesregierung nicht. Ob die Erhebung einer Kulturförder- oder Übernachtungsabgabe unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zukünftig auf der kommunalen Ebene praktikabel ist, ist von der jeweiligen Kommune eigenverantwortlich zu entscheiden.